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Kulturtipp - chasaeditura.ch

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DOKUMENTARFILM<br />

Bienen-Trost in traurigen Zeiten<br />

Der Berner Regisseur Mano Khalil erzählt in «Der<br />

Imker» die unglaubli<strong>ch</strong>e Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des kurdis<strong>ch</strong>en<br />

Flü<strong>ch</strong>tlings Ibrahim Gezer. Der Dokumentarfilm<br />

handelt vom Träumen und vom realen Leiden. Und<br />

von der Kraft der Hoffnung.<br />

Der Kurde Ibrahim Gezer hat<br />

es mit sympathis<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>litzohrigkeit<br />

ges<strong>ch</strong>afft, zu Bienen zu<br />

kommen. In der S<strong>ch</strong>weiz, wo er<br />

als Flü<strong>ch</strong>tling lebt, bekam er das<br />

Angebot, zwei Völker für 2000<br />

Franken zu erwerben. Dafür<br />

wollte ihm seine Wohngemeinde<br />

den nötigen Betrag aber<br />

ni<strong>ch</strong>t gewähren. So fragte er<br />

na<strong>ch</strong> einem Vors<strong>ch</strong>uss, um Möbel<br />

zu kaufen. «Mit diesem Geld<br />

habe i<strong>ch</strong> die Bienen gekauft», erzählt<br />

er. Vom basellands<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Laufen fährt er fortan<br />

regelmässig mit dem Zug ins<br />

Urnerland zu seinen zwei Imker-Plätzen.<br />

Do<strong>ch</strong> Ibrahim Gezer muss arbeiten.<br />

Man zwingt ihn in ein Bes<strong>ch</strong>äftigungsprogramm,<br />

das ihm<br />

die Arbeitsvermittlung mit den<br />

Worten: «Es hat ja au<strong>ch</strong> etwas<br />

mit Honig zu tun», s<strong>ch</strong>mackhaft<br />

ma<strong>ch</strong>t. In einem Integrations-<br />

Betrieb packt Ibrahim nun<br />

Ricola-Bonbons ab.<br />

Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> Harmonie<br />

In dieser für ihn deprimierenden<br />

Lage tau<strong>ch</strong>t ein unerwarteter<br />

Hoffnungss<strong>ch</strong>immer auf: In seinen<br />

Papieren kursieren zwei Geburtsdaten.<br />

Das ri<strong>ch</strong>tige kann<br />

ermittelt werden – Ibrahim ist<br />

pensioniert und keine fünf Jahre<br />

jünger wie bisher angenommen.<br />

Etwas ist Ibrahim im Leben<br />

ni<strong>ch</strong>t gelungen: «I<strong>ch</strong> wollte meine<br />

Familie immer so ordnen, wie<br />

i<strong>ch</strong> es für meine Bienen wollte:<br />

harmonis<strong>ch</strong>.» Die Bienen bieten<br />

ihm Trost in s<strong>ch</strong>weren Zeiten. In<br />

der S<strong>ch</strong>weiz, so sagt er, «fühle i<strong>ch</strong><br />

mi<strong>ch</strong> wie lebendig begraben».<br />

Na<strong>ch</strong> Hause, in die Türkei, kann<br />

er ni<strong>ch</strong>t mehr. Von da ist er geflohen.<br />

Vertrieben als uns<strong>ch</strong>uldiges<br />

Opfer von Sippenhaftung.<br />

Daheim war Ibrahim ein erfolgrei<strong>ch</strong>er<br />

Profi-Imker, der pro Jahr<br />

mit seinen gut 500 Bienenvölkern<br />

10 bis 18 Tonnen Honig<br />

produzierte. Bis die Armee alle<br />

seine Bienen verni<strong>ch</strong>tete. In das<br />

moderne Haus, das Ibrahim für<br />

seine Familie baute, konnte er<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr einziehen. Sieben<br />

Jahre versteckte er si<strong>ch</strong> in den<br />

Bergen. Denn sein Sohn Ali<br />

kämpfte bei der Untergrund -<br />

organisation PKK für die Sa<strong>ch</strong>e<br />

der Kurden. Eine von Ibrahims<br />

Tö<strong>ch</strong>tern war s<strong>ch</strong>on im Kampf<br />

umgekommen. Seine Ehefrau<br />

hatte si<strong>ch</strong> in Istanbul aus Gram<br />

aus dem Fenster gestürzt.<br />

Und während der Dreharbeiten<br />

zum Film stirbt au<strong>ch</strong> Sohn<br />

Ali. In der kurdis<strong>ch</strong>en Zeitung<br />

findet si<strong>ch</strong> unter den Bildern<br />

von Getöteten eines von ihm.<br />

Traum vom Paradies<br />

Der Berner Regisseur Mano<br />

Khalil («Unser Garten Eden»)<br />

porträtiert den kurdis<strong>ch</strong>en<br />

Flü<strong>ch</strong>tling Ibrahim und erzählt<br />

seine unglaubli<strong>ch</strong>e Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te,<br />

von Flu<strong>ch</strong>t, Vertreibung, Asyl,<br />

von einem Leben, in dem viel<br />

mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es Leid steckt. Vor der<br />

Kamera erleben wir einen zwar<br />

traurigen, aber ni<strong>ch</strong>t gebro<strong>ch</strong>enen<br />

alten Mann, der seinen<br />

Traum vom Paradies ho<strong>ch</strong>hält.<br />

Das Paradies, das ist ihm die Natur.<br />

Sie und seine Bienen helfen<br />

ihm weiterhin über so man<strong>ch</strong>es<br />

Elend, das ihn umgibt, hinweg.<br />

«Der Imker» wurde im Januar<br />

in Solothurn mit dem «Prix de<br />

Soleure» ausgezei<strong>ch</strong>net. Der Preis<br />

ging an einen Film, der laut Reglement<br />

Humanismus vermittelt,<br />

als «eine Weltans<strong>ch</strong>auung,<br />

die si<strong>ch</strong> an den Interessen, den<br />

Werten und der Würde des einzelnen,<br />

individuellen Mens<strong>ch</strong>en<br />

orientiert».<br />

Urs Hangartner<br />

FRENETIC<br />

Das Glück mit den Bienen: Ibrahim Gezer im Urnerland<br />

Der Imker.<br />

Die unglaubli<strong>ch</strong>e Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

von Ibrahim Gezer<br />

Regie: Mano Khalil<br />

Ab Do, 6.6., im Kino<br />

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