HRRS Ausgabe 5/2013 - hrr-strafrecht.de
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Rechtsprechung<br />
7. Demgegenüber dürfte in Fällen mit individueller Motivation<br />
zur Leistung eines je<strong>de</strong>n Verfügen<strong>de</strong>n die „Schätzung<br />
einer Irrtumsquote“ als Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Überzeugungsbildung<br />
nach § 261 StPO ausschei<strong>de</strong>n. Hat ein<br />
Tatgericht in solchen Fällen Zweifel, dass ein Verfügen<strong>de</strong>r,<br />
ohne sich über seine Zahlungspflicht geirrt zu haben,<br />
allein <strong>de</strong>shalb geleistet hat, „um seine Ruhe zu haben“,<br />
muss es nach <strong>de</strong>m Zweifelssatz („in dubio pro reo“) zu<br />
Gunsten <strong>de</strong>s Täters entschei<strong>de</strong>n, sofern nicht aussagekräftige<br />
Indizien für das Vorliegen eines Irrtums vorliegen,<br />
die die Zweifel wie<strong>de</strong>r zerstreuen.<br />
8. Für die Strafzumessung hat die Frage, ob bei einzelnen<br />
Betrugstaten Vollendung gegeben o<strong>de</strong>r nur Versuch eingetreten<br />
ist, in <strong>de</strong>r Regel bestimmen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung.<br />
Gleichwohl sind Fälle <strong>de</strong>nkbar, in <strong>de</strong>nen es für die Strafzumessung<br />
im Ergebnis nicht bestimmend ist, ob es bei<br />
(einzelnen) Betrugstaten zur Vollendung kam o<strong>de</strong>r mangels<br />
Irrtums <strong>de</strong>s Getäuschten o<strong>de</strong>r wegen fehlen<strong>de</strong>r Kausalität<br />
zwischen Irrtum und Vermögensverfügung beim<br />
Versuch blieb. Solches kommt etwa in Betracht, wenn<br />
Taten eine <strong>de</strong>rartige Nähe zur Tatvollendung aufwiesen,<br />
dass es – insbeson<strong>de</strong>re aus Sicht <strong>de</strong>s Täters – vom bloßen<br />
Zufall abhing, ob die Tatvollendung letztlich doch noch<br />
am fehlen<strong>de</strong>n Irrtum <strong>de</strong>s Tatopfers scheitern konnte.<br />
Denn dann kann das Tatgericht unter beson<strong>de</strong>rer Berücksichtigung<br />
<strong>de</strong>r versuchsbezogenen Gesichtspunkte auf<br />
<strong>de</strong>r Grundlage einer Gesamtwürdigung <strong>de</strong>r Persönlichkeit<br />
<strong>de</strong>s Täters und <strong>de</strong>r Tatumstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s konkreten Einzelfalls<br />
zum Ergebnis gelangen, dass je<strong>de</strong>nfalls die fakultative<br />
Strafmil<strong>de</strong>rung gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1<br />
StGB zu versagen ist (vgl. BGH wistra 2011, 18 mwN).<br />
(Bearbeiter)<br />
9. Eine solche Wertung hat das Tatgericht in <strong>de</strong>n Urteilsgrün<strong>de</strong>n<br />
für das Revisionsgericht ebenso nachprüfbar<br />
darzulegen wie die Würdigung, dass und aus welchen<br />
Grün<strong>de</strong>n (etwa Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit<br />
<strong>de</strong>s Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie) <strong>de</strong>r<br />
Umstand, dass die getroffene Vermögensverfügung letztlich<br />
trotz eines entsprechen<strong>de</strong>n Vorsatzes <strong>de</strong>s Täters<br />
nicht auf einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung<br />
beruhte, auch für die konkrete Strafzumessung im Rahmen<br />
<strong>de</strong>s eröffneten Strafrahmens nicht von Be<strong>de</strong>utung<br />
war. (Bearbeiter)<br />
472. BGH 1 StR 633/12 – Beschluss vom 21.<br />
Februar <strong>2013</strong> (LG Potsdam)<br />
Verständigung (Strafrahmen; Recht auf ein faires Verfahren:<br />
Hinweispflicht <strong>de</strong>s Gerichts); Betrug (Anrechnung<br />
von Nebeneinkünften auf die Versorgungsansprüche<br />
eines Beamten: Anzeigepflicht, Scha<strong>de</strong>n); Abgabe<br />
einer falscher Versicherung an Ei<strong>de</strong>s Statt (Umfang<br />
<strong>de</strong>r Wahrheitspflicht); Angriffsrichtung <strong>de</strong>r Verfahrensrüge;<br />
Betrug durch Unterlassen (Täuschung<br />
durch ungenügen<strong>de</strong> Angaben; verspätete Anzeige <strong>de</strong>r<br />
verän<strong>de</strong>rten Einnahmen eines Beamten; Gewerbsmäßigkeit).<br />
Art. 6 Abs. 1 EMRK; § 257c StPO; § 263 Abs. 1, Abs. 3<br />
StGB; § 53 Abs. 1 BeamtVG; § 156 StGB; § 344 StPO<br />
1. Die Angabe eines Strafrahmens durch das Gericht<br />
führt nicht dazu, dass nur die Strafuntergrenze als Strafe<br />
festgesetzt wer<strong>de</strong>n darf. Der Angeklagte kann nur darauf<br />
Hervorzuheben<strong>de</strong> Entscheidungen <strong>de</strong>s BGH: IV. Strafverfahrensrecht mit GVG<br />
vertrauen, dass die Strafe innerhalb <strong>de</strong>s angegebenen<br />
Strafrahmens liegt. Er muss daher auch damit rechnen,<br />
dass die Strafe die Strafrahmenobergrenze erreicht (BGH,<br />
Beschluss vom 27. Juli 2010 – 1 StR 345/10, BGHR StPO<br />
§ 257c Abs. 3 Satz 2 Strafrahmen 1).<br />
2. Bei einer falschen ei<strong>de</strong>sstattlichen Erklärung bestimmen<br />
sich Umfang und Grenzen <strong>de</strong>r Wahrheitspflicht<br />
nach <strong>de</strong>m Verfahrensgegenstand und <strong>de</strong>n Regeln, die für<br />
das Verfahren gelten, in <strong>de</strong>m die ei<strong>de</strong>sstattliche Versicherung<br />
abgegeben wird. Bei unverlangt abgegebenen ei<strong>de</strong>sstattlichen<br />
Versicherungen kommt es darauf an, welches<br />
Beweisthema sich in dieser stellt. Allerdings be<strong>de</strong>utet<br />
dies nicht, dass alles, was <strong>de</strong>r Täter zu <strong>de</strong>m selbstgesetzten<br />
Beweisthema erklärt, auch <strong>de</strong>r Wahrheitspflicht<br />
unterliegt. Auszuschei<strong>de</strong>n sind vielmehr nach <strong>de</strong>m<br />
Schutzzweck <strong>de</strong>r Vorschrift alle Tatsachenbehauptungen,<br />
die für das konkrete Verfahren ohne je<strong>de</strong> mögliche Be<strong>de</strong>utung<br />
sind (vgl. BGH NStZ 1990, 123, 124).<br />
3. Gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG ist <strong>de</strong>r Versorgungsberechtigte<br />
verpflichtet, <strong>de</strong>r Regelungsbehör<strong>de</strong><br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r die Versorgungsbezüge zahlen<strong>de</strong>n Kasse u.a.<br />
<strong>de</strong>n Bezug und je<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung von Einkünften i.S.v. § 53<br />
BeamtVG unverzüglich anzuzeigen. Dadurch soll sichergestellt<br />
wer<strong>de</strong>n, dass die Regelungsbehör<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n<br />
maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erhält, um die einschlägigen<br />
Ruhensregelungen zur Anwendung zu bringen.<br />
Durch die unverzügliche Anzeige <strong>de</strong>s Bezugs und<br />
je<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung von Einkünften sollen Überzahlungen<br />
verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Dies kann nicht erreicht wer<strong>de</strong>n,<br />
wenn <strong>de</strong>r Einkommensteuerbescheid hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />
betroffenen Bezüge abzuwarten wäre. Bereits <strong>de</strong>r Beginn<br />
sowie je<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bezuges von Einkünften i.S.v.<br />
§§ 53 bis 56 BeamtVG unter Angabe <strong>de</strong>r voraussichtlichen<br />
Höhe <strong>de</strong>r Einkünfte sind anzuzeigen.<br />
431. BGH 3 StR 247/12 – Urteil vom 21. März<br />
<strong>2013</strong> (LG Duisburg)<br />
Beweiswürdigung (Beweiswert eines mit <strong>de</strong>r Tatspur<br />
übereinstimmen<strong>de</strong>n DNA-I<strong>de</strong>ntifizierungsmusters);<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen an die Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>s Inhalts von<br />
Sachverständigengutachten in <strong>de</strong>n Urteilsgrün<strong>de</strong>n.<br />
§ 261 StPO; § 267 StPO<br />
1. Ob sich das Tatgericht allein aufgrund einer im Rahmen<br />
einer DNA-Analyse ermittelten Merkmalübereinstimmung<br />
mit einer entsprechen<strong>de</strong>n Wahrscheinlichkeit<br />
von <strong>de</strong>r Täterschaft zu überzeugen vermag, ist vorrangig<br />
– wie die Beweiswürdigung ansonsten auch – ihm selbst<br />
überlassen. Im Einzelfall kann es revisionsrechtlich sowohl<br />
hinzunehmen sein, dass sich das Tatgericht eine<br />
entsprechen<strong>de</strong> Überzeugung bil<strong>de</strong>t, als auch, dass es sich<br />
dazu aufgrund vernünftiger Zweifel nicht in <strong>de</strong>r Lage<br />
sieht (in Abgrenzung zu BGHSt 37, 157, 159 und BGHSt<br />
38, 320, 322 ff.).<br />
2. Es reicht für das Revisionsgericht zur Überprüfung, ob<br />
das Ergebnis einer auf einer DNA-Untersuchung beruhen<strong>de</strong>n<br />
Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist, im<br />
Regelfall aus, wenn das Tatgericht mitteilt, wie viele<br />
Systeme untersucht wur<strong>de</strong>n, ob diese unabhängig voneinan<strong>de</strong>r<br />
vererbbar sind (und mithin die Produktregel<br />
anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmun-<br />
<strong>HRRS</strong> Mai <strong>2013</strong> (5/<strong>2013</strong>)<br />
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