29997 Umschlag - Museen in Bayern
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MUSEUMSPORTRÄT 15<br />
GESCHICHTE EINES SCHWÄBISCHEN MARKTORTES<br />
Zur Neukonzeption des Museums Zusmarshausen<br />
Heimat + Museum = Heimatmuseum?<br />
Was ist e<strong>in</strong> Heimatmuseum? Was e<strong>in</strong> „Museum“ ist,<br />
sche<strong>in</strong>t klar def<strong>in</strong>iert zu se<strong>in</strong>: E<strong>in</strong>e Institution dieses Namens<br />
hat die Aufgabe, „Gegenstände“ (um es so neutral<br />
wie möglich zu formulieren) möglichst gezielt zu sammeln,<br />
durch die Sammeltätigkeit vor Zerstörung oder Beschädigung<br />
zu bewahren, über die „Gegenstände“ und<br />
ihre spezifische Geschichte zu forschen, und letztlich<br />
ausgewählte „Gegenstände“ <strong>in</strong> ihrem historisch-kulturellen<br />
Kontext möglichst anschaulich auszustellen und damit<br />
e<strong>in</strong>er breiten Öffentlichkeit zu vermitteln.<br />
Wie aber steht es mit dem Begriff „Heimat“? (Die Gefahren,<br />
die die sche<strong>in</strong>bar neutrale Verwendung dieses Begriffes<br />
bergen kann, im besonderen die Gefahren e<strong>in</strong>es<br />
politisch-ideologischen Missbrauchs, sollen hier nicht diskutiert<br />
werden – außerordentlich lehrreich ist hierzu die<br />
Lektüre von Siegfried Lenz’ genialem Roman „Heimatmuseum“.)<br />
Im Bayerisch-Schwäbischen Sprachraum versteht<br />
die Mundart unter „Heimat“ zuerst das Anwesen der<br />
Familie, das Bauernhaus. Georg Mader (1874-1921),<br />
Postangestellter und Mundartdichter aus dem schwäbischen<br />
Zusamtal, hat kurz nach der Katastrophe des Ersten<br />
Weltkrieges, im Jahr 1920, e<strong>in</strong>e Hommage an „Bauernhaus<br />
und Bauernbrauch <strong>in</strong> Schwaben“ verfasst: „Ohne<br />
Das Söldhaus als „Heimat“: Drei Generationen der Familie Kle<strong>in</strong><br />
im Jahr 1909 vor ihrem Haus. Es wurde <strong>in</strong>zwischen abgebrochen<br />
und lebt nur noch <strong>in</strong> der Dokumentation des Museums weiter.<br />
Heimatsliebe ke<strong>in</strong>e Vaterlandsliebe“, so wird zu Beg<strong>in</strong>n<br />
Karl Freiherr v. Leoprecht<strong>in</strong>g zitiert: „,Heim‘, ‚Heimat’<br />
nennt der Bauer mit Stolz se<strong>in</strong> Haus.“ 1<br />
Dem architektonischen Gebilde „Haus“ als Synonym für<br />
„Heimat“ entspricht gesellschaftlich die „Familie“, die unter<br />
e<strong>in</strong>em Dach lebt. Somit verweist dieser sozusagen auf<br />
die kle<strong>in</strong>ste E<strong>in</strong>heit zurückgeführte Heimatbegriff auf den<br />
Ansatz der „Alltagsgeschichte“ mit ihren mikrohistorischen<br />
Forschungen. Wo anders als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em „Heimatmuseum“,<br />
mit anderen Worten: <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Museum auf dem<br />
Land, kann dieser methodische Ansatz anschaulicher<br />
dargestellt und vermittelt werden? Dar<strong>in</strong> liegt vielleicht<br />
e<strong>in</strong>e Chance der kle<strong>in</strong>en dörflichen <strong>Museen</strong>.<br />
Das positive Potential, das im „Heimat“-Begriff steckt, gilt<br />
es für die Museumsarbeit zu nutzen: Da ist zum Beispiel<br />
der Mitarbeiter bei archäologischen Grabungen, der sagt,<br />
ihn <strong>in</strong>teressiere dieser römische Töpferofen deswegen<br />
ganz besonders, weil er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em „Heimatort“ ausgegraben<br />
werde. Da ist der Heimatvertriebene aus Mähren,<br />
der großes Interesse an se<strong>in</strong>er neuen „Heimat“ gefunden<br />
hat und e<strong>in</strong> treuer Stammgast des Museums wurde ...<br />
Wie e<strong>in</strong> Museum entsteht und sich verändert...<br />
Jedes Museum hat se<strong>in</strong>en eigenen Stil und Charakter, der<br />
durch die Umstände se<strong>in</strong>es Entstehens, durch das Ambiente<br />
des Ortes und nicht zuletzt durch die Persönlichkeit<br />
des Museumsleiters geprägt wird. In Zusmarshausen<br />
hat die Gymnasiallehrer<strong>in</strong> und Pfarrgeme<strong>in</strong>deratsvorsitzende<br />
Gertraud Fendt zu Beg<strong>in</strong>n der 1970er Jahre im<br />
Rahmen der katholischen Jugendarbeit mehrere Jugendgruppen<br />
gegründet, die unter anderem mit der Betreuung<br />
der Geme<strong>in</strong>debücherei beschäftigt waren. Als man <strong>in</strong><br />
dem Gebäude des ehemaligen Amtsgerichts, <strong>in</strong> dem die<br />
Bücherei untergebracht war, leerstehende Räume entdeckte,<br />
war die Idee geboren, dort e<strong>in</strong> Museum „als<br />
Erweiterung und Werbeobjekt“ für die Bücherei e<strong>in</strong>zurichten.<br />
Die 1974 eröffneten Museumsräume sollten nach<br />
dem Willen der Gründer<strong>in</strong> „Anschauungsmaterial für historische<br />
und heimatkundliche Bücher aufnehmen“. 2 Nur<br />
vor dem H<strong>in</strong>tergrund dieser Gründungsmotivation wird<br />
verständlich, wie das „Heimatmuseum“ über den 1990<br />
erfolgten Umzug <strong>in</strong> das ehemalige Spitalgebäude h<strong>in</strong>aus<br />
e<strong>in</strong> wenig geordnetes und didaktisch nicht aufbereitetes<br />
Sammelsurium von zufällig im Museum gelandetem „Kulturstrandgut“<br />
se<strong>in</strong> und bleiben konnte. Nachdem sich die<br />
Notwendigkeit e<strong>in</strong>er grundlegenden Neugestaltung der<br />
Dauerausstellung immer dr<strong>in</strong>glicher <strong>in</strong> den Vordergrund<br />
aller Überlegungen zur Zukunft des Museums gedrängt<br />
hatte, konnte der Geme<strong>in</strong>derat schließlich von dem Kon-<br />
Sonderdruck aus: Museum heute 24. Herausgegeben von der Landesstelle für die nichtstaatlichen <strong>Museen</strong><br />
beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. München, im Dezember 2002