Planspiel EU-27.pdf - studienstaette-muenchen.de
Planspiel EU-27.pdf - studienstaette-muenchen.de
Planspiel EU-27.pdf - studienstaette-muenchen.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Die heimliche Hauptstadt <strong>de</strong>r Türkei ist Istanbul. Die Stadt, die Europa mit Asien verbin<strong>de</strong>t, ist über 2500<br />
Jahre alt und war erst als Byzanz, später als Konstantinopel Zentrum dreier Weltreiche: Des Römischen,<br />
Byzantinischen und Osmanischen Imperiums. Ihre i<strong>de</strong>ale geografische Lage machte Konstantinopel unter<br />
osmanischer Herrschaft zum pulsieren<strong>de</strong>n Welthan<strong>de</strong>lszentrum (ihr Han<strong>de</strong>lsvolumen übertraf lange Zeit das<br />
von ganz Europa!). Aufgrund ihrer Größe und Weiträumigkeit und wegen ihrer wirtschaftlichen<br />
Anziehungskraft wur<strong>de</strong> sie zur be<strong>de</strong>utendsten Metropole <strong>de</strong>r westlichen und <strong>de</strong>r angrenzen<strong>de</strong>n östlichen<br />
Hemisphäre.<br />
Istanbul ist die europäischste Stadt <strong>de</strong>r Türkei und auch heute noch das wirtschaftliche Zentrum <strong>de</strong>r Türkei.<br />
Die Stadt war und ist geprägt von Toleranz und Respekt gegenüber an<strong>de</strong>ren Religionen und vermochte mit<br />
ihren Universitäten und ihrem reichen kulturellen Leben immer wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r politischen und gesellschaftlichen<br />
Entwicklung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s fruchtbare Impulse zu geben. Obwohl sie mit ca. 14 Millionen Menschen aus allen<br />
Nähten platzt, ist sie Ziel für fast ½ Million Zuwan<strong>de</strong>rer jährlich, vor allem aus Anatolien. Auch immer mehr<br />
Betriebe ziehen nach Istanbul, einerseits weil sie hier leicht Arbeitskräfte fin<strong>de</strong>n und an<strong>de</strong>rerseits <strong>de</strong>n<br />
europäischen Märkten nahe sind. Trotz allen Chaos', wie es bei einer stürmisch wachsen<strong>de</strong>n Mega-City<br />
nicht an<strong>de</strong>rs zu erwarten ist, gibt es in Istanbul keine himmelschreien<strong>de</strong> Armut wie in Bangkog o<strong>de</strong>r Sao<br />
Paulo, dafür eine pünktliche Müllabfuhr und eine relativ niedrige Kriminalitätsrate.<br />
Die Religion spielt im Leben <strong>de</strong>r Menschen eine zunehmend be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle - eine Entwicklung, die auch<br />
in vielen an<strong>de</strong>ren muslimischen Län<strong>de</strong>rn beobachtet wer<strong>de</strong>n kann. Die Zahl <strong>de</strong>r Moscheen hat sich seit<br />
Anfang <strong>de</strong>r 90er Jahre in <strong>de</strong>r Türkei verdoppelt, über 100.000 Bürger jährlich absolvieren eine<br />
Religionsschule und die Zahl <strong>de</strong>r Mekka-Pilger steigt kontinuierlich. Trotz<strong>de</strong>m ist <strong>de</strong>r Einfluss <strong>de</strong>r<br />
moslemischen Geistlichkeit auf die Politik nach wie vor gering, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Grundsatz <strong>de</strong>r Trennung von Staat<br />
und Religion ist in <strong>de</strong>r Verfassung festgeschrieben.<br />
Obwohl die Türkei seit <strong>de</strong>r Regierungszeit Atatürks die wirtschaftliche Entwicklung <strong>de</strong>s überwiegend<br />
agrarisch geprägten Lan<strong>de</strong>s vorantreibt, ist dieser Prozess - vor allem auch im Osten <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s - noch<br />
lange nicht abgeschlossen:<br />
• Um die Entwicklung <strong>de</strong>r trockenen ländlichen Regionen Anatoliens voranzutreiben, plant und realisiert die<br />
türkische Regierung seit über 20 Jahren das Südostanatolienprojekt, das mit <strong>de</strong>m Bau von insgesamt<br />
22 Staudämmen und 19 Kraftwerken sowie <strong>de</strong>r Erstellung von Bewässerungsanlagen Aufschwung in die<br />
kargen und rückständigen Gebiete an Euphrat und Tigris bringen soll. Auch <strong>de</strong>utsche Unternehmen sind<br />
dabei mit Großaufträgen (z.B. Siemens, Hochtief) vertreten. Das Projekt erstreckt sich in <strong>de</strong>r nördlichen<br />
Ebene Mesopotamiens auf einer Fläche von 75.000 qkm, was <strong>de</strong>r Fläche <strong>de</strong>r Benelux-Staaten entspricht.<br />
Der türkische Staat investiert insgesamt 32 Mrd. $ in dieses Entwicklungsprojekt und erhofft sich die<br />
Schaffung von 1,3 Mio. neuer Arbeitsplätze in <strong>de</strong>r Landwirtschaft sowie in <strong>de</strong>r Textil- und<br />
Nahrungsmittelindustrie. Damit wür<strong>de</strong> sich die Zahl <strong>de</strong>r Stellen in Südostanatolien gegenüber 1985<br />
verdoppeln. Nach<strong>de</strong>m die Projekte am Euphrat abgeschlossen sind, soll nun <strong>de</strong>r Tigris zur<br />
Energiegewinnung mit mehreren Dämmen gigantischen Ausmaßes aufgestaut wer<strong>de</strong>n. Die tatsächlichen<br />
negativen Auswirkungen sowohl in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht für die meist kurdische<br />
Bevölkerung sowie die ökologischen Folgen (s.u.: Umwelt) bei <strong>de</strong>n Staudammprojekten am Oberlauf <strong>de</strong>s<br />
Euphrat überwiegen allerdings gegenüber <strong>de</strong>n positiven Auswirkungen z.B. für <strong>de</strong>n Arbeitsmarkt..<br />
• Die Verkehrsinfrastruktur <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n letzten Jahren durch ehrgeizige Projekte ausgebaut,<br />
z.B. <strong>de</strong>n Neubau einer Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsverbindung zwischen Istanbul und Ankara. In <strong>de</strong>r<br />
gesamten Türkei verkehren Überlandbusse im Stun<strong>de</strong>ntakt, die ihre Zielorte meist pünktlich erreichen.<br />
• Eine große Chance stellt <strong>de</strong>r Tourismus dar, <strong>de</strong>rjenige Wirtschaftszweig, <strong>de</strong>r die Wirtschaftskrisen von<br />
1999 und 2001 unbescha<strong>de</strong>t überstan<strong>de</strong>n hat und auch in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahren weiter zunahm (+12%).<br />
Bereits heute fin<strong>de</strong>n etwa 2,5 Mio. Menschen im Frem<strong>de</strong>nverkehrsgeschäft ihr Auskommen, die meisten<br />
davon an <strong>de</strong>r türkischen Mittelmeerküste. Während 2001 ca. 12 Mio. Gäste ins Land kamen, die <strong>de</strong>m<br />
Land Einnahmen von 9 Mrd. € verschafften, sollen die Kapazitäten bis zum Jahr 2015 für bis zu 60 Mio.<br />
Touristen/Jahr ausgebaut wer<strong>de</strong>n, die 150 Mrd. € im Land lassen sollen. Damit wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Tourismus zur<br />
wichtigsten nationalen Einkommensquelle wer<strong>de</strong>n.<br />
In <strong>de</strong>r Umweltpolitik steht das Land erst am Anfang: Die Türkei ist zwar von ihrer Fläche her ein großes<br />
Land, das immer noch - mit Ausnahme <strong>de</strong>s Großraums Istanbul - kaum zersie<strong>de</strong>lt und von industrieller<br />
Umweltverschmutzung vergleichsweise wenig betroffen ist; <strong>de</strong>nnoch bereiten <strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong><br />
Massentourismus, die Luftverschmutzung in <strong>de</strong>n Städten und <strong>de</strong>r wachsen<strong>de</strong> Bevölkerungsdruck in <strong>de</strong>n<br />
Ballungsgebieten große Probleme. Eine bisher unterschätzte Gefahr für die Umwelt stellt auch die<br />
Mo<strong>de</strong>rnisierung <strong>de</strong>r Landwirtschaft dar, <strong>de</strong>nn Pestizi<strong>de</strong> und Düngemittel belasten nicht nur Bö<strong>de</strong>n und<br />
Gewässer son<strong>de</strong>rn stellen auch für <strong>de</strong>n Artenreichtum <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s eine Bedrohung dar. Durch die<br />
gigantischen Staudämme <strong>de</strong>r letzten Jahre sind ökologisch wertvolle Rückzugsflächen für Tiere und<br />
Pflanzen verloren gegangen und neue Probleme entstan<strong>de</strong>n, z.B. die Verdunstung riesiger Wassermengen<br />
und die zunehmen<strong>de</strong> Versalzung <strong>de</strong>r Bö<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Bewässerung über Kanalsysteme.<br />
Immerhin hat die Türkei in <strong>de</strong>n letzten 15 Jahren durch Gesetze und Umweltschutzkampagnen, vor allem<br />
aber durch Kooperationsprojekte mit <strong>EU</strong>-Staaten einige Fortschritte gemacht. Allein Deutschland hat bisher<br />
mehr als 4 Mrd. € an Zuschüssen für Umweltschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt, hauptsächlich im<br />
Bereich Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung und Abwasseraufbereitung. Der türkische Umweltminister<br />
veranschlagt jedoch weitere 15 bis 20 Jahre und Kosten von ca. 35 Mrd. € bis die Türkei die <strong>EU</strong>-Standards<br />
im Umweltschutz erfüllen kann.<br />
- 15 -