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HRRS Ausgabe 5/2013 - hrr-strafrecht.de

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Aufsätze und Anmerkungen<br />

Zimmermann – Das neue Recht <strong>de</strong>r Sicherungsverwahrung (ohne JGG)<br />

Aufsätze und Anmerkungen<br />

Das neue Recht <strong>de</strong>r Sicherungsverwahrung<br />

(ohne JGG)<br />

Von Dr. Till Zimmermann, Passau<br />

I. Gegenstand und Gang <strong>de</strong>r<br />

Untersuchung<br />

Das Recht <strong>de</strong>r Sicherungsverwahrung befin<strong>de</strong>t sich an<br />

einem Neuanfang. Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Gesetzgeber die Anwendbarkeit<br />

dieses „drakonischen“ 1 Sanktionsinstruments<br />

ab 1998 „ohne erkennbare Systematik“ 2 beständig<br />

ausgeweitet und dadurch ein kaum noch überschaubares<br />

Labyrinth aus Zurechtstutzungsentscheidungen durch<br />

BVerfG, EGMR und BGH provoziert hatte, hat ihn das<br />

BVerfG in seiner Entscheidung vom 4. Mai 2011 ultimativ<br />

zur Neuordnung <strong>de</strong>r Materie bis spätestens zum 1.<br />

Juni <strong>2013</strong> aufgefor<strong>de</strong>rt. 3 Bun<strong>de</strong>s- und Lan<strong>de</strong>sgesetzgeber<br />

sind dieser Auffor<strong>de</strong>rung nachgekommen und haben das<br />

Institut <strong>de</strong>r Sicherungsverwahrung teilweise reformiert.<br />

Dieser Beitrag bietet zunächst eine kursorische Übersicht<br />

zur Geschichte <strong>de</strong>r Sicherungsverwahrung in Deutschland,<br />

ohne welche die Debatten <strong>de</strong>r jüngsten Vergangenheit<br />

unverständlich wären (II.). Anschließend wird die<br />

zum Stichtag gelten<strong>de</strong> neue Rechtslage vorgestellt und<br />

daraufhin analysiert, ob diese <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen von<br />

GG und EMRK genügt (III). Die maßgeblichen Entscheidungen<br />

von BVerfG und EGMR wer<strong>de</strong>n hierbei als hinzunehmen<strong>de</strong><br />

Tatsachen behan<strong>de</strong>lt; Lamentos über <strong>de</strong>ren<br />

„miserable Qualität“ 4 o<strong>de</strong>r die Verfehltheit <strong>de</strong>r ihnen<br />

zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Rechtsauffassungen bleiben daher<br />

ungeachtet ihrer etwaigen Begrün<strong>de</strong>theit weitgehend<br />

unberücksichtigt. Aus Platzgrün<strong>de</strong>n außen vor bleibt<br />

zu<strong>de</strong>m die Neuregelung <strong>de</strong>r Sicherungsverwahrung im<br />

JGG. 5<br />

1<br />

Landau/Greven ZRP 2002, 324 („Die Sicherungsver-wahrung<br />

ist die drakonischste aller Rechtsfolgen, die unser Strafrecht<br />

kennt.“). Übereinstimmend Singelnstein ZJS 2012, 128<br />

(„schärfste Sanktion“).<br />

2<br />

Bartsch Forum Strafvollzug 2011, 267. Siehe auch Schöch<br />

GA 2012, 14 („eher von medialem Druck als von rationaler<br />

Abwägung geprägt.“).<br />

3<br />

BVerfGE 128, 326, 404 Tz. 167 = <strong>HRRS</strong> 2011 Nr. 488.<br />

4<br />

Hörnle NStZ 2011, 488, 490; dies., in: Festschrift für Rissing-van<br />

Saan (2011), S. 239, 242 ff.; Renzikowski ZIS 2011,<br />

531, 532 (jew. zum EGMR).<br />

5<br />

Dazu Ostendorf, in: Ostendorf, JGG, 9. Aufl. (<strong>2013</strong>), § 7<br />

Rn. 18-31; § 107 Rn. 7; Leipold NJW-Spezial 2012, 760.<br />

Siehe auch Eisenberg StV 2011, 480 ff.<br />

II. Historischer Abriss 6<br />

Die nach über hun<strong>de</strong>rtjähriger Debatte 7 mit <strong>de</strong>m Gesetz<br />

gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln<br />

<strong>de</strong>r Sicherung und Besserung vom 24. November<br />

1933 (GewVerbrG) 8 eingeführte Sanktionenkategorie <strong>de</strong>r<br />

Maßregeln <strong>de</strong>r Sicherung und Besserung (seit 1975: <strong>de</strong>r<br />

Besserung und Sicherung) sah in §§ 42a ff. i.V.m. § 20a<br />

StGB i.d.F. d. GewVerbrG die Möglichkeit einer zeitlich<br />

prinzipiell unbegrenzten (§ 42f Abs. 3 S. 1 StGB), d.h.<br />

ggf. lebenslangen Sicherungsverwahrung für „gefährliche<br />

Gewohnheitsverbrecher“ vor.<br />

Nach <strong>de</strong>m Krieg blieb die Sicherungsverwahrung zunächst<br />

unangetastet; betroffen waren von dieser Maßregel<br />

überwiegend gewaltlose Eigentums- und Vermögenstäter,<br />

nur zu einem geringen Teil hingegen Gewalt- und<br />

Sexualtäter. 9 Auch das 1. StrRG 10 (mit Wirkung zum<br />

1. April 1970) rührte nicht an <strong>de</strong>r zeitlichen Unbegrenztheit<br />

<strong>de</strong>r Sicherungsverwahrung (§ 42f Abs. 1 S. 2 StGB<br />

i.d.F. d. 1. StrRG); 11 lediglich <strong>de</strong>r Begriff „Gewohnheitsverbrecher“<br />

wur<strong>de</strong> durch die Bezeichnung „Hangtäter“<br />

ersetzt 12 und die Anordnungsvoraussetzungen restriktiver<br />

gefasst.<br />

Mit <strong>de</strong>m Inkrafttreten <strong>de</strong>s 2. StrRG 13 zum 1. Januar 1975<br />

trat insofern eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung ein, als bei<br />

6<br />

Umfassen<strong>de</strong>re Darstellungen bei Ullenbruch/Drenkhahn/<br />

Morgenstern, in: Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl.<br />

(2012), § 66 Rn. 16-27; Höffler/Kaspar ZStW 124 (2012),<br />

87, 89 ff.; Schöch NK 2012, 47 ff.; <strong>de</strong>rs., in: Festschrift für<br />

Roxin II (2011), S. 1193, 1196 ff.; Laubenthal ZStW 116<br />

(2004), 703, 711 ff.<br />

7<br />

Ausf. dazu Steinberg StV <strong>2013</strong>, 227 ff.; Henkel ZStW 57<br />

(1938), 702, 709-770.<br />

8<br />

RGBl. I, S. 995. Dazu aus zeitgenössischer Perspektive<br />

Exner ZStW 53 (1934), 629 ff.<br />

9<br />

Schöch NK 2012, 47.<br />

10<br />

BGBl. I 1969, S. 645.<br />

11<br />

Laubenthal ZStW 116 (2004), 703, 713. Siehe auch Fuchs<br />

(Hrsg.), StGB 1871-<strong>2013</strong> – historisch-synoptische Edition,<br />

14. Aufl. (<strong>2013</strong>), S. 184. Unzutreffend Höffler/Kaspar ZStW<br />

124 (2012), 87, 89; Schöch NK 2012, 47, wonach die Einführung<br />

einer Sicherungsverwahrungshöchstfrist bereits im<br />

1. StrRG enthalten gewesen sei.<br />

12<br />

Dessecker ZIS 2011, 706, 712. Unrichtig Fischer, StGB,<br />

60. Aufl. (<strong>2013</strong>), § 66 Rn. 3, wonach <strong>de</strong>r Begriff bereits<br />

1933 eingeführt wor<strong>de</strong>n sei.<br />

13<br />

BGBl. I 1969, S. 717.<br />

<strong>HRRS</strong> Mai <strong>2013</strong> (5/<strong>2013</strong>)<br />

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