Planspiel EU-27.pdf - studienstaette-muenchen.de
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Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien<br />
Sie sind Vertreter dieser mittel- bzw. südosteuropäischen Län<strong>de</strong>r. Tschechien, die Slowakei und Ungarn sind<br />
seit <strong>de</strong>m 1. Mai 2004, Rumänien und Bulgarien seit <strong>de</strong>m 1. Januar 2007 Mitglied <strong>de</strong>r Europäischen Union.<br />
Die Tschechische Republik ist zusammen mit <strong>de</strong>r Slowakischen Republik am 1. Januar 1993 aus <strong>de</strong>r<br />
tschechoslowakischen Fö<strong>de</strong>ration hervorgegangen. Von allen neuen <strong>EU</strong>-Staaten sind die Bürger<br />
Tschechiens vielleicht die <strong>EU</strong>-skeptischsten. Vom früheren <strong>EU</strong>-Erweiterungskommissar Verheugen stammt<br />
<strong>de</strong>r Ausspruch: "Wenn es einen Nobelpreis für Skeptizismus gäbe, wür<strong>de</strong>n ihn die Tschechen je<strong>de</strong>s Jahr<br />
erhalten.“ In Tschechien stand man <strong>de</strong>r Mitgliedschaft in <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> eher reserviert gegenüber: Man erkannte<br />
<strong>de</strong>ren Notwendigkeit zwar an, begrüßte sie aber <strong>de</strong>nnoch nicht überschwänglich. Der heutige<br />
Staatspräsi<strong>de</strong>nt Vaclav Klaus gab vielleicht das beste Beispiel für diese Haltung, als er sich vor <strong>de</strong>r<br />
Volksabstimmung zum geplanten <strong>EU</strong>-Beitritt weigerte, eine Empfehlung für <strong>de</strong>n Beitritt auszusprechen, <strong>de</strong>n<br />
die Tschechen dann wie beiläufig billigten: Zwar stimmten über drei Viertel dafür, dies allerdings bei einer<br />
Wahlbeteiligung von lediglich 55%. Wesentlich motivierter ging das Land an <strong>de</strong>n Beitritt zur NATO heran, <strong>de</strong>r<br />
bereits am 12.3.1999 vollzogen wur<strong>de</strong> (Slowakei 29.3.2004) und in <strong>de</strong>n Augen vieler Tschechen schon allein<br />
<strong>de</strong>swegen nötig war, um das Staatsschiff endgültig im Hafen <strong>de</strong>s Westens festzumachen. Viele Politiker und<br />
Bürger sehen in <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> im wesentlichen einen Bund souveräner Nationalstaaten, mit <strong>de</strong>r die wirtschaftliche<br />
Aufholjagd nach 40 Jahren sozialistischer Planwirtschaft leichter betrieben wer<strong>de</strong>n kann, o<strong>de</strong>r um noch<br />
einmal Vaclav Klaus zu zitieren: „Der <strong>EU</strong>-Beitritt be<strong>de</strong>utet einen wesentlichen Souveränitätsverlust, <strong>de</strong>r<br />
durch etwas aufgewogen wer<strong>de</strong>n muss.“ Dieses „etwas“ sind die Teilnahme am <strong>EU</strong>-Binnenmarkt mit all<br />
seinen Han<strong>de</strong>lsvorteilen und die Zuschüsse für die notwendige Mo<strong>de</strong>rnisierung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s. Während<br />
Deutschland und Frankreich (sowohl Regierung wie Opposition) die <strong>EU</strong> min<strong>de</strong>stens perspektivisch als<br />
Bun<strong>de</strong>sstaat sehen, <strong>de</strong>r dann auch in <strong>de</strong>r Außen- und Sicherheitspolitik mehr und mehr Zuständigkeiten<br />
von <strong>de</strong>n Nationalstaaten übertragen bekäme, ist dies für Staatspräsi<strong>de</strong>nt Klaus unvorstellbar: „Die<br />
gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> ist unnötig. Der Versuch einer Gleichschaltung (<strong>de</strong>r <strong>EU</strong>-<br />
Staaten) kann nicht erwünscht sein.“ erklärte er in einem Interview vom Mai 2003 Für Klaus gibt es keine<br />
ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>finierten „europäischen Interessen in <strong>de</strong>r Außenpolitik“ und damit auch keine Notwendigkeit für<br />
die <strong>EU</strong>, sich einen europäischen Außenminister zuzulegen. Erst recht gilt dies für das Gebiet <strong>de</strong>r<br />
Sicherheitspolitik, wo er im Streben nach Vertiefung <strong>de</strong>r militärischen Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>n <strong>EU</strong>-<br />
Staaten, wie sie beson<strong>de</strong>rs von Deutschland und Frankreich gefor<strong>de</strong>rt wird, einen gewissen Versuch sieht,<br />
„die NATO und die transatlantischen Bindungen zu schwächen und aus <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> eine Art Gegengewicht zu<br />
<strong>de</strong>n USA zu machen.“ Auch dies sei seiner Meinung nach „unnötig“. Zwar hat <strong>de</strong>r Staatspräsi<strong>de</strong>nt nach <strong>de</strong>r<br />
tschechischen Verfassung überwiegend repräsentative Aufgaben und kann <strong>de</strong>r Regierung keine Vorgaben<br />
machen, doch steht Klaus mit dieser Meinung keineswegs isoliert da. Wenn man die Geschichte <strong>de</strong>r im<br />
europäischen Vergleich jungen Republik genauer ansieht, versteht man, warum die Tschechen insgesamt<br />
sehr viel reservierter als z.B. die westeuropäischen Nachbarn Deutschland und Österreich <strong>de</strong>r europäischen<br />
Einigungsi<strong>de</strong>e gegenüberstehen.<br />
• Bereits 20 Jahre nach ihrer Gründung 1918 - ermöglicht durch die Auflösung <strong>de</strong>r Donau-Monarchie<br />
Österreich-Ungarn - musste die erste tschechoslowakische Republik im Zuge <strong>de</strong>s Münchner<br />
Abkommens von 1938 zwischen Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland das Su<strong>de</strong>tenland<br />
an das Deutsche Reich abtreten; damit verlor die Tschechoslowakei nicht nur wirtschaftlich wichtige<br />
Gebiete, son<strong>de</strong>rn war, im Stich gelassen von ihren westeuropäischen Verbün<strong>de</strong>ten Frankreich und<br />
Großbritannien, weiteren Gebietsgelüsten Hitlers schutzlos ausgeliefert. Als Hitler im Frühjahr 1939 sich<br />
daran machte, die „Rest-Tschechei“ ebenfalls in sein „Tausendjähriges Reich“ einzuglie<strong>de</strong>rn, war an eine<br />
militärische Gegenwehr überhaupt nicht mehr zu <strong>de</strong>nken. Mit <strong>de</strong>r Drohung, Prag durch die Luftwaffe <strong>de</strong>m<br />
Erdbo<strong>de</strong>n gleichzumachen, erpresste Hitler vom tschechoslowakischen Staatspräsi<strong>de</strong>nten die<br />
Zustimmung zum Einmarsch <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wehrmacht in Böhmen und Mähren.<br />
• 1948, nur wenige Jahre nach <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rerlangung <strong>de</strong>r Souveränität 1945, kam es zur Machtübernahme<br />
<strong>de</strong>r Moskau-treuen Kommunistischen Partei. 40 Jahre lang existierte das Land, von Westeuropa durch<br />
<strong>de</strong>n „Eisernen Vorhang“ getrennt, nur pro forma unabhängig.<br />
• 1968 leisteten Millionen Bürger in <strong>de</strong>r Tschechoslowakei zivilen Wi<strong>de</strong>rstand gegen die „sozialistische<br />
Bru<strong>de</strong>rhilfe“, <strong>de</strong>r Invasion <strong>de</strong>r Staaten <strong>de</strong>s Warschauer Pakts, mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Versuch, <strong>de</strong>m "Sozialismus ein<br />
menschliches Antlitz" zu geben, gewaltsam been<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Im Bewusstsein <strong>de</strong>r Menschen hatte <strong>de</strong>r<br />
Westen das Land beim Versuch, einen selbständigen Weg zu gehen, erneut im Stich gelassen, auch<br />
wenn es objektiv keine realistische Möglichkeit <strong>de</strong>s Eingreifens von Seiten <strong>de</strong>r USA und Westeuropa<br />
gegeben hatte, ohne einen dritten Weltkrieg zu riskieren.<br />
Erst nach <strong>de</strong>r „samtenen Revolution" von 1989 kam eine <strong>de</strong>mokratische Bewegung an die Regierung. Seit<br />
<strong>de</strong>m 1.1.1993 bil<strong>de</strong>n Tschechen und Slowaken zwei unabhängige Republiken, die selbstbewusst auftreten<br />
und <strong>de</strong>n "Großen" in <strong>de</strong>r europäischen Familie auf gleicher Augenhöhe begegnen wollen; die I<strong>de</strong>e einer<br />
teilweisen Aufgabe nationaler Zuständigkeiten in <strong>de</strong>r Außen- und Sicherheitspolitik zugunsten Brüssels<br />
kommt vielen politisch Verantwortlichen und Bürgern wie ein erneuter Versuch eines Diktats von außen vor.<br />
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