HRRS Ausgabe 5/2013 - hrr-strafrecht.de
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Rechtsprechung<br />
mit Fragen <strong>de</strong>r Gerichtsberichterstattung und <strong>de</strong>n Verfahren<br />
zur Akkreditierung in Deutschland möglicherweise<br />
wenig vertraut sind, kann es verfassungsrechtlich geboten<br />
sein, in beson<strong>de</strong>rer Weise auf die begrenzte Zahl an<br />
Sitzplätzen und die Eilbedürftigkeit <strong>de</strong>r Anmeldung hinzuweisen,<br />
so dass sich die Vertreter ausländischer Medien<br />
besser auf das Akkreditierungsverfahren einstellen<br />
können.<br />
4. Vor diesem Hintergrund unterliegt ein Akkreditierungsverfahren<br />
verfassungsrechtlichen Be<strong>de</strong>nken insbeson<strong>de</strong>re<br />
dann, wenn das geplante Verfahren <strong>de</strong>r Sitzvergabe<br />
einzelnen Journalisten auf Anfrage bereits eine<br />
Woche vorher mitgeteilt wor<strong>de</strong>n ist, wenn die die Verfahrensmodalitäten<br />
enthalten<strong>de</strong> E-Mail aufgrund eines Fehlers<br />
bei <strong>de</strong>r Übersendung mehreren interessierten Medienvertretern<br />
erst verspätet übersandt wor<strong>de</strong>n ist und<br />
wenn die Tatsache, dass die Zahl <strong>de</strong>r Sitze für Medienvertreter<br />
begrenzt ist, erst nachträglich mit einer weiteren<br />
Sicherungsverfügung bekannt gegeben wor<strong>de</strong>n ist.<br />
5. Bei <strong>de</strong>rartigen Zweifeln an <strong>de</strong>r Verfassungsmäßigkeit<br />
<strong>de</strong>s Akkreditierungsverfahrens überwiegt das Interesse<br />
<strong>de</strong>r Vertreter ausländischer Medien aus einem Staat mit<br />
beson<strong>de</strong>rem Bezug zu <strong>de</strong>n Opfern <strong>de</strong>r verfahrensgegenständlichen<br />
Tatvorwürfe (hier: Türkei) an einer eigenständigen<br />
Berichterstattung und <strong>de</strong>r Zuteilung eines<br />
Sitzes im Wege einer einstweiligen Anordnung gegenüber<br />
<strong>de</strong>r etwaigen Ungleichbehandlung an<strong>de</strong>rer Medienvertreter<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r allgemeinen Öffentlichkeit, <strong>de</strong>ren Sitzkontingent<br />
sich dadurch verringert.<br />
382. BVerfG 2 BvR 67/11 (3. Kammer <strong>de</strong>s<br />
Zweiten Senats) – Beschluss vom 20. März<br />
<strong>2013</strong> (OLG Hamm / LG Aachen)<br />
Strafvollzug (Haftraumunterbringung; gemeinsame<br />
Unterbringung; Nichtraucher; Raucher); Rechtsschutzbedürfnis<br />
(Fortbestehen; gewichtiger Grundrechtseingriff);<br />
Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit<br />
(Eingriff; Rechtsgrundlage; Zustimmung);<br />
Substantiierung <strong>de</strong>r Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> (Vorlage<br />
von Unterlagen).<br />
Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; Art. 19 Abs. 4 GG; § 3 Abs. 5<br />
NiSchG NW; § 115 Abs. 3 StVollzG; § 23 Abs. 1 Satz 2<br />
BVerfGG; § 92 BVerfGG<br />
1. Nimmt ein mit <strong>de</strong>r Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> angegriffener<br />
Beschluss in einer Strafvollzugssache Bezug auf Stellungnahmen<br />
<strong>de</strong>r Justizvollzugsanstalt, so ist die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />
regelmäßig nur dann hinreichend substantiiert<br />
i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG, wenn<br />
die Stellungnahmen vorgelegt o<strong>de</strong>r in einer die verfassungsgerichtliche<br />
Prüfung ermöglichen<strong>de</strong>n Art und Weise<br />
wie<strong>de</strong>rgegeben wer<strong>de</strong>n.<br />
2. Mit <strong>de</strong>m Gebot effektiven Rechtsschutzes ist es grundsätzlich<br />
vereinbar, die Rechtsschutzgewährung vom Fortbestehen<br />
eines Rechtsschutzinteresses abhängig zu machen,<br />
sofern berücksichtigt wird, dass ausnahmsweise<br />
auch nach Erledigung <strong>de</strong>s Verfahrensgegenstan<strong>de</strong>s ein<br />
Interesse <strong>de</strong>s Betroffenen an <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r Rechtslage<br />
bestehen kann.<br />
Straf- und Strafverfahrensrechtliche Entscheidungen <strong>de</strong>s EGMR/BVerfG<br />
3. Ein Rechtsschutzinteresse besteht trotz Erledigung<br />
unter an<strong>de</strong>rem dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff<br />
von solcher Art geltend gemacht wird, dass<br />
gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht<br />
vor Erledigungseintritt erlangt wer<strong>de</strong>n kann. Nur so kann<br />
verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, dass (Grund-)Rechte in bestimmten<br />
Konstellationen – wie etwa im Strafvollzug – in rechtsstaatlich<br />
unerträglicher Weise systematisch ungeschützt<br />
bleiben.<br />
4. Ein Rechtsschutzinteresse darf insbeson<strong>de</strong>re dann<br />
nicht verneint wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Verdacht im Raum<br />
steht, dass die Justizvollzugsanstalt die Erledigung <strong>de</strong>s<br />
darüber geführten Rechtsstreits gezielt selbst herbeigeführt<br />
hat, ohne die Rechtswidrigkeit einer zuvor ergriffenen<br />
Maßnahme anzuerkennen, um so eine für die Anstalt<br />
ungünstige gerichtliche Entscheidung zu vermei<strong>de</strong>n.<br />
5. Angesichts <strong>de</strong>r nicht ausschließbaren gesundheitlichen<br />
Gefahren <strong>de</strong>s Passivrauchens greift die gemeinschaftliche<br />
Unterbringung eines nicht rauchen<strong>de</strong>n Gefangenen mit<br />
einem rauchen<strong>de</strong>n Gefangenen in das in Art. 2 Abs. 2<br />
Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht auf Leben und<br />
körperliche Unversehrtheit, sofern <strong>de</strong>r Betroffenen <strong>de</strong>r<br />
gemeinsamen Unterbringung nicht ausdrücklich zustimmt.<br />
6. Für <strong>de</strong>n Eingriff fehlt es – je<strong>de</strong>nfalls im Land Nordrhein-Westfalen<br />
– an einer Rechtsgrundlage, zumal § 3<br />
Abs. 5 Satz 2 NiSchG NW das Rauchen im Haftraum<br />
ausdrücklich verbietet, wenn eine <strong>de</strong>r darin untergebrachten<br />
Personen Nichtraucher ist. Dies beinhaltet das<br />
Verbot <strong>de</strong>r gemeinsamen Unterbringung eines Nichtrauchers<br />
mit einem Raucher, sofern die Anstalt das Rauchverbot<br />
nicht systematisch selbst durchsetzt.<br />
7. Von einer Zustimmung zur gemeinsamen Unterbringung<br />
mit einem Raucher darf das Gericht vor <strong>de</strong>m Hintergrund<br />
<strong>de</strong>s Art. 19 Abs. 4 GG nicht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung<br />
ausgehen, wenn die Zustimmung von<br />
<strong>de</strong>r Anstalt behauptet, von <strong>de</strong>m Gefangenen jedoch bestritten<br />
wird.<br />
383. BVerfG 2 BvR 612/12 (3. Kammer <strong>de</strong>s<br />
Zweiten Senats) – Beschluss vom 28. Februar<br />
<strong>2013</strong> (Saarländisches OLG / LG Saarbrücken)<br />
Strafvollzug (Lockerungen; Ausführung zum Sterbebett<br />
<strong>de</strong>s Vaters); effektiver Rechtsschutz (Feststellungsinteresse;<br />
Rechtsschutzinteresse); Schutz von Ehe und Familie<br />
(Eltern; erwachsene Kin<strong>de</strong>r); Rechtsbeschwer<strong>de</strong><br />
(Zulassung; Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung;<br />
Beschwer<strong>de</strong>gericht; eigene Tatsachenfeststellung).<br />
Art. 6 Abs. 1 GG; Art. 19 Abs. 4 GG; § 35 StVollzG;<br />
§ 109 StVollzG; § 114 StVollzG; § 115 Abs. 3 StVollzG<br />
1. Verstirbt <strong>de</strong>r Familienangehörige tatsächlich, bevor<br />
über <strong>de</strong>n Antrag <strong>de</strong>s Strafgefangenen gerichtlich entschie<strong>de</strong>n<br />
ist, so verkennt das Gericht die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r<br />
Gewährleistung <strong>de</strong>s Art. 19 Abs. 4 GG, wenn es ein Feststellungsinteresse<br />
verneint. Abweichen<strong>de</strong>s gilt nicht<br />
<strong>de</strong>shalb, weil zwischen <strong>de</strong>n Beteiligten streitig ist, ob die<br />
<strong>HRRS</strong> Mai <strong>2013</strong> (5/<strong>2013</strong>)<br />
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