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Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon

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keinerlei wahre „reelle“ Erkenntnisse besitzt: Wahre (objektive <strong>und</strong> allgemeingültige) Er-<br />

kenntnis ist nicht reell (synthetisch <strong>und</strong> gegenstandsbestimmend) <strong>und</strong> reelle Erkenntnis ist<br />

nicht wahr. 450 Nach dieser Erinnerung soll <strong>Maimon</strong>s Lösungsversuch in Analogie zur prakti-<br />

schen Philosophie Kants rekonstruiert werden.<br />

(1) Kant geht in der Kritik der praktischen Vernunft davon aus, daß wir uns der „Idee der<br />

Freiheit, als eines Vermögens absoluter Spontaneität“ 451 nicht bewußt werden können, son-<br />

dern diese bloß annehmen. Wir können uns allerdings des Sittengesetzes „unmittelbar be-<br />

wußt“ 452 werden. Das Sittengesetz, welches Kant bekanntlich als Faktum annimmt, führt uns<br />

jedoch auf die Annahme der Freiheit, d.h. das uns bekannte Sittengesetz ist ratio cognoscendi<br />

der Freiheit, welche wiederum die ratio essendi des Sittengesetzes sei: „Wäre aber keine<br />

Freiheit, so würde das moralische Gesetz in uns gar nicht anzutreffen sein.“ 453 In Analogie<br />

hierzu kann man das Verhältnis von Trieb zu wahrer Erkenntnis <strong>und</strong> dem reinen Denken als<br />

absolute Spontaneität (<strong>unendlicher</strong> <strong>Verstand</strong>) sehen. Im Gegensatz zu Kant geht <strong>Maimon</strong> von<br />

einem Trieb oder einem Streben als Faktum aus, welches auf die Sphäre der absoluten Spon-<br />

taneität hinweist. 454 Anders gesprochen: der als Faktum vorausgesetzte Trieb weist auf eine<br />

absolute Tätigkeit, welche sich allererst an der Schranke oder der Grenze als solche erkennbar<br />

macht, nämlich als Trieb, diese Schranke mehr <strong>und</strong> mehr zu erweitern. Diese Einschränkung<br />

wird gefühlt, <strong>und</strong> dieses ursprüngliche Gefühl im Menschen ist das eigentliche Faktum: das<br />

450<br />

Vgl. hierzu Versuch, 195 [359 f.]: „Sagt man: dieser Erklärung zufolge, haben wir gar keine reine Erkenntnis;<br />

weil der Satz des Widerspruchs bloß ein negatives Kriterium (conditio sine qua non) der Erkenntnis ist, so antworte<br />

ich hierauf: daß wir in der Tat keine völlig reine Erkenntnis haben, aber wir haben auch diese nicht nötig.<br />

Zum Gebrauche unserer Vernunft ist die hypothetische Setzung der Gr<strong>und</strong>sätze hinreichend. Zum praktischen<br />

Gebrauche sind auch vermischte Gr<strong>und</strong>sätze hinreichend; weil dasjenige, was daraus hergeleitet <strong>und</strong> dadurch bestimmt<br />

wird, von eben derselben Art ist.“ Es scheint, daß <strong>Maimon</strong> daraus eine pragmatische Konsequenz zieht.<br />

Dies legt auch die Unterscheidung von Sätzen (Synthesen) „in reelle <strong>und</strong> nicht reelle, statt der wahren <strong>und</strong> falschen“<br />

(Versuch, 86 [149]) nahe. Das Kriterium ‚reeller’ Sätze (Synthesen) ist <strong>Maimon</strong>s Satz der Bestimmbarkeit.<br />

451<br />

Kant (1998), 81 [AA V, 49].<br />

452<br />

Kant (1998), 51 [AA V, 29].<br />

453<br />

Kant (1998), 10 Anm. [AA V, 4 Anm.].<br />

454<br />

Es ist hier nicht intendiert, <strong>Maimon</strong>s praktische Philosophie in Gr<strong>und</strong>zügen darzustellen. Zur praktischen Philosophie<br />

<strong>Maimon</strong>s (vor allem im Hinblick auf Kant) siehe Böck (1897), Baumgardt (1963), Zac 1988), 223-242,<br />

Coves (1991), Schrader (1995) <strong>und</strong> Kelley (2000).<br />

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