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HRRS Ausgabe 5/2013 - hrr-strafrecht.de

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Rechtsprechung<br />

Hervorzuheben<strong>de</strong> Entscheidungen <strong>de</strong>s BGH: I. Materielles Strafrecht – Allgemeiner Teil<br />

vermeidbaren Verbotsirrtums; Verbreitung von Propagandamitteln<br />

einer verfassungswidrigen Organisation;<br />

Beweiswürdigung.<br />

§ 17 StGB; § 86 StGB; § 261 StPO<br />

1. Das Vertrauen auf eingeholten rechtsanwaltlichen Rat<br />

vermag nicht in je<strong>de</strong>m Fall einen unvermeidbaren Verbotsirrtum<br />

<strong>de</strong>s Täters zu begrün<strong>de</strong>n. Eher zur Absicherung<br />

als zur Klärung bestellte Gefälligkeitsgutachten<br />

schei<strong>de</strong>n als Grundlage unvermeidbarer Verbotsirrtümer<br />

aus. Auskünfte, die erkennbar vor<strong>de</strong>rgründig und mangelhaft<br />

sind o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>s Anfragen<strong>de</strong>n<br />

lediglich eine „Feigenblattfunktion“ erfüllen sollen, können<br />

<strong>de</strong>n Täter ebenfalls nicht entlasten. Insbeson<strong>de</strong>re bei<br />

komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen<br />

Rechtsfragen ist regelmäßig ein <strong>de</strong>tailliertes, schriftliches<br />

Gutachten erfor<strong>de</strong>rlich, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum<br />

zu begrün<strong>de</strong>n.<br />

2. Hat sich <strong>de</strong>r Angeklagte in <strong>de</strong>r Vergangenheit bereits<br />

mehrfach an eine anwaltliche Auskunftsperson gewandt,<br />

die auf <strong>de</strong>m entsprechen<strong>de</strong>n Gebiet (hier: Beurteilung<br />

<strong>de</strong>r <strong>strafrecht</strong>lichen Relevanz von rechtsextremen Liedtexten)<br />

häufig tätig ist, darf er auf einen entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Rat regelmäßig vertrauen. Das gilt vor allem dann, wenn<br />

die Auskunftsperson bereits Ansinnen <strong>de</strong>s Angeklagten<br />

abgelehnt hat, gegen die eigene Überzeugung für <strong>de</strong>n<br />

Auftraggeber günstige Rechtsmeinungen zu äußern und<br />

wenn sie häufig Än<strong>de</strong>rungen an <strong>de</strong>n ihr zur Prüfung<br />

unterbreiteten Liedtexten empfiehlt.<br />

460. BGH 5 StR 575/12 – Urteil vom 19. März<br />

<strong>2013</strong> (LG Kiel)<br />

Vorsatz bei mittäterschaftlich begangenem beson<strong>de</strong>rs<br />

schweren Raub (Exzess; Vorsatzerweiterung; Prinzip<br />

<strong>de</strong>r sukzessiven Mittäterschaft).<br />

§ 250 Abs. 2 StGB; § 25 Abs. 2 StGB; § 15 StGB<br />

1. Je<strong>de</strong>r Täter haftet für das Han<strong>de</strong>ln eines Mittäters nur<br />

im Rahmen seines eigenen Vorsatzes, ist also für <strong>de</strong>n<br />

tatbestandlichen Erfolg nur so weit verantwortlich, wie<br />

sein Wille reicht; ein Exzess <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren fällt ihm nicht<br />

zur Last. Allerdings wer<strong>de</strong>n Handlungen eines an<strong>de</strong>ren<br />

Tatbeteiligten, mit <strong>de</strong>nen nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Falles<br />

gerechnet wer<strong>de</strong>n muss, vom Willen <strong>de</strong>s Mittäters umfasst,<br />

auch wenn er sich diese nicht beson<strong>de</strong>rs vorgestellt<br />

hat; ebenso ist er für je<strong>de</strong> Ausführungsart einer von ihm<br />

gebilligten Straftat verantwortlich, wenn er mit <strong>de</strong>r<br />

Handlungsweise seines Tatgenossen einverstan<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

sie ihm zumin<strong>de</strong>st gleichgültig war.<br />

2. Zeigt sich während <strong>de</strong>r Tatausführung, dass ein ursprünglicher<br />

gemeinsamer Tatplan nicht aufgeht – hier:<br />

Raubtat mit nur geringer Gewaltanwendung –, so kommt<br />

eine Vorsatzerweiterung nach <strong>de</strong>m Prinzip <strong>de</strong>r sukzessiven<br />

Mittäterschaft in Betracht, wenn die Beteiligten die<br />

Tatausführung an die zuvor nicht vorhergesehenen Umstän<strong>de</strong><br />

anpassen.<br />

471. BGH 1 StR 613/12 – Beschluss vom 5.<br />

März <strong>2013</strong> (LG München I)<br />

Wahlfeststellung (Umfang <strong>de</strong>r angeklagten Tat; Zulässigkeit<br />

<strong>de</strong>r Wahlfeststellung zwischen Betrug und<br />

Computerbetrug).<br />

§ 1 StGB; § 155 StPO; § 264 StPO; § 263 Abs. 1 StGB;<br />

§ 263a Abs. 1 StGB<br />

1. Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofs ist<br />

eine Verurteilung auf wahl<strong>de</strong>utiger Tatsachengrundlage<br />

prozessual zulässig, wenn bei<strong>de</strong> in Frage kommen<strong>de</strong>n<br />

Tatalternativen von <strong>de</strong>m durch Anklage und Eröffnungsbeschluss<br />

umgrenzten Verfahrensgegenstand erfasst sind<br />

(vgl. BGH NStZ 1999, 363, 364). Soweit die Anklage<br />

nicht ohnehin bereits bei<strong>de</strong> Tatvarianten aufführt, ist<br />

dafür maßgeblich, ob die alternieren<strong>de</strong>n Handlungsvorgänge<br />

nach <strong>de</strong>n allgemeinen, für die Beurteilung <strong>de</strong>r<br />

prozessualen Tati<strong>de</strong>ntität maßgeblichen tatsächlichen<br />

Gegebenheiten wie insbeson<strong>de</strong>re das Tatobjekt, <strong>de</strong>n Tatort<br />

und die Tatzeit als von einem einheitlichen Lebensvorgang<br />

erfasst bewertet wer<strong>de</strong>n können.<br />

2. Eine Wahlfeststellung zwischen § 263 StGB und<br />

§ 263a StGB ist grundsätzlich zulässig (vgl. BGH NStZ<br />

2008, 281, 282 Rn. 4).<br />

428. BGH 3 StR 37/13 – Urteil vom 4. April<br />

<strong>2013</strong> (LG Ol<strong>de</strong>nburg)<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen an die Beweiswürdigung (Abgrenzung<br />

von Körperverletzungs- und Tötungseventualvorsatz;<br />

erfor<strong>de</strong>rliche Gesamtwürdigung; Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r objektiven<br />

Gefährlichkeit).<br />

§ 15 StGB; § 16 StGB; § 212 StGB; § 223 StGB; § 261<br />

StPO<br />

1. Die auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Täter bekannten Umstän<strong>de</strong><br />

zu bestimmen<strong>de</strong> objektive Gefährlichkeit <strong>de</strong>r<br />

Tathandlung ist zwar ein wesentlicher Indikator sowohl<br />

für das Wissens- als auch für das Willenselement <strong>de</strong>s<br />

bedingten Vorsatzes. Das be<strong>de</strong>utet jedoch nicht, dass <strong>de</strong>r<br />

Tatrichter <strong>de</strong>r objektiven Gefährlichkeit <strong>de</strong>r Tathandlung<br />

bei <strong>de</strong>r Prüfung <strong>de</strong>r subjektiven Tatseite von Rechts wegen<br />

immer die ausschlaggeben<strong>de</strong> indizielle Be<strong>de</strong>utung<br />

beizumessen hätte. Darin läge vielmehr eine vom Einzelfall<br />

gelöste Festlegung <strong>de</strong>s Beweiswerts und <strong>de</strong>r Beweisrichtung<br />

eines im Zusammenhang mit <strong>de</strong>rartigen Delikten<br />

immer wie<strong>de</strong>r auftreten<strong>de</strong>n Indizes, die einer unzulässigen<br />

Beweisregel nahekäme und <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>m Grundsatz<br />

<strong>de</strong>r freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261<br />

StPO) wi<strong>de</strong>rspräche.<br />

2. Bei ambivalenten Beweisanzeichen, also solchen, die<br />

<strong>de</strong>m Tatrichter, je nach<strong>de</strong>m, wie er sie im Einzelfall bewertet,<br />

rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten<br />

als auch zu Lasten <strong>de</strong>s Angeklagten ermöglichen (z. B.<br />

<strong>de</strong>r Alkoholeinfluss bei <strong>de</strong>r Tatbegehung), ist eine rechtlich<br />

vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in<br />

welchem <strong>de</strong>r möglichen, zueinan<strong>de</strong>r in einem Gegensatz<br />

stehen<strong>de</strong>n Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand<br />

im konkreten Fall indizielle Be<strong>de</strong>utung entfaltet, vom<br />

Revisionsgericht hinzunehmen. Der Tatrichter kann in<br />

einem solchen Falle nicht gehalten sein, <strong>de</strong>nselben Umstand<br />

nochmals in <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Beweiszusammenhang<br />

zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem<br />

an<strong>de</strong>rweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten o<strong>de</strong>r zu<br />

Lasten <strong>de</strong>s Angeklagten in Wi<strong>de</strong>rspruch zu setzen.<br />

489. BGH 4 StR 557/12 – Beschluss vom 13.<br />

Februar <strong>2013</strong> (LG Dessau-Roßlau)<br />

<strong>HRRS</strong> Mai <strong>2013</strong> (5/<strong>2013</strong>)<br />

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