Kulturtipp - chasaeditura.ch
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LESEN<br />
IMAGO/PANORAMIC<br />
ROMAN<br />
Körper als Kunst<br />
Amélie Nothomb<br />
korrespondiert in ihrem<br />
neuen Roman «So<br />
etwas wie ein Leben»<br />
mit einem überge -<br />
wi<strong>ch</strong>tigen US-Soldaten.<br />
Masslos und exzentris<strong>ch</strong>: So<br />
kennt die Lesers<strong>ch</strong>aft Amélie<br />
Nothomb. Die Bestsellerautorin<br />
lässt niemanden kalt, ihre<br />
Person und ihre makabren Bü<strong>ch</strong>er<br />
polarisieren. Meist tritt die<br />
in Paris lebende Autorin ganz<br />
in S<strong>ch</strong>warz und mit ausgefallener<br />
Hutkreation auf. Zu ihren<br />
Lesern hat sie eine enge Beziehung,<br />
ihre Fanbriefe beantwortet<br />
sie alle. Genau hier setzt der<br />
Roman an. Die I<strong>ch</strong>-Erzählerin<br />
– einmal mehr Nothomb selbst<br />
– erhält Post des US-Gefreiten<br />
Melvin aus Bagdad. Die Hoffnungslosigkeit<br />
äussert si<strong>ch</strong> bei<br />
ihm und vielen seiner Kollegen<br />
dur<strong>ch</strong> Fettleibigkeit: «Man<br />
kann ni<strong>ch</strong>t sagen, dass wir gern<br />
so fressen, es ist stärker als wir,<br />
man könnte si<strong>ch</strong> totfressen,<br />
und das ist es viellei<strong>ch</strong>t, was<br />
man su<strong>ch</strong>t», s<strong>ch</strong>reibt der 180<br />
Kilo s<strong>ch</strong>were Soldat.<br />
Sein Gewi<strong>ch</strong>t ist für Melvin<br />
seine Art der Rebellion gegen<br />
die damalige Bush-Regierung<br />
und ein S<strong>ch</strong>uldzugeständnis<br />
Amélie<br />
Nothomb:<br />
Die<br />
belgis<strong>ch</strong>e<br />
Autorin mit<br />
Hang zur<br />
Exzentrik<br />
ans Töten: «Wir tragen unsere<br />
S<strong>ch</strong>uld wenigstens ostentativ<br />
vor uns her.» Seinem Fett hat er<br />
den Namen einer Frau gegeben:<br />
S<strong>ch</strong>eherazade. So weit, so<br />
s<strong>ch</strong>räg. Nothomb ist fasziniert<br />
und beginnt mit Melvin einen<br />
Briefwe<strong>ch</strong>sel. Sie s<strong>ch</strong>lägt ihm<br />
ein Body-Art-Projekt vor. «Ihr<br />
Fett ist ihr Werk. Damit können<br />
Sie auf der jüngsten Welle<br />
der modernen Kunst surfen»,<br />
s<strong>ch</strong>reibt sie ihm ni<strong>ch</strong>t ohne Ironie<br />
zurück. Do<strong>ch</strong> dann bri<strong>ch</strong>t<br />
der Kontakt ab. Nothomb stellt<br />
Na<strong>ch</strong>fors<strong>ch</strong>ungen an und fördert<br />
Erstaunli<strong>ch</strong>es zutage.<br />
Ni<strong>ch</strong>ts ist so, wie es s<strong>ch</strong>eint…<br />
Nothombs neustes Werk liest<br />
si<strong>ch</strong> süffig – trotz des sperrigen,<br />
bewusst s<strong>ch</strong>rägen Inhalts. Die<br />
Autorin ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> einmal<br />
mehr Gedanken zur Körperli<strong>ch</strong>keit,<br />
zur Selbstinszenierung<br />
und ni<strong>ch</strong>t zuletzt zum Lebenssinn.<br />
Und sie lässt tief blicken<br />
in ihr eigenes Verständnis des<br />
Künstler-Seins. Babina Cathomen<br />
Amélie Nothomb<br />
«So etwas wie ein<br />
Leben»<br />
144 Seiten<br />
Aus dem Fran -<br />
zösis<strong>ch</strong>en von<br />
Brigitte Grosse<br />
(Diogenes 2013).<br />
© FAMILIENARCHIV<br />
FAMILIENGESCHICHTE<br />
Picasso, der kühle<br />
Ges<strong>ch</strong>äftsmann<br />
Pablo Picasso war ein genialer Künstler. Das ist<br />
bekannt. In jungen Jahren war er au<strong>ch</strong> ein gewiefter<br />
Ges<strong>ch</strong>äftsmann. Das ist einem neu ers<strong>ch</strong>ienenen<br />
Bu<strong>ch</strong> der US-amerikanis<strong>ch</strong>en Publizistin Anne Sinclair<br />
zu entnehmen.<br />
Diese Worte zerfliessen wie Honig<br />
auf der Zunge. So wunderbar<br />
snobistis<strong>ch</strong> sind sie: «Mein<br />
Traum wäre rei<strong>ch</strong> zu sein, aber<br />
zu leben wie ein Armer.» Pablo<br />
Picasso (1881–1973) soll sie zu<br />
Beginn der 1920er-Jahre gesagt<br />
haben. Damals setzte er alles dar -<br />
an, um zu gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Anerkennung<br />
zu kommen. Und<br />
vor allem zu Geld.<br />
Von «Picassos bürgerli<strong>ch</strong>er<br />
Episode» s<strong>ch</strong>reibt die Publizistin<br />
Anne Sinclair in den neu ers<strong>ch</strong>ienenen<br />
Aufzei<strong>ch</strong>nungen über ihren<br />
Grossvater mütterli<strong>ch</strong>erseits,<br />
Paul Rosenberg (1881–1959), unter<br />
dem Titel «Lieber Picasso, wo<br />
bleiben meine Harlekine?». Rosenberg<br />
galt bis zur deuts<strong>ch</strong>en<br />
Besetzung von Paris als einer der<br />
führenden französis<strong>ch</strong>en Galeristen<br />
mit Werken von Künstlern<br />
wie Georges Braque, Auguste<br />
Renoir oder Henri Matisse. Und<br />
Rosenberg arbeitete während<br />
Jahren eng mit Picasso zusammen.<br />
Diese Verbindung endete<br />
Anne Sinclair<br />
Die links-liberale Juristin<br />
und Journalistin Anne<br />
Sinclair war während Jahren<br />
eine der wi<strong>ch</strong>tigsten politis<strong>ch</strong>en<br />
Stimmen Frankrei<strong>ch</strong>s.<br />
Heute leitet sie die französis<strong>ch</strong>e<br />
Ausgabe der Online-<br />
Publikation «Huffington<br />
Post». Sie lebt getrennt von<br />
ihrem Ehemann Dominique<br />
Strauss-Kahn, dem ehemaligen<br />
Chef des Internationalen<br />
Währungsfonds. Er geriet<br />
wegen Vergewaltigungsvorwürfen<br />
in die S<strong>ch</strong>lagzeilen.<br />
erst mit der Flu<strong>ch</strong>t Rosenbergs<br />
vor den Nazis na<strong>ch</strong> New York.<br />
Auf viele Pferde setzen<br />
Sinclair hat den Na<strong>ch</strong>lass von<br />
Paul Rosenberg akribis<strong>ch</strong> aufgearbeitet.<br />
Dabei ist sie auf Re<strong>ch</strong>nungen<br />
aus den Jahren 1920/21<br />
gestossen: «Sie zeigen, dass er seine<br />
Maler für die damalige Zeit<br />
komfortabel ausstattete. Für ein<br />
Paul Rosenberg:<br />
Anne Sinclairs Grossvater<br />
vor dem Ersten<br />
Weltkrieg im Cutaway<br />
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