Kulturtipp - chasaeditura.ch
Kulturtipp - chasaeditura.ch
Kulturtipp - chasaeditura.ch
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
HÖREN<br />
T I P P S<br />
Steinway der Rolls-Royce sein<br />
soll – ist prä<strong>ch</strong>tig voll, der Saal<br />
nimmt jedes Detail auf, au<strong>ch</strong><br />
wenn Cavé später sagen wird:<br />
«Es war die Hölle. Ein Wunderinstrument<br />
für langsame Sätze,<br />
aber in den s<strong>ch</strong>nellen war es extrem<br />
s<strong>ch</strong>wierig, jeder Triller ein<br />
Graus.» Er übertreibt – ja er<br />
irrt als glückli<strong>ch</strong> zweifelnder<br />
Künstler.<br />
Ba<strong>ch</strong> mit etwas Süden<br />
Olivier Cavé spielte an diesem<br />
Abend die auf CD verein -<br />
ten Bearbeitungen italienis<strong>ch</strong>er<br />
Werke von J.S. Ba<strong>ch</strong> – Kon -<br />
zerte, die ursprüngli<strong>ch</strong> von<br />
Alessandro Marcello (1669–<br />
1747) und Antonio Vivaldi<br />
(1678–1741) komponiert worden<br />
waren. Petitessen waren das<br />
mal, von italienis<strong>ch</strong>en Strei<strong>ch</strong>or<strong>ch</strong>estern,<br />
im s<strong>ch</strong>limmsten<br />
Fall von «Rondo Veneziano»<br />
zur Ni<strong>ch</strong>tigkeit zerspielt. Seit<br />
aber die historis<strong>ch</strong> informierte<br />
Aufführungspraxis gezeigt hat,<br />
wie diese Musik tönen kann,<br />
wird es spannend. Das ist der<br />
Ausgangspunkt für Cavé – aber<br />
eben: Er geht einen S<strong>ch</strong>ritt weiter<br />
und übersetzt das historis<strong>ch</strong>e<br />
Klangbild in die Gegenwart.<br />
Soglei<strong>ch</strong> stellt si<strong>ch</strong> die Frage:<br />
Liegt darin nun mehr deuts<strong>ch</strong>er<br />
Ba<strong>ch</strong> oder mehr italienis<strong>ch</strong>er<br />
Vivaldi? Für den in Italien aufgewa<strong>ch</strong>senen<br />
Cavé ist es eher<br />
CDs<br />
Ba<strong>ch</strong>: Konzerte, Kaprizen & Arien<br />
(Aeon 2013).<br />
Clementi: Didone abbandonata,<br />
Scene tragi<strong>ch</strong>e<br />
(Musicora/Aeon 2010).<br />
Vivaldi. Umso reizvoller werden<br />
diese Überlegungen, wenn<br />
Cavé Ba<strong>ch</strong>s berühmtes «Italienis<strong>ch</strong>es<br />
Konzert» mit südländis<strong>ch</strong>em<br />
Flair spielt: Jenes Werk<br />
also, in dem Ba<strong>ch</strong> der Welt zeigte:<br />
«Was diese Italiener können,<br />
kann i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on lange!» Das<br />
Dur<strong>ch</strong>einander ist perfekt: Da<br />
Ba<strong>ch</strong> auf Italiener ma<strong>ch</strong>t und<br />
Cavé Ba<strong>ch</strong>s heiligen Ernst mit<br />
mediterranem Sonnens<strong>ch</strong>ein<br />
erhellt, s<strong>ch</strong>lägt dieser Interpret<br />
prä<strong>ch</strong>tige Brücken: Mal so<br />
deutli<strong>ch</strong> wie die Rialto-, mal<br />
klein und einsturzgefährdet wie<br />
die Seufzerbrücke.<br />
Keine zehn Stunden später<br />
s<strong>ch</strong>lägt Cavés Herz heftig für<br />
seine alte Liebe, für Alessandro<br />
Scarlatti – kein Wunder, wir<br />
sind ihm so nahe wie selten zuvor.<br />
In der venezianis<strong>ch</strong>en Biblioteca<br />
Nazionale Marciana<br />
fragt der Pianist na<strong>ch</strong> komplizierter<br />
Voranmeldung, ob er<br />
das Manuskript der geliebten<br />
Sonaten ans<strong>ch</strong>auen dürfe. Vier<br />
Kissen werden ausgebreitet und<br />
dann, als sei es das Evangelium,<br />
Scarlattis Original drauf gebettet:<br />
«Prego.»<br />
Wahrheit liegt im Saal<br />
Scarlatti: Naples 1685<br />
(Aeon 2008).<br />
Der Blick ins Original ist ein<br />
wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Weg, um<br />
diese Musik zu begreifen. Wer<br />
aber etwa in den kunstvoll ausgemalten<br />
Saal des Konvents<br />
«Ospedaletto», der Kir<strong>ch</strong>e Santa<br />
Maria dei Derelitti zugehörig,<br />
s<strong>ch</strong>reitet, spürt die Intimität<br />
des Raumes. Hier drin gab<br />
es keine Diskussion, ob ein<br />
Cembalo laut oder leise war.<br />
150 Gäste würden selbst beim<br />
Zupfen einer Lauten-Saite<br />
ers<strong>ch</strong>audern. Nirgends wird<br />
deutli<strong>ch</strong>er, wie fals<strong>ch</strong> ein moderner<br />
Flügel für diese Musik<br />
wäre, sein Klang würde in diesem<br />
Saal alle ers<strong>ch</strong>lagen.<br />
Neuer Traum<br />
Cavé träumt davon, si<strong>ch</strong> Scarlattis<br />
Musik auf dem Hammerflügel<br />
oder gar dem Cembalo<br />
zu nähern. Do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die<br />
Werke von Alfredo Casella<br />
(1883–1947) haben es ihm angetan,<br />
ein Komponist der vergessenen<br />
Generation, die zwis<strong>ch</strong>en<br />
den Weltkriegen neue<br />
kompositoris<strong>ch</strong>e Wege su<strong>ch</strong>te.<br />
Venedig – Stadt der Träume,<br />
der Künstler, der verrückten<br />
Ideen. S<strong>ch</strong>on die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong><br />
einem Platz in einer guten<br />
Osteria kann den Venedig-<br />
S<strong>ch</strong>wärmer auf den Boden der<br />
Realität zurückholen. Cavé sto<strong>ch</strong>ert<br />
dort abwesend in der Bigoli-Pasta<br />
herum – im Kopf<br />
spielt er wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> bereits<br />
Alfredo Casellas «Omaggio a<br />
Clementi».<br />
Christian Berzins<br />
Konzert<br />
Menuhin Festival Gstaad<br />
Musique italienne<br />
mit Olivier Cavé<br />
Mi, 21.8., 19.30<br />
Kir<strong>ch</strong>e Lauenen Gstaad BE<br />
Sounds: CocoRosie<br />
Vor zehn Jahren fing alles<br />
in Paris an. In ihrem kleinen<br />
Appartement entstand das<br />
erste Album der S<strong>ch</strong>western<br />
Bianca und Sierra Casady.<br />
Unter dem Bandnamen Coco-<br />
Rosie sollten es die beiden<br />
zu gefeierten Vertreterinnen<br />
des Neo-Folk bringen. Sie<br />
präsentieren si<strong>ch</strong> immer<br />
s<strong>ch</strong>ön s<strong>ch</strong>räg (Kostüme) bei<br />
ihren Auftritten, die zum einzigartigen<br />
Erlebnis werden.<br />
Im Gepäck haben CocoRosie<br />
pressfris<strong>ch</strong> ihr fünftes Album<br />
«Tales Of A Grass Widow».<br />
Mo, 3.6., 20.00<br />
Salzhaus Winterthur<br />
Di, 4.6., 20.30<br />
Les Docks Lausanne<br />
Mi, 5.6., 20.30 Kaserne Basel<br />
Sounds: Camper<br />
Van Beethoven<br />
Freude und kleine Sensation<br />
zuglei<strong>ch</strong>: Die kalifornis<strong>ch</strong>en<br />
Camper Van Beethoven kommen<br />
exklusiv na<strong>ch</strong> St. Gallen.<br />
Gerne nennt man die Manns<strong>ch</strong>aft<br />
um Sänger/Gitarrist<br />
David Lowery «Post-Hippies»,<br />
was ni<strong>ch</strong>ts S<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tes bedeuten<br />
muss. Die Band wirbelt die<br />
Stile gekonnt dur<strong>ch</strong>einander,<br />
angefangen bei Punk über<br />
Soul und Ska bis zu Surf-Psy<strong>ch</strong>edelic.<br />
Die Texte: Fris<strong>ch</strong> und<br />
fre<strong>ch</strong> und witzig. Im Gepäck<br />
das neue, neunte Album «La<br />
Costa Perdida».<br />
Fr, 7.6., 22.00 Palace St. Gallen<br />
World: Cristina Branco<br />
Sie führt die Tradition des<br />
Fado weiter. Do<strong>ch</strong> die Portugiesin<br />
Cristina Branco trägt<br />
au<strong>ch</strong> Vorbilder wie Ella Fitzgerald<br />
oder Billie Holiday im<br />
Herzen. Nun tourt sie mit<br />
ihrem neuen Album «Alegria»<br />
dur<strong>ch</strong> die Welt – und ma<strong>ch</strong>t<br />
au<strong>ch</strong> halt in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />
Do, 6.6., 20.30 Moods Züri<strong>ch</strong><br />
RODRIGO JARDON<br />
kulturtipp 12 l 13<br />
19