Kulturtipp - chasaeditura.ch
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T I P P S<br />
4 Fragen an Regisseur Volker Hesse<br />
«I<strong>ch</strong> spüre der dunklen Vergangenheit unter der S<strong>ch</strong>önheit na<strong>ch</strong>»<br />
kulturtipp: Volker Hesse, die<br />
düstere Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des Stücks<br />
kontrastiert stark mit der<br />
Idylle dieser Lands<strong>ch</strong>aft. Was<br />
ma<strong>ch</strong>t den Reiz aus, «Wetterleu<strong>ch</strong>ten»<br />
hier anzusiedeln?<br />
Volker Hesse: Diese Postkartenlands<strong>ch</strong>aft<br />
bietet si<strong>ch</strong> geradezu<br />
an, von den Gegensätzen zu<br />
erzählen, die in der S<strong>ch</strong>weizer<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te so ausgeprägt sind.<br />
Die Inners<strong>ch</strong>weiz war über Jahrhunderte<br />
von Armut geprägt. Die<br />
Söldnerges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ist ein Aspekt<br />
dieser Armut. Millionen von jungen<br />
S<strong>ch</strong>weizer Männern sind<br />
damals in den Krieg gezogen. An<br />
diesem Ort hier spüre i<strong>ch</strong> der<br />
dunklen Vergangenheit na<strong>ch</strong>, die<br />
unter der S<strong>ch</strong>önheit liegt.<br />
Was erwartet die Zus<strong>ch</strong>auer?<br />
Der Abend ist so angelegt, dass<br />
die Zus<strong>ch</strong>auer zuerst einmal von<br />
der Attraktivität des Orts verführt<br />
werden. Sie sind Teil des Dorflebens<br />
vor rund 200 Jahren. Na<strong>ch</strong><br />
und na<strong>ch</strong> tun si<strong>ch</strong> aber Risse in<br />
der Idylle auf. I<strong>ch</strong> spiele bewusst<br />
mit der Veränderung des Li<strong>ch</strong>ts:<br />
Der We<strong>ch</strong>sel von der Helligkeit in<br />
die Na<strong>ch</strong>t führt das Publikum<br />
vom Angenehmen in die Dunkelheit:<br />
Allmähli<strong>ch</strong> bri<strong>ch</strong>t das Albtraumhafte<br />
hervor.<br />
Wie äussert si<strong>ch</strong> dieser Albtraum?<br />
Die drei heimkehrenden Söldner<br />
bre<strong>ch</strong>en in die Ordnung des Dorfes<br />
ein, das von autoritären<br />
katholis<strong>ch</strong>en Mustern geprägt ist.<br />
Sie sprengen Konventionen,<br />
holen verdrängte Erfahrungen<br />
und spri<strong>ch</strong>wörtli<strong>ch</strong> die Lei<strong>ch</strong>en<br />
aus dem Keller hervor. Und sie<br />
stecken die Dorfgemeins<strong>ch</strong>aft an<br />
mit ihren Traumata, die sie aus<br />
dem Krieg mitbringen.<br />
Zur Vorbereitung haben Sie den<br />
S<strong>ch</strong>auspielern Texte gegeben<br />
über die Heimkehr von Soldaten<br />
aus Vietnam oder Afghanistan.<br />
Werden im Stück au<strong>ch</strong><br />
aktuelle Bezüge hergestellt?<br />
Die S<strong>ch</strong>auspieler haben si<strong>ch</strong> im<br />
Vorfeld in Erfahrungen von Mens<strong>ch</strong>en<br />
versetzt, die na<strong>ch</strong> einem<br />
Krieg dur<strong>ch</strong> Gewalt und Tod physis<strong>ch</strong><br />
und psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> verändert<br />
worden sind. I<strong>ch</strong> hoffe, dass über<br />
die Intensität, mit der wir unsere<br />
Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te erzählen, au<strong>ch</strong> Assoziationen<br />
zu heute hergestellt<br />
werden. «Wetterleu<strong>ch</strong>ten» ist<br />
kein «Desserttheater», die Idylle<br />
bekommt zumindest Fragezei<strong>ch</strong>en.<br />
Mi<strong>ch</strong> reizt am Stück besonders<br />
der Zusammenprall von<br />
Kriegsrealität mit der S<strong>ch</strong>weizer<br />
Ordentli<strong>ch</strong>keit. (Interview: bc)<br />
die Heirat mit dem wohlhabenden<br />
S<strong>ch</strong>iffsmeister verspre<strong>ch</strong>en<br />
sie si<strong>ch</strong> ein besseres Leben für die<br />
Jüngste. «Mit em Niklaus bis<strong>ch</strong><br />
alli Sorge los», versu<strong>ch</strong>en sie Sophia<br />
zu überzeugen. Eine Walzermelodie<br />
weht von einem fernen<br />
S<strong>ch</strong>iff herüber und treibt<br />
die S<strong>ch</strong>western zu einem wildverzweifelten<br />
Tanz an.<br />
Mit sanftem Na<strong>ch</strong>druck lässt<br />
Volker Hesse die S<strong>ch</strong>auspielerinnen<br />
die Szene wiederholen, arbeitet<br />
an Feinheiten im Ausdruck<br />
und in der Spra<strong>ch</strong>e. Und<br />
au<strong>ch</strong> als die eatercrew – fünf<br />
Profi- und rund 60 Laiens<strong>ch</strong>auspieler<br />
– plötzli<strong>ch</strong> im strömenden<br />
Regen steht, wird weitergeprobt.<br />
Von Nässe und Kälte lassen<br />
si<strong>ch</strong> die sturmerprobten<br />
eaterleute ni<strong>ch</strong>t abs<strong>ch</strong>recken.<br />
Nur in Ausnahmefällen ziehen<br />
sie si<strong>ch</strong> in den S<strong>ch</strong>afstall zurück,<br />
wie Bühnen- und Kostümbildner<br />
Stephan Mannteuffel erzählt.<br />
Au<strong>ch</strong> das Publikum wird<br />
dem Naturerlebnis auf der ungedeckten<br />
Tribüne ausgesetzt<br />
sein. «Im Sinne des grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />
Amphitheaters sollen die Mens<strong>ch</strong>en<br />
die Lands<strong>ch</strong>aft spüren<br />
und Teil der Dorfgemeins<strong>ch</strong>aft<br />
werden», sagt Mannteuffel. Das<br />
beginnt bereits auf dem Weg zur<br />
Bühne, der die Zus<strong>ch</strong>auer an einer<br />
langen Festtafel vorbei dur<strong>ch</strong><br />
ein Bootshaus führt.<br />
Inzwis<strong>ch</strong>en hat der Himmel<br />
aufgeklart. Die weissen Leintü<strong>ch</strong>er<br />
der Was<strong>ch</strong>frauen flattern<br />
im Wind und läuten die nä<strong>ch</strong>ste<br />
Szene ein. Kulisse ist die Natur<br />
selbst: Das Raus<strong>ch</strong>en von Wind<br />
und Wellen, das Blöken der<br />
S<strong>ch</strong>afe, das Tuten vorbeiziehender<br />
S<strong>ch</strong>iffe werden in der Inszenierung<br />
eins mit der Musik.<br />
Babina Cathomen<br />
Wetterleu<strong>ch</strong>ten<br />
Premiere: Di, 11.6., 21.00<br />
Tribs<strong>ch</strong>en Luzern<br />
www.freili<strong>ch</strong>tspiele-luzern.<strong>ch</strong><br />
Bühne: Fratelli<br />
Im Jugendstück «Fratelli»<br />
sind zwei Brüder auf der<br />
Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> der gemeinsamen<br />
Kommunikation: Die beiden<br />
leben zusammen in einer<br />
Wohnung und sind do<strong>ch</strong> weit<br />
voneinander entfernt. Denn<br />
der eine der Männer hat<br />
autistis<strong>ch</strong>e Züge. Dur<strong>ch</strong> Gesten,<br />
Bewegungen und Tanz<br />
finden sie eine gemeinsame<br />
Spra<strong>ch</strong>e jenseits von Worten<br />
und Logik. Ab zehn Jahren.<br />
Premiere: Sa, 1.6., 19.00<br />
S<strong>ch</strong>iffbau Mat<strong>ch</strong>box Züri<strong>ch</strong><br />
Bühne: Beute Mens<strong>ch</strong><br />
«Wie viel Sklave steckt in<br />
uns allen?», fragen die<br />
Regisseurin Nina Gühlstorff<br />
und die Kostümbildnerin<br />
Kathrin Fros<strong>ch</strong> in ihrem<br />
dokumentaris<strong>ch</strong>-theatralen<br />
Stadtprojekt «Beute Mens<strong>ch</strong>».<br />
Sie haben Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>en angestellt<br />
zum Thema der Ökonomisierung<br />
des mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />
Körpers – von käufli<strong>ch</strong>em Sex<br />
aus Osteuropa bis zur helfenden<br />
Hand in der privaten<br />
Pflege.<br />
Premiere: Sa, 8.6., 17.00<br />
Konzerttheater Bern<br />
Bühne: Landfall<br />
Die Musikerin Fatima Dunn<br />
und die Videokünstlerin<br />
Mirjam von Ow (Bild) entführen<br />
das Publikum auf eine<br />
Zugfahrt: In ihrer Performance<br />
«Landfall» unternehmen<br />
sie eine audiovisuelle<br />
Reise. Gesang, Violoncello,<br />
Elektronik und Loopstation<br />
ergänzen sie dur<strong>ch</strong> Bilderfolgen<br />
in grossflä<strong>ch</strong>igen Videoprojektionen.<br />
Do/Fr, 6.6/7.6., 20.15<br />
Theater Stadelhofen Züri<strong>ch</strong><br />
PD<br />
kulturtipp 12 l 13<br />
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