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Literarischer Rettungsschirm.pdf - Internationales Literaturfestival ...

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BEQË CUFAJ EUROPE NOW<br />

Die Aufhebung der Autonomie des Kosovo im Jahr 1989 verbot nicht nur das eigenständige politische<br />

Leben wie nirgendwo sonst in Europa, sondern bezeichnete auch den Beginn des blutigsten Krieges<br />

in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Und während die militärisch-polizeiliche Maschinerie von<br />

Slobodan Milošević die Kosovaren unter Kontrolle brachte, liefen die Provokationen weiter und lös -<br />

ten anschließend Kriege in allen Gebieten des ehemaligen Jugoslawien aus. Im Jahr 1991 schickte<br />

er die Armee für einige Stunden gegen die Slowenen, die er dann aber »ziehen ließ«. Es folgte ein blu -<br />

tiger Krieg in Kroatien, wo Orte wie Vukovar und Knin in der Krajina zum Synonym für Massentötungen,<br />

systematische Vertreibung und unüberschaubare Flüchtlingskolonnen werden sollten. Dann beschloss<br />

er, in Bosnien-Herzegowina weiterzumachen, wo das junge Europa von 1992 bis 1995 seinen<br />

bis dahin grausamsten Krieg nach dem Ende des Kalten Krieges erleben sollte. Dort wurde die Haupt -<br />

stadt Sarajevo zum Synonym für die längste Umzingelung und Belagerung einer Stadt seit Jahrzehn -<br />

ten. Und die Stadt Srebrenica im Osten der einstigen jugoslawischen Teilrepublik wurde zum Syno -<br />

nym für das schlimmste Massaker in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges: Binnen 48 Stun den<br />

nach dem Fall der einstigen muslimischen Enklave im Juli 1995 ließen dort Radovan Karadžić, der<br />

politische Kommissar von Milošević, und General Mladić, der militärische Vollstrecker, auf Befehl Bel -<br />

grads 8000 unschuldige Männer und Jungen massakrieren.<br />

Während all dieser blutigen Jahre, während welcher Milošević in Slowenien, Kroatien und Bosnien-<br />

Herzegowina kämpfen ließ und sich erst im allerletzten Augenblick dem militärischen Gegendruck<br />

beugte, blieb das Kosovo unter der Knute Belgrads.<br />

Die Verluste in Kroatien und Bosnien-Herzegowina, wo die Nato nach Srebrenica doch mit ihren Bom -<br />

ben eingegriffen hatte, hatten Milošević stark geschwächt. Zumal die Wirtschaft Serbiens so schwer<br />

getroffen war, dass er einen neuen Krieg brauchte. Im Kosovo dagegen sah die albanische Jugend<br />

ihre Hoffnungen auf Ibrahim Rugova und den Westen enttäuscht.<br />

Die Situation im Kosovo Anfang 1997 war identisch mit jener in Bosnien-Herzegowina Anfang 1992,<br />

nur hatte es Milošević in diesem Fall noch eiliger, die Sache rasch fertig zu bringen, solange die kosovo-albanische<br />

UÇK den serbischen Soldaten und Paramilitärs nicht standhalten konnte. Der Kosovo-Krieg<br />

begann schon im Frühling 1997, eskalierte 1998 und endete in der Nacht zum 10. Juni<br />

1999, als in Kumanovo in Mazedonien die Serben ihre Kapitulation nach dem monatelangen Nato-<br />

Bombardement unterschrieben.Dann kam die Nachkriegszeit.<br />

Das Milošević-Regime in Belgrad wurde gebrochen. Im Kosovo war und ist die massive Präsenz der<br />

internationalen Zivilmissionen der UN, der EU, der OSZE sowie die Militärmission der Nato dazu da,<br />

den Behörden und Institutionen dieser jungen und zerbrechlichen Republik beim Wiederaufbau zu<br />

helfen und sie zugleich zu überwachen.<br />

Auch zwölf Jahre nach dem Krieg sind die Probleme mannigfaltig – von der beängstigenden Armut<br />

über die Korruption bis zum immens schwierigen Wiederaufbau der Kommunikationsbrücken zwischen<br />

der albanischen Mehrheit und der serbischen Minderheit, die weiter in der serbischen Hauptstadt<br />

Belgrad die Rettung und in der kosovarischen Hauptstadt Prishtina die Bedrohung ihrer Exis -<br />

tenz sieht.<br />

Wir alle südlich von Kroatien, ob es nun in Serbien, Montenegro, Mazedonien oder Kosovo ist, ha -<br />

ben schwer nicht nur an der Ausgrenzung aus Europa zu tragen, sondern auch an der regionalen<br />

Zerrissenheit. Am bittersten ist, dass für die untereinander zerstrittenen, unfähigen politischen Eliten<br />

in den betreffenden Ländern der Anschluss an Europa nicht mehr als ein Objekt der Spekulation ist,<br />

während es die Mafia-Organisationen dort längst gelernt haben, sich im Interesse ihres eigenen Wohl -<br />

ergehens über nationalistische Beschränkungen hinwegzusetzen. In ihrem Business, dem Menschen-,<br />

Zigaretten- und Rauschgiftschmuggel, funktioniert die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.<br />

Wir auf dem Balkan sind noch weit entfernt von einer wirklichen Annäherung an Europa. Vermutlich<br />

werden wir noch Jahrzehnte brauchen. Nicht nur die wirtschaftlichen Vorteile, die diese Region hat te,<br />

sind in den zehn Jahre mörderischer Kriege zerstört worden, sondern auch die Hoffnung, dass sich<br />

in den postkommunistischen, postnationalistischen Gesellschaften rasch eine starke und wirksame<br />

proeuropäische Bewegung entwickeln könnte.<br />

Trägt Europa eine Mitschuld an der Situation, unter der wir immer noch zu leiden haben? Ja und nein.<br />

Ja, weil es absurd ist, dass sich die Diplomaten Europas gewissermaßen um den Balkan herumbe-

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