Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
Weltseele und unendlicher Verstand - Salomon Maimon
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erst dann als erreicht gelten, wenn dargelegt worden ist, wie eine Anwendung auf empirische<br />
Anschauung möglich ist. Eine solche Synthesis von reinen <strong>Verstand</strong>esbegriffen <strong>und</strong> empiri-<br />
scher Anschauung nennt Kant auch Erfahrung. Es geht also in der Deduktion letztlich um die<br />
Frage nach der Erfahrung als empirischer Erkenntnis, denn eine Synthesis von reinem Begriff<br />
<strong>und</strong> Anschauung a priori verschafft noch keinen Gegenstandsbezug. Dieser jedoch ist das zen-<br />
trale Beweisstück der transzendentalen Deduktion: 348<br />
„Folglich verschaffen die reinen <strong>Verstand</strong>esbegriffe, selbst wenn sie auf Anschauungen a<br />
priori (wie in der Mathematik) angewandt werden, nur so fern Erkenntnis, als diese, mithin<br />
auch die <strong>Verstand</strong>esbegriffe vermittelst ihrer, auf empirische Anschauungen angewandt werden<br />
können. Folglich liefern uns die Kategorien vermittelst der Anschauung auch keine Erkenntnis<br />
von Dingen, als nur durch ihre mögliche Anwendung auf empirische Anschauung,<br />
d.i. sie dienen nur zur Möglichkeit empirischer Erkenntnis. Diese aber heißt Erfahrung.“ (B<br />
147) 349<br />
Das Problem lautet also, wie sich empirische Anschauung <strong>und</strong> reine <strong>Verstand</strong>esbegriffe zu ei-<br />
ner Einheit synthetisieren lassen, welche unserer Erkenntnis Gegenstandsbezug <strong>und</strong> dadurch<br />
objektive Gültigkeit verschaffen. 350 Das Problem der Synthesis zweier heterogener Erkennt-<br />
niselemente stellt also die Gr<strong>und</strong>frage der transzendentalen Deduktion dar. In diesem Sinne<br />
faßt auch <strong>Maimon</strong> das Erklärungsziel der transzendentalen Deduktion. Wie dies mit seiner<br />
eingangs zitierten Behauptung, die Fragestellung der transzendentalen Deduktion sei mit der<br />
348 Zur theoretischen Gegenstandsbeziehung bei Kant siehe Zöller (1984), wo der Terminus „Gegenstandsbeziehung“<br />
folgendermaßen charakterisiert wird: „’Gegenstandsbeziehung’ meint die Einheit der Erkenntnis als Vorgang<br />
wie als Produkt <strong>und</strong> umfaßt außer der Relation selbst auch deren Relata, die immer nur in der Relation vorkommen<br />
<strong>und</strong> allenfalls methodisch-reflexiv isoliert werden können.“ (2)<br />
349 Vgl. Baum (1986), 133 f.: „Mathematische Gegenstände sind also Produkte der bildenden Synthesis der Einbildungskraft,<br />
die in der reinen Anschauung vorgestellt werden; aber nur als formale Anschauungen, d.h. unter<br />
der Voraussetzung, daß Sinnesgegenstände unter diesen Formen erscheinen, sind sie Gegenstände im vollen Sinne.<br />
Also nur weil es Gegenstände der Sinne (Erscheinungen) gibt, deren Bestimmungen a priori erkannt werden<br />
können, da sie in Sinnen erscheinen, deren reine Form auch unabhängig von aller Empfindung vorgestellt werden<br />
kann, haben mathematische Erkenntnisse objektive Realität. [...] Also ist die Mathematik auf den Bereich<br />
möglicher empirischer Anschauung (‚Erfahrung’) eingeschränkt <strong>und</strong> <strong>und</strong> mit ihr dasjenige, was die Mathematik<br />
von seiten des <strong>Verstand</strong>es erst ermöglicht: die Kategorien.“ Vgl. hierzu Friedman (1992): „The real possibility of<br />
a triangle is not shown merely by our ability to construct that concept in pure intuition, but only by Kant’s own<br />
transcendental proof that the objects of empirical intuitions are necessarily subject to the conditions of pure intuition.<br />
In other words, real possibility here depends entirely on applied mathematics.“ (102) Vgl. Zöller (1984),<br />
212. Im Hinblick auf die Metaphysik erzielt die Kritik der reinen Vernunft nach Baum (1984) damit „das paradoxe<br />
Resultat [...], daß die Metaphysik als der Inbegriff nichtempirischer synthetischer Erkenntnisse nur von<br />
Gegenständen empirischer Erkenntnis gilt.“ (175)<br />
350 Vgl. Zöller (1984): „Bedeutung <strong>und</strong> Sinn – Objektivität <strong>und</strong> Realität – kommt den Kategorien nur durch ihren<br />
a priori möglichen empirischen Gebrauch zu.“ (254)<br />
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