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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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sondern muß vielmehr als problemorientierte Analyse interpretiert werden, welche durch Des-<br />

interesse am Zusammenhang der einzelnen Lehrstücke ausgezeichnet sei. Diese Interpretati-<br />

onsrichtung reicht von der Behauptung Atlas’, <strong>Maimon</strong>s Genie „rests in analysis rather than<br />

in synthesis“ 19 über Engstlers Charakterisierung <strong>Maimon</strong>s als „Problemdenker“ 20 bis hin zu<br />

Coves’ Urteil, „daß <strong>Maimon</strong> eher als aporetischer <strong>und</strong> nicht als systematischer Denker anzu-<br />

sehen“ 21 sei. Diese an sich wertfreien Behauptungen führen häufig in Verbindung mit Blick<br />

auf <strong>Maimon</strong>s rabbinische <strong>und</strong> talmudische Ausbildung zu abschätzigen <strong>und</strong> diskriminierenden<br />

Wertungen. 22 So schreibt beispielsweise Glockner, <strong>Maimon</strong> „zerarbeitete sich in scharfsinni-<br />

ger, doch unfruchtbarer Weise“ 23 an diesem oder jenem philosophischen Problem, oder wie<br />

Adickes dies exemplarisch formuliert: „Neither by nature nor by his talmudistic education<br />

was <strong>Maimon</strong> endowed with any great gift of productive and systematic thought, though both<br />

went towards fitting him for polemic and criticism“ 24 . Prantl will ebenfalls wissen, daß Mai-<br />

19<br />

Atlas (1964), 13. Vgl. auch Klapp (1968), 2: „<strong>Maimon</strong> war kein Systematiker. Ihm liegt die Analyse mehr als<br />

die Synthese, die Frage mehr als die Antwort.“<br />

20<br />

Vgl. Engstler (1994), 163: „<strong>Maimon</strong> ist […] ein ausgeprägter Problemdenker, sein Interesse <strong>und</strong> seine Konzentration<br />

gilt dem einzelnen philosophischen Gegenstand, mit dem er sich um seiner selbst willen befaßt.“ Siehe<br />

hierzu auch Engstler (1990),<br />

21<br />

Coves (1991), 548 Anm. Siehe hierzu auch Kronenberg (1912): „Denn <strong>Maimon</strong> fehlte durchaus die gewaltige<br />

synthetische Kraft des Geistes, die Fichte eigen war; um so stärker war freilich seine analytische Kraft, die schon<br />

frühzeitig am Talmudstudium geschulte dialektische Energie, womit er jenes eine Gr<strong>und</strong>prinzip von allen Seiten<br />

beleuchtete <strong>und</strong> durchleuchtete – so vor allem in seiner bedeutungsvollen <strong>und</strong> historisch wichtigen Schrift ‚Versuch<br />

über die Transzendentalphilosophie’ (1790).“ (165 f.)<br />

22<br />

Vgl. hierzu Freudenthal (2003 b), 4 f.<br />

23<br />

Glockner (1958), 728. Vgl. hierzu auch Hartmann (1960), 19: „Zu einer streng systematischen Darstellung<br />

seiner Gedanken hat es <strong>Maimon</strong> nie gebracht; etwas Planloses, Kommentierendes, streitsüchtig Zerrissenes haftet<br />

auch den reiferen Schriften an.“<br />

24<br />

Adickes (1894), 47. Vgl. Noack (1879), 573 f.: „<strong>Maimon</strong> war, wie ihn Rosenkranz (in seiner Geschichte der<br />

Kant’schen Philosophie treffend bezeichnet) ein rechter talmudischer Ideenspalter, ein Zerdenker, ein für die geschickte<br />

Verwirrung des Einzelnen fruchtbarer, aber für die Organisation des Grossen <strong>und</strong> Ganzen leerer Geist,<br />

welcher bei einiger Unbehülflichkeit <strong>und</strong> Incorrectheit in der Darstellung seiner Gedanken doch in einem leidlich<br />

guten Styl <strong>und</strong> einer zum Theil witzig seinsollenden Fortsetzung der Mendelssohn’schen <strong>Verstand</strong>eseleganz<br />

seine Gedanken vorzutragen wusste.“ Vgl. auch Fromer (1911), 39 f. <strong>und</strong> besonders 31: „Auch in seiner Denk<strong>und</strong><br />

Betrachtungsweise scheint <strong>Maimon</strong> in Deutschland nichts gelernt <strong>und</strong> nichts vergessen zu haben. So sehr<br />

man auch den ungeheuren Scharfsinn <strong>und</strong> die seltene Tiefe seiner philosophischen Schriften hochachten <strong>und</strong><br />

bew<strong>und</strong>ern muß, so ist es doch jedem, der an ein geordnetes Denken <strong>und</strong> an eine klare Distinktion gewöhnt ist,<br />

beinahe unmöglich, ihnen zu folgen. Fast alles an ihnen ist talmudisch: die Haarspalterei, die planlose Schichtung<br />

der Materie <strong>und</strong> die Unbeholfenheit des Stils.“ Zu <strong>Maimon</strong>s „Talmudismus“ vgl. auch Potok (1965), 7 f.<br />

sowie Kronenberg (1912), 165 f. Nach seinem Biographen Joseph Sabattia Wolff hat <strong>Maimon</strong> seinen „Rabbinismus“<br />

eingestanden, ohne freilich die hier vorgestellten Schlüsse als gerechtfertigt anzunehmen: „Es hatte ihm<br />

einer seiner Recensenten einst den Vorwurf gemacht, daß ihm noch in seinen Schriften der Rabbinismus sehr<br />

anhinge. ‚Dieses gestehe ich selbst,’ erwiderte er damals, ‚aber es hat gar keinen Einfluß auf mein Urtheil, höchstens<br />

nur auf die Art <strong>und</strong> Weise, wie ich etwas untersuche. Das Urtheil muß richtig seyn, die Art zu urtheilen sei<br />

immerhin auch, welche sie wolle.’“ (Wolff [2003], 57) Zu <strong>Maimon</strong>s Verhältnis zum Talmud siehe die Darstellung<br />

in Schulte (2002), 99-104.<br />

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