29997 Umschlag - Museen in Bayern
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BERICHTE/AKTUELLES<br />
Durch die alle<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>wendung auf die sogenannte Textoberfläche<br />
treten zwangsläufig stilistische Kriterien <strong>in</strong> den<br />
Vordergrund. In der Behandlung dieses Aspekts darf die<br />
vorliegende Publikation als gelungen gelten. Wenn allerd<strong>in</strong>gs<br />
für Lesetexte kategorisch das Passiv ausgeschlossen<br />
wird (S. 54 f.), bei Audiotexten überraschenderweise<br />
ohne Erklärung allerd<strong>in</strong>gs durchaus erlaubt (S. 95), so<br />
sche<strong>in</strong>t dies doch auf e<strong>in</strong>er Überbewertung der stilistischen<br />
E<strong>in</strong>flussgrößen zu beruhen. Zur Stilistik bleiben aus<br />
Sicht des Rezensenten ohneh<strong>in</strong> die Publikationen Wolf<br />
Schneiders, des ehemaligen Leiters der Journalistenschule<br />
<strong>in</strong> Hamburg, unübertroffen.<br />
Auch möchte man sich nicht une<strong>in</strong>geschränkt der Empfehlung<br />
anschließen, die Überschriften ganz im S<strong>in</strong>ne von<br />
Schlagzeilen abzufassen (S. 53 f.). Die Gefahren, hierbei<br />
über das Ziel h<strong>in</strong>auszuschießen und die Besucher eher zu<br />
irritieren, hat beispielsweise Serrell deutlich herausgestellt<br />
(Serrell S. 90). Dieselbe Autor<strong>in</strong> stellt sich zurecht<br />
auch sehr kritisch zu der Aufforderung, Lesetexte im Museum<br />
grundsätzlich deduktiv zu formulieren, also mit dem<br />
Allgeme<strong>in</strong>en zu beg<strong>in</strong>nen und im Textverlauf auf den spezifischen<br />
Aussagekern vorzudr<strong>in</strong>gen.<br />
Dieser seit den Publikationen aus der Praxis des Deutschen<br />
Museums vielfach wiederholten Forderung ist mit<br />
Nachdruck entgegenzutreten: Bei objektbezogenen Texten<br />
und Handlungsanleitungen zu hands-on Elementen<br />
verhält es sich nämlich gerade umgekehrt – hier hat der<br />
Texter von der spontanen Anschauung der Betrachter<br />
auszugehen und damit ihrem Vorwissen sowie den im<br />
Ausstellungszusammenhang nahegelegten Perspektiven<br />
und nicht etwa von übergeordneten Fragestellungen.<br />
Serrell gibt hierzu e<strong>in</strong>e überzeugende Argumentation<br />
(Serrell S. 84, 118 f., 148 f.).<br />
Dawid und Schles<strong>in</strong>ger, die allgeme<strong>in</strong>ere didaktische<br />
Fragen außer Betracht lassen, ist bei e<strong>in</strong>em anderen<br />
Merkmal guter Lesetexte dagegen <strong>in</strong> vollem Umfang zuzustimmen:<br />
der Formulierung und nachfolgenden graphischen<br />
Gestaltung <strong>in</strong> zeilengebundenen S<strong>in</strong>ne<strong>in</strong>heiten.<br />
Zwar lehnen manche Graphiker den daraus resultierenden<br />
Flattersatz ab, doch s<strong>in</strong>d die Befunde der Leseforschung<br />
diesbezüglich so e<strong>in</strong>deutig, dass dem „semantischen<br />
Zeilenfall“, wie es Zebhauser nannte, entschieden<br />
der Vorzug zu geben ist.<br />
Besonders gelungen ist den Autoren das Kapitel 9:<br />
„Füße weg von fremden Zehen! Die 11 Arbeitsschritte zu<br />
professionellen Texten“ als Darstellung e<strong>in</strong>es möglichst<br />
reibungsarmen Ablaufschemas für die Beteiligung externer<br />
Texter <strong>in</strong> der Ausstellungskonzeption. Dort f<strong>in</strong>det sich<br />
unter Schritt 7 der bedenkenswerte Vorschlag, sich die<br />
wesentlichen Aussagen zu e<strong>in</strong>zelnen Texte<strong>in</strong>heiten als<br />
mündliche Äußerungen auf Tonband von den Kuratoren<br />
zu holen. Diese Idee ist <strong>in</strong> erweitertem S<strong>in</strong>ne tragfähig:<br />
Es sollte <strong>in</strong>sgesamt bei der Textformulierung e<strong>in</strong>e gewisse<br />
Nähe zur gesprochenen Alltagssprache gesucht und<br />
gewissermaßen auf die Qualität der „Stimme“ des Textangebots<br />
geachtet werden. Wie sensibel man auf diese<br />
Konnotation <strong>in</strong> der amerikanischen museologischen Literatur<br />
achtet, ist beispielsweise bei Serrell vielfach nachzulesen<br />
(Serrell S. 12, 14, 83, 86, 112, 115, 203, 205).<br />
E<strong>in</strong>er der effektivsten Tests der Verständlichkeit von<br />
Lesetexten bleibt im Übrigen weiterh<strong>in</strong> das laute Vorlesen.<br />
Zu den Stärken des Bandes gehören auch die Überlegungen<br />
zu alternativen Darbietungsformen von Texten:<br />
Abgesehen von sogenannten Wandtexten bietet sich vielfach<br />
die strategische Verlagerung von Information auf<br />
Broschüren, Saaltexte, Computer, Kurzkatalog oder bewegliche<br />
Elemente, wie Schubladen oder Texte zum Aufdecken<br />
an. Erst e<strong>in</strong> Informationsangebot, das solche<br />
Alternativen e<strong>in</strong>bezieht, erlaubt <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong>e zielgruppenorientierte<br />
und ansprechende Bereitstellung<br />
komplexer und umfänglicher Inhalte.<br />
Wenig Gew<strong>in</strong>n hat die Publikation durch die Aufnahme<br />
der Kapitel 10 und 11 erfahren: Friederike Müllers Versuch,<br />
Kosten und Nutzen professioneller Texte anhand<br />
ihrer Erfahrungen am Freilichtmuseum Kiekeberg vorzuführen,<br />
kommt kaum über allgeme<strong>in</strong>e Aussagen h<strong>in</strong>aus,<br />
Walter Pfaffs hymnische Würdigung der Leistungen der<br />
„Wortstatt“ wirkt ebenfalls wenig sachdienlich.<br />
Wer sich also den vorliegenden Band zur Lektüre und<br />
praktischen Umsetzung vornehmen will, sei noch e<strong>in</strong>mal<br />
an e<strong>in</strong>ige andere Publikationen h<strong>in</strong>gewiesen, <strong>in</strong> denen<br />
Ausstellungstexte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ganzheitlichen Sicht der Präsentationswirklichkeit<br />
als <strong>in</strong>tegrales Element behandelt<br />
werden und deren Titel bei Dawid und Schles<strong>in</strong>ger nicht<br />
ersche<strong>in</strong>en: Den Rang e<strong>in</strong>es Klassikers nimmt der 1976<br />
erschienene, fast 500 Seiten umfassende Band des Royal<br />
Ontario Museums <strong>in</strong> Toronto e<strong>in</strong>: Communicat<strong>in</strong>g with the<br />
Museum Visitor – Guidel<strong>in</strong>es for Plann<strong>in</strong>g. Aus jüngerer<br />
Vergangenheit ragen heraus Roger Miles: The Design of<br />
Educational Exhibits, <strong>in</strong> zweiter, überarbeiteter Auflage<br />
von 1988 und Kathleen McLean: Plann<strong>in</strong>g for People <strong>in</strong><br />
Museum Exhibitions aus dem Jahr 1993. Das umfänglichste<br />
Werk <strong>in</strong> deutscher Sprache bleibt vorerst der Abschlußbericht<br />
zu e<strong>in</strong>er Reihe von wissenschaftlich durchgeführten<br />
Evaluationen, die auf die Verbesserung von<br />
Textangeboten <strong>in</strong> drei großen deutschen <strong>Museen</strong> abzielten:<br />
Anneliese Almasan u. a.: Neue Methoden der Ausstellungsplanung<br />
<strong>in</strong> <strong>Museen</strong>, von 1993.