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026 Heute<br />
popStAr per zuFALL<br />
JeSSie wAre<br />
»Ich habe eigentlich nur Glück<br />
gehabt!« so spielt Jessie Ware,<br />
die mit ihrer souligen Stimme<br />
irgendwo zwischen Sa<strong>de</strong>, Aaliyah<br />
und Teena Marie pen<strong>de</strong>lt, stets<br />
ihren Anspruch als Sängerin<br />
herunter. Ihre Performanz ist<br />
jedoch eines Popstars angemessen.<br />
»<br />
Warum zur Hölle soll sich irgendjemand<br />
dafür interessieren, was ich singe?« beginnt<br />
Jessie Ware unser Gespräch überraschend<br />
selbstkritisch. Die Englän<strong>de</strong>rin war in <strong>de</strong>r Tat<br />
lange <strong>de</strong>r Ansicht, dass keiner ihre Stimme brauche.<br />
Selbst jetzt, wo ihr Album »Devotion« mit<br />
seiner düsteren Smoothness für viele genau <strong>de</strong>n<br />
richtigen Ton trifft, fällt es ihr offensichtlich immer<br />
noch schwer, sich <strong>de</strong>m Gesprächspartner als<br />
Sängerin zu präsentieren. Nicht mal geträumt<br />
habe sie je davon, behauptet die 28-Jährige,<br />
die aus Süd-London stammt und ganz korrekt<br />
Jessica Lois Ware heißt.<br />
Eigentlich steht Ware 2009 nach einem Journalistikstudium<br />
auch schon fest im Berufsleben,<br />
als ihr ehemaliger Schulfreund Jack Peñate sich<br />
an sie erinnert. »Jack und ich waren auf <strong>de</strong>r<br />
Schule gute Freun<strong>de</strong>, und da ich dort immer<br />
bei <strong>de</strong>n Musicalaufführungen mitgewirkt hatte,<br />
kannte er meine Stimme.« Die braucht Peñate<br />
für eine Studio-Session bei <strong>de</strong>m BBC-Sen<strong>de</strong>r<br />
Radio 1. Ware sagt nach einigem Zögern zu und<br />
macht bei <strong>de</strong>r Radiosendung die aufregendste<br />
Erfahrung ihres bisherigen Lebens – man will<br />
ihre Stimme hören. Peñate bittet sie danach<br />
immer wie<strong>de</strong>r darum, ihn bei Auftritten als<br />
Backgroundsängerin zu unterstützen. Schließlich<br />
sogar bei einer Tour durch die uSA. Mittlerweile<br />
ist sie süchtig nach <strong>de</strong>r Erfahrung, auf<br />
einer Bühne zu stehen. Dementsprechend leicht<br />
fällt es ihr, <strong>de</strong>n sicheren Job aufzugeben und<br />
eine ungewisse Karriere als Backgroundsängerin<br />
anzusteuern. Doch aus Background wird<br />
nichts: Ein weiterer Freund vermittelt sie 2010<br />
zu SBTRKT, <strong>de</strong>r für die vocals seines Tracks<br />
»Nervous« eine weibliche Stimme sucht. Der<br />
Song wird viel beachtet veröffentlicht – und<br />
plötzlich steht die Backgroundsängerin Jessie<br />
Ware im Zentrum <strong>de</strong>r Aufmerksamkeit. Kurz<br />
darauf wird sie von Island gesignt, wo 2011 ihre<br />
Debütsingle »Strangest Feeling« erscheint. Das<br />
Label traut ihr zu, die Songs selbst schreiben zu<br />
können. »Ich war starr vor Schreck«, erinnert<br />
sich Ware, »<strong>de</strong>nn ich hatte mir bis dahin noch<br />
nie einen Song ausgedacht.« Alles, was sie weiß,<br />
ist, dass es nicht wirklich gut klingt, wenn sie<br />
fröhliche Songs singt. Außer<strong>de</strong>m hat sie je<strong>de</strong><br />
Menge vorbil<strong>de</strong>r: »Ich hörte damals Sachen wie<br />
The Weeknd, Sid The Kid, Feist und natürlich<br />
vor allem Sa<strong>de</strong>.«<br />
Der Einfluss von Sa<strong>de</strong> ist in Jessie Wares Songs<br />
tatsächlich spürbar. Aber Ware will mit <strong>de</strong>r<br />
Produktion von »Devotion« auch Erinnerungen<br />
an Popstars wie Peter Gabriel, Prince, Toto und<br />
Grace Jones wachrufen. Das hätte grausam<br />
en<strong>de</strong>n können, eine <strong>de</strong>r Stärken <strong>de</strong>r fast schon<br />
plakativ elegant arrangierten Produktion jedoch<br />
ist, dass die 80er entwe<strong>de</strong>r nur subtil anklingen<br />
o<strong>de</strong>r geschickt in Richtung Dancefloor moduliert<br />
wer<strong>de</strong>n. Außer vielleicht das haarsträuben<strong>de</strong><br />
Gitarrensolo auf »Running«. »Das klingt fast<br />
nach Status Quo«, gibt Jessie Ware grinsend<br />
zu, »ist aber eher von Toto inspiriert.« Solche<br />
guilty pleasures spiegeln für sie ihr Bedürfnis<br />
wi<strong>de</strong>r, einen echten Klassiker zu erschaffen, <strong>de</strong>r<br />
auch noch in 20 Jahren Relevanz hat. »Meine<br />
Mom soll die Musik auch gut fin<strong>de</strong>n können«,<br />
fügt sie hinzu. »Ich weiß, das ist viel verlangt<br />
für ein erstes Album. Aber ich musste ja davon<br />
ausgehen, dass es mein einziges bleiben wür<strong>de</strong>.«<br />
So richtig glaubt Jessie Ware immer noch<br />
nicht, dass die Leute ihre Stimme auch wirklich<br />
hören wollen.<br />
Text: Martin Riemann / Foto: Paula Winkler<br />
— JESSIE WARE »DEvOTION« (ISLAND / uNIvERSAL)<br />
— AuF TOuR vOM 18. BIS 27.03.