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Planspiel EU-27.pdf - studienstaette-muenchen.de

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Arbeitsplätze o<strong>de</strong>r mussten infolge wachsen<strong>de</strong>r Inflation bzw. Lohnkürzungen einen drastischen Rückgang<br />

<strong>de</strong>s Lebensstandards hinnehmen. Doch die Esten waren bereit, für die neu gewonnene Unabhängigkeit -<br />

das Land war bereits von 1918 bis 1940 souverän gewesen - auch persönlich Opfer zu bringen. Estland ist<br />

heute mit <strong>de</strong>r ehemaligen estnischen Sowjetrepublik kaum noch zu vergleichen. Nicht in politischer Hinsicht -<br />

<strong>de</strong>nn die junge Republik ist heute eine vorzeigbare Demokratie mit einer jungen, dynamischen<br />

Regierungsmannschaft, die ein Maximum an Offenheit und Transparenz ermöglichen will und z.B. ihre<br />

Kabinettssitzungen im Internet übertragen lässt; nicht in wirtschaftlicher Hinsicht - die zumeist privatisierten<br />

estnischen Unternehmen sind durchaus in <strong>de</strong>r Lage mit westeuropäischen Firmen zu konkurrieren und im<br />

Bereich Informations- und Biotechnologie fin<strong>de</strong>t Estland gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Anschluss an die Weltelite; auch nicht in<br />

gesellschaftlicher Hinsicht - die Esten verstehen sich als Vielvölkerstaat, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Min<strong>de</strong>rheiten an<strong>de</strong>rer<br />

Ethnien (darunter vor allem 28% Russen) volle Rechte zugesteht und am wirtschaftlichen Aufschwung<br />

teilhaben lässt.<br />

Estlands Motiv für <strong>de</strong>n Beitrittswunsch zur <strong>EU</strong> wie zur NATO entsprang <strong>de</strong>m Sicherheitsbedürfnis <strong>de</strong>s<br />

Lan<strong>de</strong>s, das sich bis auf eine kurze Perio<strong>de</strong> im 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt stets unter frem<strong>de</strong>r Herrschaft befand.<br />

Zuerst besiegten die Dänen 1219 bei <strong>de</strong>r heutigen Hauptstadt Tallinn ("Dänenstadt") die Esten, verkauften<br />

aber rund ein Jahrhun<strong>de</strong>rt später das Land an <strong>de</strong>n Deutschen Or<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r das Land besie<strong>de</strong>lte und regierte,<br />

bis er im 16. Jahrhun<strong>de</strong>rt vom russischen Zar Ivan IV. „<strong>de</strong>n Schrecklichen" vernichtend geschlagen wur<strong>de</strong>.<br />

Danach verleibten die Schwe<strong>de</strong>n Estland ihrem Reich ein, bis ab 1710 das Land wie<strong>de</strong>r Teil <strong>de</strong>s russischen<br />

Zarentums wur<strong>de</strong>. En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts sollte das baltische Land gänzlich russifiziert wer<strong>de</strong>n, doch<br />

das "Erwachen" <strong>de</strong>r estnischen Nation ließ sich durch Zwangsmaßnahmen wie <strong>de</strong>r Einführung von Russisch<br />

als Behör<strong>de</strong>n- und Unterrichtssprache nicht mehr verhin<strong>de</strong>rn. Am 24.2.1918 konnte sich Estland endlich für<br />

unabhängig erklären. Dennoch musste sich die junge estnische Republik von Beginn an sowohl gegen<br />

russische wie <strong>de</strong>utsche Angriffe erwehren. Als <strong>de</strong>r <strong>EU</strong>-Erweiterungskommissar Günter Verheugen im April<br />

2001 Estland besuchte, versprach er <strong>de</strong>swegen auch <strong>de</strong>n Esten, dass "die <strong>EU</strong> für Estland eine gute<br />

Sicherheitsgarantie" sein wer<strong>de</strong>. Während die Bevölkerung in Meinungsumfragen <strong>de</strong>n geplanten NATO-<br />

Beitritt immer schon mit einer großen Mehrheit unterstützt hatte (Beitritt 29. März 2004), wur<strong>de</strong> schließlich<br />

auch <strong>de</strong>r <strong>EU</strong>-Beitritt beim Referendum vom 14.9.2003 mit 67% gebilligt und am 1. Mai 2004 vollzogen.<br />

Der bis 2008 erreichte wirtschaftliche Erfolg basiert auf einer stabilen Währung (die Estnische Krone ist an<br />

<strong>de</strong>n Euro gekoppelt). Die Folgen <strong>de</strong>r weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise sind auch in Estland nicht<br />

spurlos vorüber gegangen (siehe Basisdaten), eine Erholung <strong>de</strong>r Konjunktur ist aber erkennbar. Die positive<br />

Entwicklung wur<strong>de</strong> gestärkt durch die Einführung <strong>de</strong>s Euro zum 1.1.2011.<br />

Zwar lehnt das Land eine vollständige Bestimmung seiner Außenpolitik durch die <strong>EU</strong> ab, <strong>de</strong>nnoch ist das<br />

Bewusstsein für die Notwendigkeit einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) schon<br />

weiter gediehen als z.B. in Polen. Den meisten Esten ist längst klar gewor<strong>de</strong>n, dass ihr Land in <strong>de</strong>r<br />

Weltpolitik aber auch in <strong>de</strong>r europäischen Politik nur eine beschei<strong>de</strong>ne Rolle spielen kann. Deswegen sind<br />

Regierung, Parteien und die meisten Bürger <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s bereit, in <strong>de</strong>r Außenpolitik einen Teil <strong>de</strong>r<br />

Zuständigkeiten und Rechte an einen <strong>EU</strong>-Außenminister zu übertragen. Auch an <strong>de</strong>r geplanten<br />

Europäischen Schnellen Eingreiftruppe zum Einsatz in Krisengebieten bzw. zur Frie<strong>de</strong>nssicherung ist<br />

Estland bereit, sich zu beteiligen; allerdings knüpft die Regierung ihre Zustimmung daran, dass das<br />

Oberkommando dieser anfangs auf 60.000 Soldaten begrenzten <strong>EU</strong>-Truppe im NATO-Hauptquartier in<br />

Brüssel untergebracht und die Einsätze <strong>de</strong>r Truppe eng mit <strong>de</strong>r NATO abgestimmt wer<strong>de</strong>n. Damit will die<br />

estnische Regierung erreichen, dass die USA, bestimmen<strong>de</strong> Macht in <strong>de</strong>r NATO und gleichzeitig <strong>de</strong>r<br />

wichtigste Verbün<strong>de</strong>te Estlands, nicht verprellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Republik Lettland ist das mittlere <strong>de</strong>r baltischen Län<strong>de</strong>r. Um 1180 ent<strong>de</strong>ckten <strong>de</strong>utsche Kaufleute die<br />

von Liven besie<strong>de</strong>lte Düna-Mündung und ließen sich dort nie<strong>de</strong>r. Als "Deutschbalten" bil<strong>de</strong>ten sie fortan die<br />

<strong>de</strong>utsche Ober- und Bürgerschicht von "Livland", so <strong>de</strong>r bis ins 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt gebräuchliche Name <strong>de</strong>s<br />

Lan<strong>de</strong>s, und herrschten über die einheimische Bauernbevölkerung. Sie führten die <strong>de</strong>utsche (Verkehrs- und<br />

Amts-)Sprache, <strong>de</strong>utsche Verwaltung und <strong>de</strong>utsches Recht ein, was auch von <strong>de</strong>n nachfolgen<strong>de</strong>n<br />

polnischen, schwedischen und russischen Oberherren akzeptiert wur<strong>de</strong>. Die <strong>de</strong>utschbaltische Herrschaft im<br />

Inneren währte fast sieben Jahrhun<strong>de</strong>rte lang. Erst En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts, als sich in einer Phase <strong>de</strong>s<br />

"Nationalen Erwachens" die lettische Bildungsschicht vom <strong>de</strong>utschen Leitbild emanzipierte und<br />

muttersprachliche Zeitungen und Kulturvereine gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n, kam es zu einer "Entfremdung" <strong>de</strong>r<br />

Deutschbalten von ihrer Heimat Lettland; in <strong>de</strong>r Folge gab es die ersten Abwan<strong>de</strong>rungswellen nach<br />

Deutschland. Die lettische Nationalbewegung war schließlich mit <strong>de</strong>r Ausrufung einer unabhängigen,<br />

<strong>de</strong>mokratischen "Republik Lettland" am 18. November 1918 erfolgreich. Nach <strong>de</strong>r Enteignung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Großgrundbesitzer sie<strong>de</strong>lten Tausen<strong>de</strong> Angehörige <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Min<strong>de</strong>rheit nach Deutschland um. Von<br />

<strong>de</strong>n zurückgebliebenen wur<strong>de</strong>n die meisten nach <strong>de</strong>m erzwungenen Anschluss Lettlands an die Sowjetunion<br />

im Juli 1940 in die von <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wehrmacht besetzten polnischen Gebiete bzw. ins <strong>de</strong>utsche<br />

Reichsgebiet umgesie<strong>de</strong>lt. Spuren <strong>de</strong>utscher Kultur sind bis heute vor allem in Riga zu sehen, wo auch<br />

bekannte <strong>de</strong>utsche Schriftsteller und Intellektuelle viele Jahre ihres Lebens verbrachten, z.B. von 1764-69<br />

Johann Gottfried Her<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r prominenteste Dichter <strong>de</strong>r Aufklärung. Aufgrund <strong>de</strong>s dominieren<strong>de</strong>n Einflusses<br />

<strong>de</strong>r mitteleuropäischen Kultur in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Deutschbalten fühlen sich die meisten Letten mit Europa bis<br />

heute sehr stark verbun<strong>de</strong>n; nicht zuletzt <strong>de</strong>swegen unterstützten die meisten Letten nach erneuter<br />

Erringung <strong>de</strong>r Unabhängigkeit (6.9.1991) auch das politische Ziel <strong>de</strong>s Beitritts ihres Lan<strong>de</strong>s zur <strong>EU</strong>.<br />

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