29997 Umschlag - Museen in Bayern
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MUSEUMSPORTRÄT 9<br />
HAUSINDUSTRIE IM OBERPFÄLZER WALD<br />
Das Museum Ehemalige Klöppelschule Tiefenbach<br />
In Tiefenbach, im Grenzgebiet <strong>Bayern</strong>s zu Böhmen gelegen,<br />
gründete der Bayerische Staat 1907 e<strong>in</strong>e Klöppelschule,<br />
<strong>in</strong> der die Frauen und Mädchen der Region das<br />
Spitzenklöppeln erlernen und sich so e<strong>in</strong>en Nebenerwerb<br />
verschaffen konnten. Tiefenbacher Klöppelspitzen machten<br />
sich als Produkt der Haus<strong>in</strong>dustrie des Grenzlands<br />
e<strong>in</strong>en Namen, Oberpfälzer Klöppelspitzen wurden auf<br />
Gewerbeausstellungen, ja sogar auf Weltausstellungen<br />
präsentiert.<br />
Im Saal des 1912 eigens erbauten Klöppelschulgebäudes,<br />
heute Rathaus, hat die Geme<strong>in</strong>de Tiefenbach seit<br />
März 2002 e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es, aber dicht angelegtes Museum<br />
e<strong>in</strong>gerichtet, das die Geschichte der Klöppelschule und<br />
damit e<strong>in</strong> wichtiges Stück regionaler Wirtschafts-, Kulturund<br />
Sozialgeschichte des ostbayerischen Grenzraumes<br />
aufgreift.<br />
Die Oberpfälzer Klöppelschulen<br />
Die Gründung der Klöppelschule <strong>in</strong> Tiefenbach stand <strong>in</strong><br />
engem Zusammenhang mit den Bemühungen des<br />
Bayerischen Staates um die Schaffung von Ausbildungsund<br />
Verdienstmöglichkeiten <strong>in</strong> wirtschaftlich benachteiligten<br />
Mittelgebirgsregionen. Schon 1901 waren unweit Tiefenbachs<br />
<strong>in</strong> Stadlern und 1906 <strong>in</strong> Schönsee Fachschulen<br />
für Spitzenklöppeln mit dem Ziel gegründet worden, die<br />
Haus<strong>in</strong>dustrie im Grenzgebirge zu Böhmen zu fördern. Im<br />
Lauf des 19. Jahrhunderts hatten viele ehemals bedeutende<br />
Hammerwerke und Glasschleifen im Oberpfälzer<br />
Wald schließen müssen. Heimarbeit konnte e<strong>in</strong> Ersatz für<br />
fehlende Industrie se<strong>in</strong>. Das Spitzenklöppeln sollte vor<br />
allem Frauen, aber auch K<strong>in</strong>dern und Invaliden, e<strong>in</strong>en Verdienst<br />
sichern. Vorbild war die seit 400 Jahren tätige Spitzen<strong>in</strong>dustrie<br />
im Erzgebirge.<br />
Vom Wirtshaus zum Schulhaus<br />
Die Klöppelschule Tiefenbach 1912<br />
Die Klöppelschule Tiefenbach nahm im Oktober 1907<br />
ihren Unterricht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gemieteten Saal im Obergeschoss<br />
des Gasthauses Höcherl am Hauptplatz auf. Mit<br />
80 Schüler<strong>in</strong>nen war der Wirtshaussaal bald überfüllt.1912<br />
erwarb der Staat von der Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>en 1891<br />
errichteten Volksschulsaal, um ihn zur Klöppelschule auszubauen.<br />
Das Landbauamt Amberg plante das Gebäude<br />
gemäß den Ideen des Vere<strong>in</strong>s für Volkskunst und Volkskunde,<br />
heute „Bayerischer Landesvere<strong>in</strong> für Heimatpflege“,<br />
im „heimischen Baustil”: Das Schopfwalmdach, der<br />
Schrotgang und der Bruchste<strong>in</strong>sockel waren traditionelle<br />
Bauformen der Grenzregion. Neben dem Lehrsaal, heute<br />
Museum, und Büroräumen befand sich auch die Wohnung<br />
der Klöppellehrer<strong>in</strong> im Schulgebäude.<br />
Ansprechend modern und besucherorientiert s<strong>in</strong>d Entwürfe,<br />
Musterzeichnungen, Musterbriefe und Klöppelspitzen<br />
aus Tiefenbach präsentiert. Die Konzeption für<br />
das kle<strong>in</strong>e Museum g<strong>in</strong>g aus der kollegialen Zusammenarbeit<br />
zwischen der Geme<strong>in</strong>de, dem Museumsreferat des<br />
Landkreises Cham und der Landesstelle für die nichtstaatlichen<br />
<strong>Museen</strong> hervor. Mit der Eröffnung des Museums<br />
erfüllten sich die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger Tiefenbachs,<br />
e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de mit rund 2.200 E<strong>in</strong>wohnern, den<br />
Wunsch, e<strong>in</strong>en für die lokale Identität besonders prägenden<br />
Teil der Geschichte ihres Heimatortes darzustellen.<br />
Neben Nordhalben <strong>in</strong> Oberfranken, wo e<strong>in</strong>e Internationale<br />
Spitzensammlung zu sehen ist, und dem mittelfränkischen<br />
Abenberg ist so <strong>in</strong> Tiefenbach e<strong>in</strong> drittes Spezialmuseum<br />
<strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> zum Thema Spitzenklöppeln geschaffen<br />
worden.<br />
Strenge Schulordnung<br />
Die Klöppelschule bot Mädchen im Alter von 7 bis 16<br />
Jahren e<strong>in</strong>e fundierte Ausbildung im Spitzenklöppeln und<br />
Musterzeichnen. Nachmittags besuchten die Mädchen<br />
etwa 30 Stunden <strong>in</strong> der Woche den Klöppelunterricht. Mit<br />
der allgeme<strong>in</strong>en Schulpflicht kamen sie auf bis zu 60 Wochenstunden.<br />
80 bis 120 Schüler<strong>in</strong>nen wurden im großen<br />
Lehrsaal <strong>in</strong> drei Abteilungen unterrichtet. Im Sommer, zur<br />
Zeit der Feldarbeit, sank die Schülerzahl erheblich. Die<br />
K<strong>in</strong>der erhielten von der Schule e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Entgelt, 50%<br />
des Erlöses vom Verkauf der Spitzen kamen auf e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames<br />
Sparbuch. Neben der Ausbildung <strong>in</strong> der<br />
Handfertigkeit des Spitzenklöppelns hatte die Schule<br />
auch e<strong>in</strong> sittlich-moralisches Erziehungsziel: Die Schüler<strong>in</strong>nen<br />
sollten zu Folgsamkeit, Fleiß, Pünktlichkeit und