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Planspiel EU-27.pdf - studienstaette-muenchen.de

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Belgien, seit 1830 ein unabhängiger Staat, hat eine jahrhun<strong>de</strong>rtealte Han<strong>de</strong>lstradition. Brügge<br />

beispielsweise ist bereits im 13. Jahrhun<strong>de</strong>rt ein wichtiger Ausgangspunkt für <strong>de</strong>n internationalen Han<strong>de</strong>l. Ab<br />

<strong>de</strong>m 15. Jahrhun<strong>de</strong>rt ist Antwerpen dann be<strong>de</strong>utendste Han<strong>de</strong>lsstadt und wird im 16. Jahrhun<strong>de</strong>rt zur<br />

Drehscheibe für <strong>de</strong>n europäischen und asiatischen Han<strong>de</strong>l. Die geografische Lage und seine 'kleine Größe'<br />

sind die Grün<strong>de</strong> dafür, dass sich das Land <strong>de</strong>r Welt frühzeitig öffnete und heute steht Belgien weltweit mit an<br />

<strong>de</strong>r Spitze, wenn man die Ex- und Importe pro Einwohner betrachtet.<br />

Obwohl Belgien seit <strong>de</strong>r Unabhängigkeit einer Neutralitätspolitik verpflichtet gewesen war, blieb das Land<br />

we<strong>de</strong>r im ersten noch im Zweiten Weltkrieg verschont. Bei<strong>de</strong> Male wur<strong>de</strong> es von <strong>de</strong>utschen Truppen besetzt.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r Missachtung seiner Neutralität und <strong>de</strong>r leidvollen Erfahrungen in diesen Kriegen setzte das<br />

Land nach 1945 auf kollektive Verteidigung und zählte zu <strong>de</strong>n Gründungsmitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r NATO. Gleichzeitig<br />

stand Belgien mit an <strong>de</strong>r Wiege <strong>de</strong>r Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), <strong>de</strong>m direkten Vorläufer<br />

<strong>de</strong>r heutigen <strong>EU</strong>. Wie bei <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren fünf Grün<strong>de</strong>rstaaten <strong>de</strong>s europäischen Projektes war auch im Falle<br />

Belgiens das Hauptmotiv dabei <strong>de</strong>r Wunsch, in Regionen, die innerhalb von zwei Generationen<br />

verheeren<strong>de</strong>n Kriegen ausgesetzt waren, <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>rherzustellen und zu garantieren. Neben<br />

Deutschland dürfte Belgien am meisten von <strong>de</strong>r europäischen Integration profitiert haben, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Wegfall<br />

<strong>de</strong>r Zölle bescherte <strong>de</strong>m Land in <strong>de</strong>n 60er Jahren, <strong>de</strong>n 'Gol<strong>de</strong>n Sixties', einen gewaltigen Exportboom.<br />

In Brüssel, <strong>de</strong>r Hauptstadt Belgiens, haben das NATO-Hauptquartier sowie die <strong>EU</strong>-Kommission ihren Sitz.<br />

Damit ist Brüssel so etwas wie die heimliche Hauptstadt Europas. Darüber hinaus sind in Brüssel mehr als<br />

1.100 weitere internationale Organisationen nie<strong>de</strong>rgelassen o<strong>de</strong>r vertreten. Hier tummelt sich das nach<br />

Washington größte Pressecorps, die Zahl <strong>de</strong>r Lobbyisten aus aller Welt geht in die Tausen<strong>de</strong>.<br />

Die Europapolitik hat für Belgien nach wie vor höchsten Stellenwert. In <strong>de</strong>n vielen Verhandlungen <strong>de</strong>r<br />

letzten Jahre hat Belgien mit oft großem Erfolg versucht, Brücken über entgegengesetzte Positionen hinweg<br />

zu schlagen. Das europäische Projekt hat sich allmählich zu einem viel ehrgeizigeren Integrationsprozess<br />

entwickelt, <strong>de</strong>r es <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> ermöglichen soll, ihre Stimme im Chor <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Großen dieser Welt geltend zu<br />

machen und ihre Wettbewerbsfähigkeit und soziale Verfasstheit zu erhalten. Belgien hat dabei stets eine<br />

Vorreiterrolle gespielt. Der Verfassungskonvent zur Reform <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> z.B. kam nicht zuletzt durch Initiative<br />

Belgiens zustan<strong>de</strong> (Ratsgipfel in Laeken im Dezember 2001). Im Zentrum <strong>de</strong>r Verfassung, die zur Zeit<br />

wegen <strong>de</strong>s Neins von Frankreich und <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong> auf Eis liegt, steht dabei die Verbesserung <strong>de</strong>r<br />

Handlungsfähigkeit <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> nach ihrer Erweiterung auf nunmehr 27 Län<strong>de</strong>r. Für die Zukunft <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> wird es<br />

von großer Be<strong>de</strong>utung sein, auf welchen politischen Fel<strong>de</strong>rn die Union ihre Zusammenarbeit verstärken<br />

kann und wie Entscheidungen über strittige Fragen getroffen wer<strong>de</strong>n. Der frühere Ministerpräsi<strong>de</strong>nt Guy<br />

Verhofstadt (bis Juni 2007), gilt neben <strong>de</strong>m luxemburgischen Premier Jean-Clau<strong>de</strong> Juncker als <strong>de</strong>r<br />

profilierteste Verfechter <strong>de</strong>r 'Vereinigten Staaten von Europa'. In seinem gleichnamigen Buch stellte er die<br />

Frage, ob "wir es zulassen sollen, dass Europa zu einer freien Han<strong>de</strong>lszone wird und nichts an<strong>de</strong>res, o<strong>de</strong>r<br />

ob wir <strong>de</strong>n europäischen Fa<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r aufnehmen und ein soli<strong>de</strong>s politisches Europa schaffen, das in <strong>de</strong>r<br />

Welt eine Rolle spielen kann?" Für Verhofstadt und eine Mehrheit <strong>de</strong>r Bevölkerung ist die <strong>EU</strong> die geeignetste<br />

Antwort auf die Globalisierung und die damit verbun<strong>de</strong>nen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Folgen.<br />

Die meisten Belgier fürchten auch nicht, dass ihr Nationalstaat in <strong>de</strong>m Maße an Macht und Be<strong>de</strong>utung<br />

verlieren könnte, in <strong>de</strong>m die <strong>EU</strong> an Kompetenzen dazu gewönne; <strong>de</strong>nn als zwar selbstbewusstes aber<br />

kleines Land hat man erfahren, dass die Übertragung von Befugnissen auf die <strong>EU</strong> häufig mit einer <strong>de</strong>utlichen<br />

Zunahme von Einflussmöglichkeiten verbun<strong>de</strong>n ist. Belgien sieht vor allem eine engere Zusammenarbeit <strong>de</strong>r<br />

Europäischen Union in <strong>de</strong>r Außen- und Sicherheitspolitik als vordringlich an und wünscht die Berufung<br />

eines <strong>EU</strong>-Außenministers, <strong>de</strong>r mit weitreichen<strong>de</strong>n Kompetenzen ausgestattet ist, die <strong>EU</strong> nach außen vertritt<br />

(z.B. in <strong>de</strong>n Gremien <strong>de</strong>r Vereinten Nationen) und zu Verhandlungen mit Nationalstaaten befugt ist. Auch<br />

bisher schon gab es in <strong>de</strong>r <strong>EU</strong> Ansätze einer „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ (GASP), wo die<br />

<strong>EU</strong> aber durch <strong>de</strong>n Zwang zu einstimmigen Entscheidungen im Rat <strong>de</strong>r Außenminister <strong>de</strong>r jetzt 27 <strong>EU</strong>-<br />

Staaten häufig nur einen eingeschränkten Handlungsspielraum besitzt. 2003 z.B. machte <strong>de</strong>r Streit über <strong>de</strong>n<br />

Irak-Krieg vielen europäischen Politikern und Bürgern schmerzlich bewusst, wie ohnmächtig <strong>de</strong>r alte<br />

Kontinent auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Außenpolitik noch ist, weil einige <strong>EU</strong>-Staaten ihre nationalen Ansprüche<br />

fortwährend über <strong>de</strong>n europäischen Integrationsgedanken setzen. Deshalb setzt sich die belgische<br />

Regierung mit Nachdruck dafür ein, dass endlich auch auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r GASP bei Abstimmungen im<br />

Ministerrat das Mehrheitsprinzip statt <strong>de</strong>r bisher erfor<strong>de</strong>rlichen Einstimmigkeit gilt.<br />

In <strong>de</strong>r Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unterstützt Belgien vorbehaltlos <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>r<br />

Europäischen Schnellen Eingreiftruppe vor allem für präventive (vorbeugen<strong>de</strong>) Einsätze in Krisenher<strong>de</strong>n<br />

in Europa o<strong>de</strong>r für militärische Frie<strong>de</strong>nsmissionen im Auftrag <strong>de</strong>r UNO (Blauhelmeinsätze). Die Regierung ist<br />

dafür, dass diese Eingreiftruppe ein <strong>EU</strong>-Oberkommando erhält und damit unabhängig von <strong>de</strong>r NATO ist.<br />

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