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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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eben derselbe, nur auf eine eingeschränkte Art.“ (Versuch 40, [69]) 385 Dies kann nach Mai-<br />

mon davon überzeugen, daß es sich bei dem Begriff eines unendlichen <strong>Verstand</strong>es um keinen<br />

leeren Begriff handelt:<br />

„Es ist ein Irrtum, wenn man glaubt, daß die Dinge (reelle Objekte) ihren Verhältnissen vorausgehn<br />

müssen. Die Begriffe der Zahlen sind bloße Verhältnisse, die keine reelle Objekte<br />

voraussetzen, weil dieses Verhältnis die Objekte selbst sind. Die Zahl 2 z.B. drückt ein Verhältnis<br />

von 2:1 aus, <strong>und</strong> zugleich das Objekt dieses Verhältnisses“. (Versuch, 107 [190]) 386<br />

Der unendliche <strong>Verstand</strong> ist dadurch ausgezeichnet, die Identität von Subjekt, Objekt <strong>und</strong><br />

Denken selbst zu sein: „Wir haben hier, (wenn mir der Ausdruck erlaubt ist) eine Dreieinig-<br />

keit, Gott, die Welt <strong>und</strong> die menschliche Seele“ (Versuch, 116 [206 f.]). Diese Dreieinigkeit ist<br />

die Identität von Welt als Objekt („Inbegriff aller möglichen Objekte, die durch alle mögli-<br />

chen, von einem <strong>Verstand</strong>e gedachten Verhältnisse hervorgebracht werden können“ (Versuch,<br />

116 [207]) <strong>und</strong> Seele als Subjekt (d.h. als <strong>Verstand</strong>, von dem „alle diese Verhältnisse gedacht<br />

werden können“) (Versuch, 116 [207]) sowie Gott als ein Denken, „der alle diese Verhältnisse<br />

wirklich denkt“ (Versuch, 116 [207]). In diesem Verständnis sind, so <strong>Maimon</strong> „diese drei ein<br />

<strong>und</strong> eben dasselbe Ding“ (Versuch, 116 [207]). In diesem unendlichen <strong>Verstand</strong> ist Vorstel-<br />

lung <strong>und</strong> Gegenstand ein <strong>und</strong> dasselbe. 387 Dieser denkt sich selbst <strong>und</strong> seine Gegenstände oh-<br />

385 Vgl. Spinoza (1990), 2. Buch, Lehrsatz 11, Zusatz: „Hieraus folgt, daß der menschliche Geist ein Teil des unendlichen<br />

<strong>Verstand</strong>es Gottes ist.“ (137) Zur Frage nach der Identitä von endlichem <strong>und</strong> göttlichem Intellekt siehe<br />

Funkenstein (1986), 290-345.<br />

386 Zur Veranschaulichung von <strong>Maimon</strong>s Gedanken kann man die Position des mathematischen Strukturalismus<br />

zitieren. Siehe beispielsweise Parsons (2004): „The idea behind the structuralist view of mathematical objects is<br />

that such objects have no more of a ‘nature’ than is given by the basic relations of a structure to which they belong.“<br />

(57) In diesem Sinne auch Shapiro (1997), der den Slogan der strukturalistischen Auffassung der Mathematik<br />

wie folgt angibt: „’mathematics is the science of structure.’ The subject matter of arithmetic is the naturalnumber<br />

structure, the pattern common to any system of objects that has a distinguished initial object and a successor<br />

relation that satisfies the induction principle. Roughly speaking, the essence of a natural number is the relations<br />

it has with other natural numbers. There is no more to being the natural number 2 than being the successor<br />

of the successor of 0, the predecessor of 3, the first prime, and so on.“ (5 f.) Vgl. auch Shapiro (2000), 257-<br />

289). Eine ähnliche Sicht ist in Cassirers Substanzbegriff <strong>und</strong> Funktionsbegriff artikuliert: „Der ganze ‚Bestand’<br />

der Zahlen beruht nach dieser Ableitung auf den Verhältnissen, die sie in sich selber aufweisen, nicht auf der<br />

Beziehung zu einer äußeren gegenständlichen Wirklichkeit“ (Cassirer [2000], 38 f.) Siehe weiterhin: „Die ‚Essenz’<br />

der Zahlen geht in ihrem Stellenwert auf.“ (Cassirer [2000], 40) Vgl. hierzu auch Buzaglo (2002), 139-147.<br />

387 Vgl. Versuch, 198 [365]: „Bei einem unendlichen <strong>Verstand</strong> ist also das Ding <strong>und</strong> seine Vorstellung Eins <strong>und</strong><br />

Ebendasselbe.“<br />

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