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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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hig wäre. Eine Einheit ist nach <strong>Maimon</strong> auf einen Schlag da. 409 Diese ursprüngliche Einheit,<br />

in der nicht mehr zwischen Vorstellung <strong>und</strong> Gegenstand, zwischen Vorstellung <strong>und</strong> Darstel-<br />

lung unterschieden werden kann, verweist auf historische Vorbilder, die im folgenden analy-<br />

siert werden sollen.<br />

4.3. Die Lehre vom unendlichen <strong>Verstand</strong> im historischen Kontext<br />

In <strong>Maimon</strong>s Gebrauch des unendlichen <strong>Verstand</strong>es läßt sich wiederum der Einfluß Aristoteli-<br />

schen Gedankenguts erkennen. Wie der Begriff der <strong>Weltseele</strong>, so kann auch der Begriff des<br />

unendlichen <strong>Verstand</strong>es (über Leibniz, Spinoza <strong>und</strong> <strong>Maimon</strong>ides) schließlich auf Aristoteles<br />

zurückgeführt werden. Zunächst weist <strong>Maimon</strong>s Charakterisierung des unendlichen Verstan-<br />

des als „Dreieinigkeit“ (Versuch, 116 [206]) auf die auf Aristoteles zurückgehende Doktrin<br />

der Identität von Denken, Denkendem <strong>und</strong> Gedachtem 410 . Diese war <strong>Maimon</strong> durch die Aus-<br />

409 Denselben Gedanken sieht Henrich der Bewußtseinstheorie Fichtes zu Gr<strong>und</strong>e liegen: „Daraus ergibt sich der<br />

Gedanke, daß kein Ich-Subjekt dem Selbstbewußtsein vorausliegt, sondern daß auch das Subjekt erst zugleich<br />

mit dem ganzen Bewußtsein Ich = Ich hervortritt. Aus dem Subjekt-Moment ließ sich das ganze Selbstbewußtsein<br />

nicht ableiten. Also wird es aus keinem seiner Momente, sondern mit allen zugleich hervortreten, gleichsam<br />

im NU, [...] wie schon Platon von der höchsten Erkenntnis gelehrt hatte.“ (Henrich [1967], 18) Freilich ist für<br />

Fichte diese Einheit anders als für <strong>Maimon</strong> zu denken, da dem Selbstbewußtsein kein anderer Inhalt als sich<br />

selbst gegeben ist. Für Fichte ist die objektive Einheit des Bewußtseins formal, während sie für <strong>Maimon</strong> real<br />

sein muß, womit der Unterschied zwischen Fichtes absolutem Ich <strong>und</strong> <strong>Maimon</strong>s unendlichem <strong>Verstand</strong> angegeben<br />

ist. Im Hinblick auf Kant bemerkt Kroner (1921), 116: „Das Problem des anschauenden <strong>Verstand</strong>es taucht<br />

daher in Wahrheit schon in der transzendentalen Deduktion auf <strong>und</strong> nicht erst beim Denken der Dinge an sich: es<br />

ist das Problem der transzendentalen Apperzeption. Wenn es nicht ein <strong>und</strong> dasselbe Ich wäre, das in Kategorien<br />

spontan denkt, Schemata produziert <strong>und</strong> empirischen Stoff rezipiert, das in einem <strong>und</strong> demselben Akt der Erfahrung<br />

produktiv <strong>und</strong> rezeptiv, intellektuell denkend <strong>und</strong> sinnlich anschauend zugleich ist, so wäre Erfahrung als<br />

‚Anwendung’ der Kategorien, so wäre der Gegenstand als kategorial bedingter unbegreiflich. Das transzendentale<br />

Ich ist zuletzt selbst nichts anderes als intuitiver <strong>Verstand</strong>.“ (116)<br />

410 Vgl. Aristoteles (1999), 12. Buch, 7. Kapitel, 319 [1072 b] sowie 12. Buch, 8. Kapitel, 325 [1074 b]. Vgl.<br />

hierzu Oehler (1984): „Der Nus wird gedacht, indem er denkt, <strong>und</strong> indem er gedacht wird, denkt er: der Gedanke<br />

<strong>und</strong> das Gedachte ist dasselbe, d.h. das Denken wird Gedachtes, wird Gegenstand. Für Aristoteles gehört der<br />

Vorrang in diesem Verhältnis nicht dem Subjekt des Denkens sondern dem Objekt. Das ist der Gr<strong>und</strong>, weshalb<br />

nach Aristoteles auch die Bestimmung des höchsten Seienden, das als ein Denken vorausgesetzt ist, vom Gedachten<br />

her erfolgen muß. Von der Anwendung dieser Methode zeigt Aristoteles in der Praxis seiner Untersuchung<br />

keine Abweichung. Im Unterschied vom neuzeitlichen Denken versteht sich das antike Denken nicht vom<br />

Sichselbstdenken, von der freien Spontaneität des Selbst <strong>und</strong> seiner autonomen, souveränen Aktivität her, sondern<br />

vom Gedachtwerden.“ (112) <strong>Maimon</strong> folgt Aristoteles darin, daß auch er vom Vorrang des Objekts ausgeht.<br />

Wenn Oehlers Interpretation richtig, daß das Denken des sich selbst denkenden Denkens bei Aristoteles bloß in<br />

der inhaltsleeren „Selbst-Reflexion“ (75) besteht („Wir müssen lernen, daß für Aristoteles die Vollkommenheit<br />

des Ersten Seienden nicht in Allwissenheit besteht, sondern in der Freiheit davon, alles wissen zu müssen.“<br />

[85]), dann kann bemerkt werden, daß sich <strong>Maimon</strong> in diesem Punkt von Aristoteles entfernt <strong>und</strong> Alexanders<br />

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