29997 Umschlag - Museen in Bayern
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BERICHTE/AKTUELLES 65<br />
E<strong>in</strong>e breiter angelegte Publikation zur didaktischen Ausstellungsgestaltung<br />
<strong>in</strong> deutscher Sprache bleibt weiterh<strong>in</strong><br />
Desiderat. Bis zu ihrem Ersche<strong>in</strong>en bietet der vorliegende<br />
Band e<strong>in</strong>en durchaus empfehlenswerten Bauste<strong>in</strong>.<br />
Georg Waldemer<br />
Evelyn Dawid/Robert Schles<strong>in</strong>ger (Hrsg.): Texte <strong>in</strong> <strong>Museen</strong><br />
und Ausstellungen. E<strong>in</strong> Praxisleitfaden, 174 S.,<br />
Bielefeld 2002, ISBN 3-89942-107-8<br />
MUSEUM UND TOURISMUS<br />
Berichtsband über e<strong>in</strong>e Tagung zum „Reiseziel Museum“<br />
Kulturtourismus ist ke<strong>in</strong> neues Phänomen: Er lässt sich<br />
bis <strong>in</strong> die Antike zurückverfolgen. Neu ist, dass sich <strong>in</strong><br />
den letzten Jahren nicht nur kommerzielle Vermittler, sondern<br />
auch die Besuchten selbst, darunter vor allem die<br />
<strong>Museen</strong>, Gedanken machen, wie dieses Potential der kulturellen<br />
Neugier <strong>in</strong> Zeiten relativ leichter, auch globaler<br />
Reisemöglichkeiten im Rahmen seriöser Kulturarbeit genutzt<br />
bzw. wie diese spezielle Freizeitbeschäftigung gefördert<br />
werden kann.<br />
Das Potential ist gewaltig: Immerh<strong>in</strong> erklärten bei e<strong>in</strong>er<br />
Umfrage im Jahr 1996 88,4% der Befragten, <strong>in</strong> ihrem letzten<br />
Urlaub sei „den Horizont erweitern, etwas für Kultur<br />
und Bildung tun“ von Bedeutung gewesen. 44,0 % der im<br />
weiteren S<strong>in</strong>n kulturell Aktiven hatten im Urlaub e<strong>in</strong> Heimatmuseum<br />
besucht, 32,8 % e<strong>in</strong> Kunst- und 17,0 % e<strong>in</strong><br />
technisches Museum (vgl. Mart<strong>in</strong> Lohmann: Kulturtouristen<br />
oder die touristische Nachfrage nach Kulturangeboten,<br />
<strong>in</strong>: Thomas He<strong>in</strong>ze (Hg.): Kulturtourismus. Grundlagen,<br />
Trends und Fallstudien, München/Wien 1999,<br />
S. 53-82). Neben das Museum als klassisches „Schlechtwetterprogramm“<br />
der Reisenden schiebt sich sehr deutlich<br />
das Museum als eigenständiges Reiseziel im Rahmen<br />
des kulturbetonten Städtetourismus. Er wird – wie Untersuchungen<br />
ergeben haben – <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie ausgeübt von<br />
e<strong>in</strong>em relativ wohlhabenden, ungebundenen Publikum<br />
mittlerer bis älterer Jahrgänge und damit von e<strong>in</strong>er für<br />
Touristiker attraktiven Zielgruppe. Das gilt natürlich <strong>in</strong> erster<br />
L<strong>in</strong>ie für große, spektakuläre Projekte, etwa Tate<br />
Modern, Guggenheim Bilbao oder neuerd<strong>in</strong>gs wohl die<br />
P<strong>in</strong>akothek der Moderne <strong>in</strong> München, oder auch vielbesprochene<br />
Sonderausstellungsprojekte, die man „gesehen<br />
haben muss“, um im kulturbeflissenen Bekanntenkreis<br />
mitreden zu können. Aber auch mittlere und kle<strong>in</strong>ere<br />
<strong>Museen</strong> können – bei entsprechenden Anstrengungen<br />
und Kooperation mit Touristikern – von diesem Markt profitieren.<br />
Diese bislang noch eher vernachlässigte Zusammenarbeit<br />
griff e<strong>in</strong>e Tagung auf, zu der sich im Oktober 1999 <strong>in</strong><br />
der „Europäischen Kulturstadt“ Weimar über 140 Museumspädagogen<br />
mit Experten aus Kulturpolitik, Tourismus<br />
und Management trafen, um über Strukturen, Anforderungen<br />
und Formen möglicher geme<strong>in</strong>samer Wege zu<br />
diskutieren. Die Ergebnisse dieser Tagung liegen nun als<br />
vielschichtiger Aufsatzband vor.<br />
Zunächst umreisst Arnold Vogt, Museologieprofessor <strong>in</strong><br />
Leipzig, die „Perspektiven e<strong>in</strong>es Dialogs“ zwischen <strong>Museen</strong><br />
und Tourismus. Dabei arbeitet er den Werte- und<br />
Strukturwandel heraus vom traditionellen Selbstverständnis<br />
des Museums mit se<strong>in</strong>en klassischen Tugenden des<br />
Sammelns, Forschens, Bewahrens und Vermittelns (Bildens)<br />
h<strong>in</strong> zu mehr kostenbewussten, unter Umständen<br />
sogar profitorientierten Anforderungen. Er sieht dabei die<br />
Museumspädagogen <strong>in</strong> die Defensive geraten – die Wahl<br />
des Tagungsthemas gerade durch diese Berufsgruppe im<br />
Museum sche<strong>in</strong>t ihm Recht zu geben. Nicht fehlen darf<br />
bei se<strong>in</strong>em Überblick die allgeme<strong>in</strong> übliche Abgrenzung<br />
zwischen den <strong>Museen</strong> mit ihren „authentischen“ Objekten<br />
und sonstigen touristischen Freizeitangeboten, deren<br />
wesentliche Richtschnur der Geschmack ihrer Besucher<br />
ist. Abschließend stellt Vogt praxisnah „sieben Bauste<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>er neuen Dialogkultur“ zwischen <strong>Museen</strong> und Touristikern<br />
auf, die <strong>in</strong> jedem Fall zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d, will<br />
man erfolgreich und zu beiderseitigem Nutzen zusammenarbeiten.<br />
Denn was hilft guter Wille, wenn etwa –<br />
ganz banal – die notwendigen Vorlauffristen für geme<strong>in</strong>same<br />
Aktionen nicht bekannt s<strong>in</strong>d und dadurch die Zusammenarbeit<br />
scheitert?<br />
Über „das Museum als Marktplatz“ berichtet Gottfried<br />
Fliedl vom Institut für <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Forschung und<br />
Fortbildung an den Universitäten Innsbruck, Klagenfurt<br />
und Wien. In Anklang an Bernard Deloche mahnt er, „das<br />
Monströse des Museums“ liege „<strong>in</strong> der Eigentümlichkeit,<br />
daß <strong>in</strong>mitten e<strong>in</strong>er von der Zirkulation von Geld und<br />
Waren bestimmten und beherrschten Welt e<strong>in</strong> Ort existiert,<br />
der davon ausgenommen ist.“ Das Museum sei e<strong>in</strong><br />
hybrider Ort, „e<strong>in</strong>erseits der Wissenschaft und des rationalen<br />
Diskurses, der kritischen Er<strong>in</strong>nerung und der<br />
sich entfaltenden Öffentlichkeit; andererseits ist es e<strong>in</strong><br />
Ort der Riten und Symptome, der Mystifizierung und des<br />
Unbewußten.“ Die Bezeichnung Marktplatz bezieht er<br />
auf den Diskurs, ob auf e<strong>in</strong>er griechischen Agora oder<br />
e<strong>in</strong>em Marktplatz e<strong>in</strong>er afrikanischen Stammessiedlung<br />
stattf<strong>in</strong>dend. Zentrale Frage sei, „<strong>in</strong>wieweit das<br />
Museum selbst die Kraft hat, se<strong>in</strong> Vergessen-Machen,<br />
se<strong>in</strong> Unbewußt-Machen zu durchbrechen, wieweit das<br />
Diskursive des Museums se<strong>in</strong> Monströses zu erhellen<br />
vermag.“