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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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tive Erkenntnistätigkeit ist genau dann (als wahre) ausgezeichnet, wenn sie mit der objektiven<br />

Tätigkeit (des unendlichen <strong>Verstand</strong>es) identisch – oder mit ihr ähnlich – ist. 425 Dadurch kann<br />

das Verhältnis von passivem <strong>und</strong> aktivem <strong>Verstand</strong> (Aristotelische Tradition) mit dem von<br />

unendlichem <strong>und</strong> endlichem <strong>Verstand</strong> (Spinoza, <strong>Maimon</strong>) parallelisiert werden. Der endliche<br />

<strong>Verstand</strong> tritt hier– trotz aller Unterschiede der entsprechenden Erkenntnistheorien – an die<br />

Stelle des passiven <strong>Verstand</strong>es. Daß dies für <strong>Maimon</strong> im Anschluß an Spinoza tatsächlich be-<br />

hauptet werden kann, geht aus einer anderen Perspektive ebenfalls hervor <strong>und</strong> schließt sich an<br />

die Behauptung an, der passive <strong>Verstand</strong> könne als Einbildungskraft aufgefaßt werden. 426 Ei-<br />

ne solche Interpretation liefert <strong>Maimon</strong> an der folgenden Stelle:<br />

„Unter dem leidenden <strong>Verstand</strong>e meinte er [Aristoteles; F.E.], wie ich dafür halte, das Vermögen<br />

nach blosser Association der Ideen zu urtheilen, wie diess z.B. bei der Erwartung ähnlicher<br />

Fälle <strong>und</strong> sonst überall geschieht, wo wir, bloss durch Association der Ideen zu urtheilen,<br />

wie diess z.B. bei der Erwartung ähnlicher Fälle <strong>und</strong> sonst überall geschieht, wo wir,<br />

bloss durch Association der Ideen veranlasst, eine ursachliche Verknüpfung zwischen besondern<br />

Dingen denken. Z.B. das Feuer schmelzt das Wachs. – Der Magnet zieht das Eisen,<br />

u.d.g. welches nichts anders heisst, als: wir haben es immer so wahrgenommen, <strong>und</strong> doch stellen<br />

wir uns vor, als wäre eine nothwendige Verknüpfung zwischen diesen Dingen. In der That<br />

aber verhalten wir uns bei solchen Quasi-Urtheilen bloss leidend: die Dinge werden in uns<br />

verknüpft, nach der Art wie wir sie wahrgenommen haben.“ 427<br />

Wenngleich <strong>Maimon</strong> an dieser Stelle nur von der reproduktiven Einbildungskraft spricht, so<br />

erscheint es trotzdem naheliegend, dieses Verhältnis auch auf die produktive Einbildungskraft<br />

auszuweiten, so daß das Bewußtsein überhaupt mit dem passiven <strong>Verstand</strong> gleichgesetzt wer-<br />

den kann. Denn die Passivität der produktiven Einbildungskraft in der Genese des Bewußt-<br />

425<br />

Vgl. Spinoza (1991), 110, 117-119; Spinoza (1990), 3. Buch, 1. Lehrsatz, 257 sowie 5. Buch, 40. Lehrsatz,<br />

693.<br />

426<br />

Der passive <strong>Verstand</strong> wird in bestimmten antiken <strong>und</strong> mittelalterlichen Interpretationsrichtungen mit der<br />

phantasia, der Einbildungskraft, gleichgesetzt. Vgl. hierzu Blumenthal (1996), 159: „Of the three commentaries<br />

that we have from the last period two follow in the direction set by Proclus, identifying the passive or potential<br />

intellect of De anima 3.5 with the nous pathêtikos which had come to be seen as phantasia.” Nach Blumenthal<br />

konnten bereits Philoponus <strong>und</strong> Pseudo-Philoponus diese Gleichsetzung als allgemein bekannt <strong>und</strong> akzeptiert<br />

voraussetzen. Beide haben nach Blumenthal „not only […] no hesitation about identifying phantasia and the<br />

nous pathêtikos, but do so in a way which suggests that they could expect their identification to be accepted.”<br />

(Blumenthal [1996], 163) Siehe hierzu auch Seidl (1971), 123 f. <strong>und</strong> Horn/Rapp (2001), 758. Auch Averroes<br />

scheint Proklos hierin zu folgen, siehe Hesse (2001), 772: „Averroes nennt daher gelegentlich die Vorstellungskraft<br />

den Passiven Intellekt des Menschen.“<br />

427<br />

GW IV, 433.<br />

118

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