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Planspiel EU-27.pdf - studienstaette-muenchen.de

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In <strong>de</strong>r Europapolitik lehnt sich das Land an Deutschland, das <strong>de</strong>r wichtigste Han<strong>de</strong>lspartner Lettlands ist,<br />

und die skandinavischen Nachbarn Schwe<strong>de</strong>n und Finnland an. Mit <strong>de</strong>r <strong>EU</strong>-Mitgliedschaft (seit 1. Mai<br />

2004) hofft man <strong>de</strong>n wirtschaftlichen Erholungsprozess <strong>de</strong>r letzten Jahre erfolgreich zu konsolidieren und<br />

<strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r Verarmung beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>n ländlichen Gebieten umzukehren sowie die in <strong>de</strong>n<br />

vergangenen Jahren ungemein gewachsenen Einkommensunterschie<strong>de</strong> allmählich abzubauen. Die <strong>EU</strong><br />

för<strong>de</strong>rt diese Politik, in<strong>de</strong>m sie in <strong>de</strong>n wirtschaftlich schwachen Regionen außerhalb Rigas <strong>de</strong>n Ausbau <strong>de</strong>r<br />

Infrastruktur finanziell unterstützt sowie Unternehmensgründungen und Neueinstellungen von Arbeitskräften<br />

aktiv för<strong>de</strong>rt. Die lettische Wirtschaft zeigt nach <strong>de</strong>r globalen Krise Anzeichen <strong>de</strong>r Stabilisierung. Der<br />

eingeschlagene Spar- und Reformkurs hat das Ziel, das Haushalts<strong>de</strong>fizit zu reduzieren und die<br />

Arbeitslosigkeit zu senken.<br />

In <strong>de</strong>r NATO-Mitgliedschaft (2. April 2004) sieht man vor allem eine langfristige Garantie für die Unabhängigkeit<br />

von Russland. Die Beziehungen zu Russland sind kompliziert und nicht frei von Spannungen: Die<br />

Regierung in Moskau sieht die große russische Gemeinschaft trotz geän<strong>de</strong>rter Min<strong>de</strong>rheitengesetze<br />

diskriminiert und hat als Strafmaßnahme <strong>de</strong>n Export russischen Öls über <strong>de</strong>n lettischen Hafen Ventspils<br />

eingestellt. Bei <strong>de</strong>n Letten hat sich dadurch das über Jahrzehnte gewachsene Misstrauen gegenüber <strong>de</strong>n<br />

Russen noch verstärkt. Die Erfahrung <strong>de</strong>r zwangsweisen Sowjetisierung aller staatlichen und gesellschaftlichen<br />

Bereiche nach <strong>de</strong>r Rückeroberung Lettlands durch die Rote Armee im Jahr 1944 hat die Letten tief<br />

traumatisiert; 120.000 Letten waren in <strong>de</strong>n Jahren 1945 bis 1953 ermor<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r nach willkürlicher<br />

Verhaftung und Deportation in Lager nach Sibirien dort ums Leben gekommen. Auch ist unvergessen, dass<br />

Moskau 1991 die Unabhängigkeit Lettlands noch in letzter Minute mit <strong>de</strong>m Angriff sowjetischer Truppen auf<br />

das lettische Innenministerium verhin<strong>de</strong>rn wollte, wobei es Tote und Verwun<strong>de</strong>te gab.<br />

In <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>s <strong>EU</strong>-Außenministers vertritt Lettland eine ganz ähnliche Position wie die meisten kleineren<br />

Staaten in <strong>de</strong>r <strong>EU</strong>. Man weiß um das relativ geringe Gewicht <strong>de</strong>r lettischen Stimme im Chor <strong>de</strong>r <strong>EU</strong>, <strong>de</strong>r von<br />

<strong>de</strong>n Großen Drei - Deutschland, Frankreich und Großbritannien. - dominiert wird. Ein <strong>EU</strong>-Außenminister, <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n Interessen aller <strong>EU</strong>-Staaten verpflichtet ist, könnte nach Überzeugung <strong>de</strong>r Regierung in Riga lettische<br />

Positionen in <strong>de</strong>r Weltpolitik besser vertreten als <strong>de</strong>r auf sich allein gestellte nationale Außenminister.<br />

Die Regierung sieht vor allem in <strong>de</strong>n USA - mehr noch als in <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> - eine potentielle Schutzmacht in<br />

Konflikten mit Russland. Daher verwun<strong>de</strong>rt es auch nicht, dass Lettland zusammen mit an<strong>de</strong>ren mittel- und<br />

osteuropäischen Län<strong>de</strong>rn im Februar 2003 in einer Erklärung seine Solidarität mit <strong>de</strong>n USA in <strong>de</strong>r Irak-Krise<br />

bekun<strong>de</strong>te. Den Aufbau <strong>de</strong>r gemeinsamen Europäischen Schnellen Eingreiftruppe unterstützt man zwar,<br />

will diese aber nicht als Konkurrenz und schon gar nicht als Gegengewicht zur NATO verstan<strong>de</strong>n wissen.<br />

Riga setzt sich <strong>de</strong>shalb ähnlich wie die polnische o<strong>de</strong>r britische Regierung dafür ein, dass die Einsätze <strong>de</strong>r<br />

<strong>EU</strong>-Eingreiftruppe in enger Abstimmung mit <strong>de</strong>r NATO erfolgen müssen und dazu am besten auch ihr<br />

Oberkommando im NATO-Hauptquartier in Brüssel anzusie<strong>de</strong>ln sei. Damit will man erreichen, dass die USA,<br />

bestimmen<strong>de</strong> Macht in <strong>de</strong>r NATO und gleichzeitig wichtigster Verbün<strong>de</strong>ter Lettlands, nicht verprellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Litauen ist in Größe (65.200 qkm) und Einwohnerzahl (3,4 Millionen) unter <strong>de</strong>n <strong>EU</strong>-Staaten mit Irland<br />

vergleichbar. Wie in <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren baltischen Staaten ist die einseitig erfolgte Erklärung <strong>de</strong>r Unabhängigkeit<br />

von <strong>de</strong>r früheren Sowjetunion – in Litauen am 11. März 1990 durch das Parlament – <strong>de</strong>r zweite Anlauf zur<br />

Gründung einer <strong>de</strong>mokratischen Republik gewesen. Mit Estland und Lettland teilt Litauen die Geschichte<br />

einer Phase <strong>de</strong>r „ersten Republik“ von 1918 bis 1940, in <strong>de</strong>r die baltischen Völker erste Gehversuche mit <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>mokratischen Selbstbestimmung unternahmen. Im Hitler-Stalin-Pakt von 1939 wur<strong>de</strong>n die baltischen<br />

Län<strong>de</strong>r und Polen als Beute zwischen Deutschland und <strong>de</strong>r Sowjetunion aufgeteilt und Litauen geriet 1940<br />

unter sowjetische Zwangsherrschaft. Ein Jahr später marschierte die <strong>de</strong>utsche Wehrmacht in Litauen ein<br />

und besetzte das Land, bis 1944 erneut die Rote Armee das Land ‚befreite’. Trotz traumatisch<br />

nachwirken<strong>de</strong>r Erfahrungen aus <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Besatzungszeit (alle Ju<strong>de</strong>n, die in <strong>de</strong>n Städten einen großen<br />

Anteil an <strong>de</strong>r Bevölkerung stellten, wur<strong>de</strong>n in einem grausamen Blutbad getötet) wie aus <strong>de</strong>n ersten Jahren<br />

<strong>de</strong>r erneuten Sowjetherrschaft (etwa 100.000 Litauer - in stalinistischer Sprachregelung "unzuverlässige<br />

Elemente" - wur<strong>de</strong>n nach Sibirien <strong>de</strong>portiert), orientiert sich die Außenpolitik Litauens gera<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />

damaligen Aggressoren Deutschland und Russland.<br />

Auf Deutschland richten sich in beson<strong>de</strong>rer Weise die Erwartungen <strong>de</strong>r jungen Republik: Deutschland ist das<br />

nächst gelegene große <strong>EU</strong>-Land <strong>de</strong>r ersten Stun<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>m Litauen schon heute sehr intensive<br />

Han<strong>de</strong>lsbeziehungen unterhält, die es in Zukunft noch ausweiten will. Deutsche Unternehmen sind bereits in<br />

großer Zahl in Litauen mit Nie<strong>de</strong>rlassungen vertreten und Deutschlands Hilfe etwa beim Abbau <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

Atomreaktoren <strong>de</strong>s Tschernobyl-Typs ist unter <strong>de</strong>n <strong>EU</strong>-Staaten die größte. Die Litauer sind bereit, bei<br />

wichtigen Entscheidungen in <strong>de</strong>r Europapolitik Deutschland als Leitfigur unter <strong>de</strong>n <strong>EU</strong>-Staaten<br />

anzuerkennen. Der an<strong>de</strong>re wichtige außenpolitische Partner ist Russland, mit <strong>de</strong>m das Land auch heute als<br />

<strong>EU</strong>-Mitglied <strong>de</strong>n größten Han<strong>de</strong>lsaustausch betreibt. Litauen weiß um die Be<strong>de</strong>utung guter Beziehungen zu<br />

seinem östlichen Nachbarn und ist bereit, seine Erfahrungen mit diesem für die europäischen Geschicke<br />

wichtigen Land in die Europäische Union einzubringen.<br />

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