Planspiel EU-27.pdf - studienstaette-muenchen.de
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Die wirtschaftliche Lage in Ungarn hat sich bis 2006 stark gebessert. Es konnten zehn Jahre starken<br />
Wirtschaftswachstums verzeichnet wer<strong>de</strong>n und auch die Arbeitslosigkeit wur<strong>de</strong> auf einem für <strong>EU</strong>-<br />
Verhältnisse akzeptablen Niveau gehalten (z.Z. ca. 10 %). In <strong>de</strong>n 90er Jahren ging es vor allem darum, die<br />
Industrie mithilfe ausländischer Investitionen zu mo<strong>de</strong>rnisieren, hier sind z.B. die <strong>de</strong>utschen Unternehmen<br />
Audi, Telekom und E-ON zu nennen. Seit einigen Jahren entwickelt sich Ungarn nun aber zunehmend weg<br />
von einer "verlängerten Werkbank Westeuropas", wo ausschließlich die niedrigen Lohnkosten ausländische<br />
Unternehmen ins Land (z.B. <strong>de</strong>r Automobilzulieferer Leoni) lockten, hin zu einem regionalen Zentrum für<br />
Logistik, Vertrieb, Forschung und Entwicklung. Beispiele hierfür sind IBM, das noch 2002 ein<br />
Festplattenwerk in Szekesfehervar schloss und 3.700 Arbeitnehmer entließ, aber bereits ein Jahr später mit<br />
einem Forschungs- und Entwicklungszentrum zurückkehrte.<br />
Die ungarische Wirtschaft versucht nach <strong>de</strong>r Wirtschafts- und Finanzkrise wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Wachstumskurs<br />
zurückzukehren. Die Einführung <strong>de</strong>s Euros wird ebenso angestrebt wie die Schaffung neuer Arbeitsplätze.<br />
Die ungarische Europapolitik nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> war von großer Umsicht und Klugheit geprägt. In kaum<br />
einem an<strong>de</strong>ren <strong>de</strong>r neuen Mitgliedslän<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> ging <strong>de</strong>r wirtschaftliche Umbauprozess so scheinbar<br />
mühelos vonstatten und auch die Verhandlungen mit <strong>de</strong>r <strong>EU</strong>-Kommission liefen zügig und ohne größere<br />
Probleme ab. Was die Beitrittskriterien <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> angeht, hätte Ungarn je<strong>de</strong>nfalls schon zu einem früheren<br />
Zeitpunkt aufgenommen wer<strong>de</strong>n können. Umsicht bewies die Regierung aber auch, als sie nach 1989 im<br />
Zuge <strong>de</strong>r neu gewonnenen Unabhängigkeit daran ging, sich um die Rechte <strong>de</strong>r ca. dreieinhalb Millionen<br />
Ungarn zu kümmern, die in <strong>de</strong>n Nachbarlän<strong>de</strong>rn (v.a. Slowakei, Rumänien, Serbien und Kroatien) leben. Mit<br />
seiner bedächtigen Außenpolitik sowie mit Unterstützung durch die <strong>EU</strong> erreichte die Regierung in Budapest<br />
nicht nur, dass <strong>de</strong>r rechtliche Status <strong>de</strong>r ungarnstämmigen Bürger in diesen Län<strong>de</strong>rn verbessert wur<strong>de</strong>,<br />
son<strong>de</strong>rn auch, dass die Nachbarvölker neues Vertrauen in ihre ungarischen Min<strong>de</strong>rheiten fassten. Das<br />
Vertrauen <strong>de</strong>r Nachbarvölker hat auch <strong>de</strong>swegen zugenommen, weil in Ungarn nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> ein<br />
vorbildliches Min<strong>de</strong>rheitenrecht für die anerkannten 13 Minoritäten geschaffen wur<strong>de</strong> (z.B. kulturelle<br />
Autonomierechte sowie Recht auf muttersprachlichen Unterricht). In <strong>de</strong>r Außenpolitik ist aber Vertrauen das<br />
wichtigste Kapital. Es ist durchaus eine Konstellation vorstellbar, in <strong>de</strong>r Ungarn als Mittler zwischen "alten"<br />
und "neuen" wie zwischen großen und kleinen o<strong>de</strong>r zwischen stärker transatlantisch ausgerichteten und<br />
USA-kritischen <strong>EU</strong>-Län<strong>de</strong>rn auftreten könnte, <strong>de</strong>nn Ungarn nimmt in vielen Streitfragen eine Position <strong>de</strong>r<br />
Mitte ein:<br />
• Es ist für ein starkes Europa und akzeptiert, dass die <strong>EU</strong> einen Motor hat (Deutschland und Frankreich<br />
sowie Belgien und Luxemburg) aber dagegen, dass einige große Län<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> eine dominieren<strong>de</strong><br />
Rolle übernehmen wollen.<br />
• Wie <strong>de</strong>r frühere ungarische Ministerpräsi<strong>de</strong>nt Medgessey bereits 2003 for<strong>de</strong>rte, "müssen gewisse<br />
Kompetenzen auf die <strong>EU</strong> übertragen wer<strong>de</strong>n, wenn wir ein starkes Europa wollen." Damit spielte er in<br />
erster Linie auf <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Außenpolitik an, wo sich Ungarn für die Schaffung <strong>de</strong>s Amtes eines<br />
Europäischen Außenministers und für die Einführung von Mehrheitsabstimmungen bei<br />
außenpolitischen Beschlüssen im <strong>EU</strong>-Ministerrat einsetzt.<br />
• Es ist für eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik und für <strong>de</strong>n Aufbau gemeinsamer<br />
europäischer Streitkräfte, aber dagegen, dass damit ein Gegengewicht zu <strong>de</strong>n USA aufgebaut wird;<br />
folgerichtig ist die ungarische Regierung für <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>r Europäischen Schnellen Eingreiftruppe,<br />
for<strong>de</strong>rt aber, dass <strong>de</strong>ren Einsätze gut mit <strong>de</strong>r NATO koordiniert wer<strong>de</strong>n müssen, <strong>de</strong>ren Mitglied Ungarn<br />
seit 1999 ist.<br />
• Es ist für die Aufnahme weiterer Län<strong>de</strong>r in die <strong>EU</strong>, wenn diese die strengen Beitrittskriterien erfüllen.<br />
Man <strong>de</strong>nkt dabei an die Nachbarn Kroatien, Serbien und die Ukraine, aber auch an die Türkei, die nach<br />
Überzeugung <strong>de</strong>r Regierung in Budapest ebenfalls eine faire Chance erhalten muss.<br />
Die Ungarn haben aus <strong>de</strong>r Geschichte gelernt und sind bereit, ihre Erfahrungen und Kenntnisse im<br />
Brückenbauen zwischen Ost und West, Orient und Okzi<strong>de</strong>nt einzubringen. Auch heute noch tun sich in<br />
Europa Gräben auf, nicht mehr so tiefe wie bis vor 20 Jahren in Form <strong>de</strong>s Eisernen Vorhangs, <strong>de</strong>nnoch<br />
fühlbare Risse, <strong>de</strong>ren Überwindung zähen Willen, unermüdlichen Eifer und diplomatisches Geschick benötigt<br />
- von allem haben die Ungarn viel mitzubringen.<br />
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