Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
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<strong>Verstand</strong> als der Spiegel des unendlichen aufzufassen sei. 488 Der endliche <strong>Verstand</strong> als Anlage<br />
ist daher nicht als Keim des unendlichen zu sehen, sondern als ‚nicht polierter’ 489 Spiegel. Die<br />
Inhalte des unendlichen oder aktiven <strong>Verstand</strong>es kommen dann zum Vorschein, wenn der<br />
endliche oder passive <strong>Verstand</strong> ‚poliert’ <strong>und</strong> entsprechend ‚ausgerichtet’ wird. 490 Daß Mai-<br />
mon an den betreffenden Stellen in der <strong>Weltseele</strong> anstatt der Differentiale von einer Ein-<br />
schränkung spricht, ist auf der einen Seite, wie dargelegt, als implizite Behauptung von Leib-<br />
niz’ eigentlichem Monopsychismus zu verstehen, auf der anderen Seite mag dies vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong> erklärt werden, <strong>Maimon</strong> wollte offensichtliche Widersprüche vermeiden. Der Sa-<br />
che nach läßt sich jedoch mit der Lehre der Differentiale bzw. der petites perceptions pro-<br />
blemlos eine Position vertreten, wie sie <strong>Maimon</strong> sowohl mit dem unendlichen <strong>Verstand</strong> als<br />
auch mit der <strong>Weltseele</strong> vertritt. 491 Diese Interpretation kann dadurch gestützt werden, indem<br />
darauf verwiesen wird, daß <strong>Maimon</strong> Leibniz im Versuch am häufigsten zitiert, um dessen<br />
Plan der ars characteristica zu diskutieren. 492 Danach wird Leibniz hauptsächlich als Ge-<br />
währsmann für <strong>Maimon</strong>s Argumente gegen Kants Dualismus von transzendentaler Ästhetik<br />
<strong>und</strong> transzendentaler Logik herangezogen. 493 So liegt der Schluß nahe, daß <strong>Maimon</strong> auch im<br />
Zusammenhang mit der Lehre vom unendlichen <strong>Verstand</strong> die Leibnizische Auffassung der<br />
individuellen Substanzen nicht geteilt hat. Er schreibt daher auch an späterer Stelle, er habe<br />
488 Siehe Kapitel 4.3.<br />
489 Vgl. Hughes (2004), 82.<br />
490 Vgl. hierzu auch Versuch, 148 Anm. [269 Anm.].<br />
491 Einen solchen Versuch unternimmt Merlan (1963), 83 f.: „It is unconscious with regard to us. We are unconscious<br />
of it. But per se this intelligence cannot be described as unconscious, because it is eminently rational.<br />
Therefore we should apply to it the term metaconsciousness rather than unconsciousness.“ Weiterhin heißt es bei<br />
Merlan (1963) hierzu: „But obviously when we become united with it a sui generis enlargement of our consciousness<br />
takes place. This enlarged consciousness we could call metaconsciousness. […] Monopsychism, mysticism,<br />
metaconsciousness – these three terms indicate why man can and should divine himself, thus reaching his<br />
full statute as man, and the road leading to the goal of becoming divine.“ (84)<br />
492 <strong>Maimon</strong> erwähnt Leibniz an insgesamt siebzehn Stellen im Versuch: 21 Anm. [28 Anm.], 40 [63 f.], 77 [133],<br />
116 [206 <strong>und</strong> 208], 138 [248], 177 [323 <strong>und</strong> 325], 178 [327], 180 [330], 196 [362] sowie 233 [437]. Sieben davon<br />
erwähnen Leibniz im Zusammenhang mit der ars characteristica. Im Zusammenhang mit der Differentialrechnung<br />
wird Leibniz einmal erwähnt: 21 Anm. [28 Anm.].<br />
493 An folgenden drei Stellen im Versuch : 40 [63 f.] sowie 77 [133].<br />
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