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Planspiel EU-27.pdf - studienstaette-muenchen.de

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In <strong>de</strong>r Bildungspolitik setzt das Land nach wie vor die bereits 1987 beschlossene Erziehungsreform um:<br />

• Die lan<strong>de</strong>sweite Verbreitung (d.h. auch in ländlichen Gebieten!) <strong>de</strong>r auf acht Jahre verlängerten "Grundschule",<br />

<strong>de</strong>ren Abschluss in etwa <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Hauptschulabschluss entspricht.<br />

• Die lan<strong>de</strong>sweite Einführung einer min<strong>de</strong>stens dreijährigen Pflicht-Sekundarschule ("General High School"), die<br />

eine allgemeine Bildung mit einer Pflichtfremdsprache und eine Min<strong>de</strong>stausbildung in einem beruflichen<br />

Schwerpunkt (z.B. Bauwesen o<strong>de</strong>r Landwirtschaft) vermittelt.<br />

Bei aller Kritik am türkischen Bildungssystem - fehlen<strong>de</strong> Lehrer und Unterrichtsräume, schlechte<br />

Lehrmittelausstattung, große Klassenstärken und insbeson<strong>de</strong>re ein starkes West-Ost-Gefälle bei <strong>de</strong>r schulischen<br />

Versorgung - dürfen die Vorzüge nicht übersehen wer<strong>de</strong>n:<br />

• Gemäß einem Ausspruch Atatürks, "<strong>de</strong>r sicherste Führer im Leben ist das Wissen", ist das türkische<br />

Bildungssystem seit <strong>de</strong>r Staatsgründung <strong>de</strong>r Vermittlung nicht von religiösen son<strong>de</strong>rn vielmehr von<br />

allgemeinbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n und wissenschaftlichen Bildungsinhalten verpflichtet.<br />

• An <strong>de</strong>n High Schools erhalten die Schüler aufgrund <strong>de</strong>r verpflichten<strong>de</strong>n Schwerpunktwahl nach <strong>de</strong>r achten<br />

Klasse ein größeres Fach- und Spezialwissen als es in Deutschland im allgemeinen <strong>de</strong>r Fall ist; an <strong>de</strong>n<br />

weiterführen<strong>de</strong>n "Anatolian High Schools" (vierjährig, vergleichbar mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Gymnasium) wird <strong>de</strong>r<br />

Unterricht in einigen Fächern zu<strong>de</strong>m in Englisch o<strong>de</strong>r Deutsch gehalten.<br />

• Auch die Vorlesungen an fast je<strong>de</strong>r dritten Universität <strong>de</strong>r insgesamt 77 Universitäten erfolgen ausschließlich in<br />

Englisch. 17 <strong>de</strong>r insgesamt 77 Universitäten <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s sind Privat- o<strong>de</strong>r Stiftungshochschulen, die mit<br />

Universitäten vornehmlich in <strong>de</strong>n USA o<strong>de</strong>r Großbritannien Partnerschaftsverträge geschlossen und ihre<br />

Studieninhalte und Lehrmetho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Partnerhochschulen angeglichen haben. Demzufolge sind an vielen<br />

Universitäten die Voraussetzungen für ein mo<strong>de</strong>rnes, international vergleichbares Studium gegeben.<br />

Die Regierung hob die Bildungsausgaben von 8,8 % <strong>de</strong>r Gesamtausgaben von 2004 auf 12,4 % im Jahr 2006 an.<br />

Damit konnten unter an<strong>de</strong>rem<br />

• die Pflicht-Sekundarstufe von drei auf vier Jahre verlängert wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Regel nach wie vor niedrigen<br />

Wissenstand <strong>de</strong>r Schüler in <strong>de</strong>r Sekundarstufe zu verbessern;<br />

• <strong>de</strong>r durch die wachsen<strong>de</strong> Bevölkerung und durch die verstärkte Einschulung von Mädchen in <strong>de</strong>n ländlichen<br />

Gebieten gestiegene Bildungsbedarf abge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n;<br />

• eine Verbesserung <strong>de</strong>r Qualität <strong>de</strong>r Bildung eingeleitet wer<strong>de</strong>n.<br />

Trotz wichtiger politischer Reformen, die die türkischen Regierungen in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren auf <strong>de</strong>n Weg - und<br />

damit Ihr Land <strong>de</strong>r Aufnahme in die <strong>EU</strong> eine wichtige Etappe näher - gebracht haben und trotz <strong>de</strong>r fühlbaren<br />

wirtschaftlichen Erholung in <strong>de</strong>n letzten Jahren, sieht sich die Türkei gravieren<strong>de</strong>n Problemen gegenüber:<br />

• In <strong>de</strong>n Kur<strong>de</strong>ngebieten im Südosten hat sich die Lage <strong>de</strong>utlich verschlechtert, seit<strong>de</strong>m die auch von <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> als<br />

terroristische Vereinigung geführte "Kurdische Arbeiterpartei" (PKK) - sie beansprucht, die Interessen von Millio -<br />

nen Kur<strong>de</strong>n gegenüber <strong>de</strong>m türkischen Nationalstaat zu vertreten – wie<strong>de</strong>r zum Mittel <strong>de</strong>s Terrors greift: Allein<br />

von November 2005 bis Juni 2006 wur<strong>de</strong>n 774 Anschläge verübt, <strong>de</strong>nen 62 Menschen – Soldaten, Polizisten<br />

und Zivilisten – zum Opfer fielen. Beobachter führen das Wie<strong>de</strong>raufflammen <strong>de</strong>r Gewalt auf die anhalten<strong>de</strong> wirtschaftliche<br />

und soziale Benachteiligung <strong>de</strong>r Kur<strong>de</strong>n zurück. Die PKK operiert offenbar zunehmend mehr von<br />

Basen im kurdischen Nordirak aus. Zwar hatte Ministerpräsi<strong>de</strong>nt Tayyip Erdogan 2005 versprochen, die<br />

Probleme <strong>de</strong>r kurdischen Min<strong>de</strong>rheit „mit <strong>de</strong>mokratischen Mitteln zu lösen“, doch fand ein Dialog zwischen<br />

Regierung und lokalen Politikern, wie ihn z.B. die <strong>EU</strong>-Kommission angemahnt hatte, noch nicht ausreichend<br />

statt. Seit <strong>de</strong>r Staatsgründung im Jahr 1923 kämpfen die Kur<strong>de</strong>n um größere Autonomie bis hin zum eigenen<br />

Kur<strong>de</strong>nstaat. Im Kampf gegen die PKK-Guerilla wur<strong>de</strong>n seit 1990 viele kurdische Dörfer als angebliche<br />

Rückzugsorte <strong>de</strong>r PKK zerstört o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Armee zwangsevakuiert.<br />

• 1960 wur<strong>de</strong> die ehemalige britische Kolonie Zypern unabhängig. Die Türkei intervenierte 1974 militärisch in<br />

Zypern um <strong>de</strong>n - aus türkischer Sicht geplanten - Anschluss <strong>de</strong>r Insel an Griechenland zu verhin<strong>de</strong>rn. Seither ist<br />

Zypern faktisch geteilt. Die im Nordteil 1983 ausgerufene "Türkische Republik Nordzypern" wird international<br />

nicht anerkannt, die (südliche) Republik Zypern ist seit 2004 Mitglied <strong>de</strong>r <strong>EU</strong>.<br />

• Die ca 70.000 Armenier im Land haben ebenfalls einen schweren Stand. Sie wer<strong>de</strong>n nicht als ethnische son<strong>de</strong>rn<br />

nur als religiöse Min<strong>de</strong>rheit anerkannt. 1914/15 wur<strong>de</strong>n bei einer kollektiven Strafaktion Millionen Armenier<br />

von Anatolien in die syrische Wüste umgesie<strong>de</strong>lt. Zwischen 600.000 und 1,5 Millionen kamen dabei ums Leben,<br />

in vielen Fällen wegen Hunger, durch Krankheit und Epi<strong>de</strong>mien. Der türkische Staat hat die historische Schuld<br />

<strong>de</strong>s Völkermor<strong>de</strong>s an <strong>de</strong>n Armeniern offiziell bis heute nicht eingestan<strong>de</strong>n, es gibt aber inzwischen erste<br />

Bemühungen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Staaten, ihre Beziehungen zu normalisieren.<br />

• Die Kluft zwischen Arm und Reich sowie zwischen West und Ost ist in <strong>de</strong>r Türkei nach wie vor sehr tief: Während<br />

knapp ein Fünftel <strong>de</strong>r Bevölkerung 2/3 <strong>de</strong>s Volkseinkommens bezieht, die Mittelschicht aber sehr schmal ist,<br />

leben Millionen unterhalb <strong>de</strong>r Armutsgrenze (insgesamt ca.25 %, in <strong>de</strong>n ländlichen Gebieten sogar fast 40 %!).<br />

• Die Arbeitslosigkeit liegt nach offiziellen Zahlen bei ca. 10%, dürfte aber tatsächlich höher sein.<br />

• Ein großes Problem <strong>de</strong>r Türkei stellt die veraltete Landwirtschaft dar, die 2006 zwar 26 % aller Erwerbstätigen<br />

beschäftigte, aber nur ca. 10,7 % <strong>de</strong>s Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftete. Im anatolischen Hochland, das trotz<br />

seiner Trockenheit die Kornkammer <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s ist, glauben immer weniger Menschen eine vernünftige<br />

wirtschaftliche Perspektive zu haben; jährlich wan<strong>de</strong>rn Hun<strong>de</strong>rttausen<strong>de</strong> vom Land in die großen Städte aus.<br />

• Zwar hat die Türkei eine sehr junge, dynamische Bevölkerung – fast je<strong>de</strong>r vierte Türke ist unter 14 Jahre alt -,<br />

doch die Jahr für Jahr um etwa 1 Mio. zunehmen<strong>de</strong> Bevölkerung droht alle wirtschaftlichen Erfolge und<br />

Zuwächse "aufzufressen".<br />

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