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Planspiel EU-27.pdf - studienstaette-muenchen.de

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liegen in <strong>de</strong>r Erfahrung von Unterdrückung <strong>de</strong>r ukrainischen Sprache und Kultur unter <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

Zaren <strong>de</strong>s russischen Reiches, in <strong>de</strong>r Nationalbewegung <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt und vor allem in <strong>de</strong>r bis heute<br />

nachwirken<strong>de</strong>n Erinnerung an <strong>de</strong>n Kampf <strong>de</strong>r russischen Bolschewiken (Kommunisten) sowie <strong>de</strong>r<br />

zaristischen Weißgardisten gegen die erste selbständige ukrainische Republik von 1918 bis 1920. Der<br />

Hungertod von geschätzten 6 bis 7 Millionen Ukrainern 1932-1934, ausgelöst durch die sowjetische<br />

Zwangskollektivierung in <strong>de</strong>r Landwirtschaft, sowie die Verfolgung und Ermordung ukrainischer Intellektueller<br />

unter Stalin in <strong>de</strong>n 30er Jahren, wird als nationales Trauma angesehen. Auch in <strong>de</strong>r Überzeugung <strong>de</strong>r<br />

nachfolgen<strong>de</strong>n Generationen kann dies nur durch die Unabhängigkeit vom großen Bru<strong>de</strong>r endgültig<br />

überwun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

Umgekehrt haben viele Russen mit <strong>de</strong>m Staat Ukraine ein psychologisches Problem, weil die Wurzeln <strong>de</strong>s<br />

alten Zarenreichs Russland in Kiew liegen. In ihrer Perspektive ist die Ukraine russisches Kernland.<br />

Auch für viele Bewohner im Osten bzw. Sü<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Ukraine ist es eine offene Frage, ob sich das Land eher<br />

nach Westen o<strong>de</strong>r nach Russland hin orientieren soll.<br />

Zwar streben Präsi<strong>de</strong>nt Juščenko und die Regierung stabile und gut nachbarschaftliche Beziehungen mit<br />

Russland an, doch gab es immer wie<strong>de</strong>r massive Beeinträchtigungen <strong>de</strong>s Verhältnisses:<br />

• Die Ukraine ist wichtiges Transitland für russische Öl- und Gasexporte nach Westen. 2006 setzte<br />

<strong>de</strong>r russische Gaskonzern Gasprom einseitig neue Gaspreise für die Ukraine fest: fast eine Woche<br />

war die Gasversorgung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s unterbrochen. Auch 2009 kam es wie<strong>de</strong>r zu heftigen<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen zwischen Russland und Ukraine um die Preise für Gaslieferungen und<br />

-transit.<br />

• Ein weiteres strittiges Thema ist die Stationierung <strong>de</strong>r russischen Schwarzmeerflotte auf <strong>de</strong>r<br />

Halbinsel Krim.<br />

Viele Ukrainer beobachten mit Sorge das misstrauische und for<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Verhalten Russlands gegenüber<br />

ihrem Land. Auch aus diesem Grund sucht die Regierung die größtmögliche Annäherung an <strong>de</strong>n Westen<br />

und strebt die Mitgliedschaft in <strong>de</strong>r NATO (Nordatlantisches Verteidigungsbündnis) und <strong>EU</strong> an. Die Ukraine<br />

hat folgerichtig das NATO-Programm "Partnerschaft für <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n" unterzeichnet. Die Kooperation mit <strong>de</strong>r<br />

NATO fin<strong>de</strong>t ihren praktischen Nie<strong>de</strong>rschlag z.B. in gemeinsamen Flottenmanövern im Schwarzen Meer. Die<br />

ukrainische Regierung will <strong>de</strong>r NATO beitreten, wird in diesem Ziel aber nach Umfragen von <strong>de</strong>r großen<br />

Mehrheit <strong>de</strong>r Bevölkerung nicht unterstützt. Als wichtigstes außenpolitisches Ziel jedoch verfolgt die Ukraine<br />

mittelfristig die Aufnahme in die <strong>EU</strong> (laut einer Umfrage von Mai 2006 sprechen sich knapp zwei Drittel <strong>de</strong>r<br />

Bevölkerung für einen Beitritt zur <strong>EU</strong> aus). Schon heute ist die <strong>EU</strong> <strong>de</strong>r wichtigste Han<strong>de</strong>lspartner <strong>de</strong>s<br />

Lan<strong>de</strong>s: Auf sie entfallen 32 % <strong>de</strong>r Exporte.<br />

Ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> gibt es bereits, über ein<br />

Assoziierungsabkommen (Vertrag über enge Zusammenarbeit) wird schon verhan<strong>de</strong>lt.<br />

Die Min<strong>de</strong>rheiten in <strong>de</strong>r Ukraine<br />

• Die Rechte <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rheiten sind durch die Verfassung ausdrücklich geschützt. So ist zwar Ukrainisch<br />

offizielle Amtssprache seit 1990, doch haben z.B. die Russen in <strong>de</strong>n Gebieten, wo sie eine kompakte<br />

Min<strong>de</strong>rheitengruppe bil<strong>de</strong>n, Anspruch auf amtlichen Gebrauch <strong>de</strong>s Russischen sowie auf eigene Schulen<br />

(auch die Abschlussprüfung an solchen Schulen kann in <strong>de</strong>r jeweiligen Min<strong>de</strong>rheitssprache abgelegt<br />

wer<strong>de</strong>n, für Ukrainisch gibt es eine geson<strong>de</strong>rte Prüfung). Nicht zuletzt diesem fortschrittlichen<br />

Verfassungsrecht ist es zu verdanken, dass das gesellschaftliche Klima gegenüber <strong>de</strong>n Min<strong>de</strong>rheiten in<br />

<strong>de</strong>r Ukraine als tolerant und liberal eingeschätzt wer<strong>de</strong>n kann. Im Verhältnis zu <strong>de</strong>n nichtrussischen<br />

Min<strong>de</strong>rheiten gibt es kaum Probleme; die ca. 475.000 Ju<strong>de</strong>n im Land sind zwar mit sporadischem,<br />

individuellem Antisemitismus konfrontiert, sehen sich aber keinen staatlichen Repressalien o<strong>de</strong>r<br />

Ausgrenzungsversuchen ausgesetzt, wie auch die amerikanische Menschenrechtsorganisation "Human<br />

Rights Watch" in ihrem Bericht von 2000 hervorhebt.<br />

• Die meisten <strong>de</strong>r über 11 Millionen Russen sind mit <strong>de</strong>m Status ihrer kulturellen Eigenständigkeit<br />

zufrie<strong>de</strong>n und streben keineswegs einen Wie<strong>de</strong>ranschluss <strong>de</strong>r Ukraine an Russland an. Viele Russen, die<br />

z.B. als Industriearbeiter o<strong>de</strong>r Offiziere zu Sowjetzeiten in die Ukraine kamen und ukrainische Frauen<br />

heirateten, <strong>de</strong>finieren sich selbst als - russischsprachige - Ukrainer. Weil auch rund die Hälfte <strong>de</strong>r<br />

Ukrainer russischsprachig ist, hat Russisch und die russische Kultur insgesamt eine starke Stellung.<br />

• Die Halbinsel Krim hat von allen Regionen mit 68 % <strong>de</strong>n höchsten russischen Bevölkerungsanteil. Mit<br />

einer nahezu selbständigen Wirtschafts- und Kulturpolitik, die <strong>de</strong>r Regionalregierung <strong>de</strong>r Krim in <strong>de</strong>r<br />

ukrainischen Verfassung von 1996 zugestan<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>, ist die Autonomie für die Krim gera<strong>de</strong>zu<br />

mo<strong>de</strong>llhaft verwirklicht wor<strong>de</strong>n und wird auch von <strong>de</strong>n Russen angenommen.<br />

*) Ca. 80 % <strong>de</strong>s russischen Gasexports in die <strong>EU</strong>-Staaten laufen über die Ukraine, die somit auch in Zukunft und trotz<br />

<strong>de</strong>s Baus <strong>de</strong>r Ostseepipeline Monopolist beim Gastransport bleiben wird.<br />

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