Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
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„Der Geist der in der luftigen Substanz des Saamens begriffen, von himmlischer Wärme aber<br />
beduftet (oder besprengt) ist, <strong>und</strong> durch die Kraft die er vom Vater empfängt, so wie auch<br />
durch die, so ihm von Himmel mitgetheilet ist, in die weibliche Gebärmutter gebracht wird,<br />
kocht die Materien die von der Mutter dahin gegossen worden, <strong>und</strong> indem er sie nach ihrer<br />
Art verschiedentlich behandelt, macht er Werkzeuge. So lange er diese verfertigt, heist [sic] er<br />
die ausbildende oder auswürkende Kraft. Aber wenn nun die Werkzeuge fertig sind, daß er<br />
sich ihrer bedienen kan [sic], so artet das was vorher bildende Kraft war, indem es sich ihrer<br />
bedient, in die Seele aus.“ 142<br />
Man kann Buonamici durchaus im Sinne einer immanenten physiologischen Theorie – im<br />
Gegensatz zur transzendenten vis-plastica-Theorie beispielsweise Cudworth’ – interpretieren,<br />
wenn man den Einfluß der ‚himmlischen Wärme’ mit Aristoteles als belebende Funktion der<br />
Sonne versteht. 143 Es liegt nahe, die Kraft des Himmels analog zur im Samen des Vaters lie-<br />
gende causa efficiens <strong>und</strong> nicht als causa formalis aufzufassen. Damit kann Buonamici in re-<br />
lative Nähe zur immanenten Zeugungstheorie Aristoteles’ („ein Mensch zeugt einen Men-<br />
schen“) gebracht werden, ohne daß dabei auf transzendente Entitäten zurückgegriffen werden<br />
müßte, was eindeutig im Sinne Blumenbachs ist. 144 Auf der anderen Seite versucht sich Blu-<br />
menbach von der wohl prominentesten Epigenesis-Theorie des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts abzugrenzen:<br />
der vis essentialis Caspar Friedrich Wolffs. 145 Was Wolff unter dieser wesentlichen Kraft ver-<br />
standen wissen wollte, ist allerdings nicht einfach zu beantworten. 146 Nach Gasking gibt es<br />
141 Vgl. Helbing (1989), 117: „In questo dibattio, che (pur essendo svolto in termini quasi esclusivamente teorici)<br />
non è certo privo di collegamenti con le successive discussioni sull’epigenesi, Buonamici prende decisamente<br />
posizione in favore di coloro i quali considerano che la generazione avvenga successivamente.“<br />
142 Blumenbach (1781), 15 f.<br />
143 Siehe hierzu Gad Freudenthal (2000), 341: „Aristotle conceded that the sun’s heating plays a pivotal role in<br />
generation and corruption, and, in agreement with the Presocratic tradition, that it is endowed with vivifying effects,<br />
which ordinary fire does not have.“ Diese kann nach Freudenthal (2002) verstanden werden als „continually<br />
mixing up the four sublunar elements“ (Gad Freudenthal [2002], 111) Vgl. Meyer (1914), 23 Anm.<br />
144 Vgl. Flashar (1983), 409: „Die Wärme des Samens ist freilich nicht Feuer oder eine ähnliche Kraft, sondern<br />
‚das im Samen <strong>und</strong> seiner schaumigen Beschaffenheit eingeschlossene Pneuma’ (De gen. anim. II 3, 736 b 36-<br />
38). Damit ist ‚innere’, ‚angeborene’ Luft gemeint, die zugleich Träger des Lebens ist.“ Siehe hierzu ferner Gad<br />
Freudenthal (1995), 25-29 sowie Aristoteles (1999), 12. Buch, 5. Kapitel, 313 [1071a].<br />
145 Blumenbach gibt die Definition der vis essentialis in seiner ersten Auflage des Bildungstriebes in der deutschen<br />
Übersetzung wieder: „Sie ist diejenige Kraft, durch welche in den vegetabilischen Körpern alles dasjenige<br />
ausgerichtet wird, weswegen wir ihnen ein Leben zuschreiben; <strong>und</strong> aus diesem Gr<strong>und</strong>e habe ich sie die wesentliche<br />
Kraft dieser Körper genannt; weil nemlich eine Pflanze aufhören würde, eine Pflanze zu seyn, wenn ihr diese<br />
Kraft genommen würde. In den Thieren findet sie eben so wohl statt wie in den Pflanzen, <strong>und</strong> alles dasjenige,<br />
was die Thiere mit den Pflanzen gemein haben, hängt lediglich von dieser Kraft ab.“ (zit. nach Blumenbach<br />
[1781], 17 f.)<br />
146 Zu Wolffs vis essentialis siehe Aulie (1961), Gasking (1967), 98-104, Jantzen (1994), 616, Mocek (1995),<br />
Roe (2002) 107-117 sowie Herrlinger (1966) <strong>und</strong> Speybroeck/Waele/Vijver (2002), 24. Den besten kritischen<br />
Überblick gibt Gasking, die drei unterschiedliche Interpretation unterscheidet, ohne sich für eine zu entscheiden:<br />
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