, MICHAIL SCHISCHKIN EUROPE NOW Auf das Häuschen Europa setzen sich aber mit aller Macht noch andere Bären – der afrikanische und der asiatische. Und kein <strong>Rettungsschirm</strong> wird das europäische Häuschen retten. Das Europa des 21. Jahrhunderts ist zu klein geworden, um im eigenen Saft zu schmoren und nur an sich selbst zu denken. Bevor es zu spät ist, müssen sich die »europäischen Tiere« aus ihrem engen europäischen Denken befreien, um die globalen Probleme zu lösen, die vor Europa und der ganzen Menschheit stehen. Unser Häus - chen ist ja unsere ganze Erde. [Übersetzt aus dem Russischen von Annelore Nitschke]
, 12. INTERNATIONALES LITERATURFESTIVAL BERLIN EUROPE NOW DRAGO JANČAR DER FALL EUROPAS? Nun gut, wenn Nicolas Sarkozy meint, Europa explodiert, wenn der Euro explodiert, und hinzufügt, den Euro zu verteidigen bedeute, Europa zu verteidigen, können wir diese Aussagen cum grano salis nehmen; die Rhetorik des bekannten französischen Politikers verträgt so manches und so manches vertragen auch unsere an so mancherlei gewöhnten europäischen Ohren auf unseren in letzter Zeit immer ratloseren europäischen Köpfen. Wenn aber die pragmatische und rationale Angela Merkel et - was noch Dramatischeres äußert, nämlich: Zerbricht der Euro, dann zerbricht Europa, müssen sich auch jene von uns Gedanken machen, die sich nicht dem Mysterium der Finanzströme und Bankora - kel widmen. Bisher dachten wir nämlich, das heutige Europa habe in seinen Grundfesten ein stärkeres Bindemittel als das liebe Geld eingebaut, das uns allen so sehr am Herzen liegt. Allein schon aus dem Grund, weil wir am Flughafen schon lange nicht mehr zur Wechselstube rennen müssen, kei - ne Wechselkurse mehr berechnen müssen, in unseren Brieftaschen keine Geldscheine mit Abbildungen verschiedener berühmter historischer Persönlichkeiten wohl begründeter europäischer Nationen und Staaten mehr herumtragen und mit verschiedensten Münzen in den Hosentaschen klimpern müs - sen. Nun aber erfahren wir plötzlich, dass der Euro mehr als nur Geld ist, dass wir in unseren Taschen sozusagen etwas Schicksalhaftes tragen: To be or not to be. Unlängst wähnten wir noch, nach all den ideologischen und nationalistischen Irrungen und Wirrungen des 20. Jahrhunderts in Europa, endlich den sicheren Hafen der Zusammenarbeit, des Wissens, des Wohlstands und der Toleranz erreicht zu haben; zwar nicht gerade das Gelobte Land, aber zumindest die große alte und zugleich neue Heimat, in der sich die Menschen nicht gegenseitig an die Gur - gel gehen, nur weil sie verschiedene Sprachen sprechen, sich auf ihre großen Kulturen berufen oder weil sie anders über soziale Fragen und Gesellschaftsordnungen denken. Die letzte Debatte über die Fundamente Europas, nämlich die Diskussion über Gott in der Europäischen Verfassung, war verhält - nismäßig unschuldig im Verhältnis zu den apokalyptischen Zeitungsüberschriften und Fotos, die wir heute zu sehen kriegen. So zum Beispiel unlängst auf dem Titelblatt des »Spiegel«, auf dem eine wohl mehrere Tonnen schwere Euromünze vom Himmel auf die Akropolis fällt, als ob diese von Zeus selbst geschickt worden wäre: Es besteht kein Zweifel, dass nur Ruinen übrig bleiben werden, wenn die Münze zu Boden kracht; dann fällt Griechenland, dann wird der Parthenon zerstört, dann fällt das Sinnbild der europäischen Zivilisation, dann fällt Europa. Die Ahnung einer Explosion, die dem Fall des Euro auf die Akropolis folgen sollte, ist viel schlimmer als die, die es dort tatsächlich schon einmal gegeben hat. Bekannt ist, dass die Türken, die sich, nachdem sie Griechenland besetzt hatten, der Kultur und Tradition gegenüber respektlos verhielten, in dieser heiligen Stätte Schießpulver aufbewahrten. Die noch respektloseren christlichen Venezianer, die wussten, dass sich dort ein Pulvermagazin befand, und die sich ebenso wenig wie die Türken darum scherten, dass hier das symbolische Fundament Europas stand, richteten ihre Kanonen auf die Akropolis, man schrieb das Jahr 1687, die Kanonen spien Feuer, das europäische Heiligtum explodierte und brannte zwei Tage lang lichterloh. Als es abgebrannt war, plünderten es die Venezianer auch noch schamlos. Anfang des 19. Jahrhunderts machte sich schließlich der britische Botschafter im Osmanischen Reich, Thomas Bruce, 7. Earl of Elgin, über das her, was übrig geblieben war, indem er mit Erlaubnis des osmanischen Sultans einen Großteil der Marmorskulpturen nach England brachte und sie im Britischen Museum in London ausstellen ließ. Dann kam das europäische 20. Jahrhundert, das Jahrhundert des großen wissenschaftlichen und kulturellen Fortschritts, zugleich aber auch das Jahrhundert, in dem es fast keine Stadt und kein Dorf in Europa gab ohne geschwärzte Mauern und Türme, die aus zahlreichen Ruinen ragten, in dem nicht nur Pulvermagazine, sondern auch Schulen und Krankenhäuser in die Luft gejagt wurden. Ehe Sarkozy behauptete, Europa würde explodieren, wenn der Euro explodiert, und ehe uns Angela Merkel mit ihrer Aussage erschreckte, Europa würde zerbrechen, wenn der Euro zerbricht, waren wir überzeugt, dass der letzte Fall, den wir gesehen und erlebt hatten, der Fall der kommunistischen Dik - taturen, der Fall der Berliner Mauer gewesen sei, und damals dachten wir schon, nun könne nichts mehr fallen. In seliger Ruhe widmeten wir uns der Suche nach der Zauberformel einer europäischen Identität, wir sprachen vom Alten und Neuen Europa, davon, in Vielfalt geeint zu sein. Besonders die Osteuropäer
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