Buch - Prof. Dr. Erika Schuchardt
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Begegnungen – Deutsche Höhere Privatschule Windhoek (DHPS)<br />
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Diese Komplikationen im alltäglichen Zusammenleben beschränkten sich<br />
aber nicht nur auf die unerfahrenen Schüler, es gab auch einige schwarze Schafe<br />
(warum ist schwarz immer negativ?) unter den Lehrern. Die Geduld der Neuankömmlinge<br />
im Fremdsprachenzweig wurde bis aufs Äußerste auf die Probe<br />
gestellt. Trotz dieser feindseligen Atmosphäre mussten wir freundlich auftreten,<br />
uns auf jeden Schulbesuch freuen, durften uns keinen Fehltritt leisten, nicht<br />
verzweifeln und mussten leistungsfähig bleiben.<br />
Einige Höhepunkte in meiner schulischen Laufbahn beeinfl ussten meine<br />
heutige Lebensanschauung nachdrücklich. 1991 wurde es mir ermöglicht, über<br />
den Pädagogischen Austauschdienst nach Deutschland zu fl iegen. Und viele<br />
Jahre wurde ich in der Familie des Fremdsprachenzweigleiters wie eine Tochter<br />
aufgenommen, so dass sich in mir afrikanische und europäische Werte vermischten.<br />
Viele menschlich und zwischenmenschlich erfahrenen Werte und<br />
Prinzipien aus dieser Zeit werden mich mein ganzes Leben begleiten, und ich<br />
werde mit Stolz auf diese Zeit zurückblicken.<br />
Der eigentliche Höhepunkt meiner Schullaufbahn war das 13. Schuljahr, in<br />
dem sich alles auf Deutsch abspielte. Dieses Jahr war die bisher größte Prüfung<br />
meines Durchhaltevermögens und meiner moralischen Stärke. Ich machte<br />
als einzige FSZ-Schülerin meines Jahrgangs das Abitur; meine Leistungen wurden<br />
somit mit denen auf Muttersprachenniveau verglichen. Bis dahin hatte ich<br />
Deutsch als Fach nur auf Fremdsprachenniveau kennen gelernt, jetzt sollte alles<br />
anders werden. Mir war zu Beginn des Jahres auch ausgesprochen unbehaglich<br />
zumute, und das nicht nur wegen meiner Sprachkenntnisse, sondern auch wegen<br />
der Arbeitsthemen, die wir gerade im Sprachunterricht behandelten. Vieles<br />
handelte von den Beziehungen zwischen Schwarz und Weiß im ehemaligen<br />
Südafrika und den politischen Parallelen in Namibia, aber auch über meine Lebensumstände<br />
im überwundenen Apartheidsregime. Wir lasen viel über politische<br />
Verbrechen und Systeme der Ungerechtigkeit. Einmal sollten wir Zitate, die<br />
uns besonders beeindruckt hatten, in die Schule mitbringen und in der Klasse<br />
diskutieren. Jemand aus der Klasse, ein Pfadfi nder, brachte etwas mit, das so<br />
in etwa besagte, Kinder verschiedener Rassen sollten sich nicht zu früh vermischen,<br />
sie würden sonst ihre Identität verlieren.<br />
Nicht selten verspürte ich bei meinen Mitschülern eine gewisse Ablehnung<br />
und fehlende Akzeptanz mir gegenüber. Und das war nicht ganz einfach für<br />
mich, da ich alleine war und die ganze Last auf meinen Schultern ruhte. Seitens<br />
der Lehrer verspürte ich obendrein noch eine latente Zurückweisung wegen<br />
meiner schwachen mündlichen Leistungen. Das war eine harte, aber gute<br />
Schule für mich. Während des Abiturs habe ich Eigenschaften erlangt, die mich<br />
positiv durch mein restliches Leben begleiten werden.<br />
Ich frage mich heute oft, warum so viele “Südwester”1 gegen die Öffnung<br />
der Schule damals waren. Fühlten sie sich durch die Anwesenheit der schwarzen<br />
Kinder bedroht? Oder haben sie ganz einfach die Bedeutung der Verbreitung<br />
ihrer Sprache und Kultur, aber auch die damit verbundenen wirtschaftlichen<br />
Interessen nicht verstanden? Für mich ist das ein interessantes Phänomen.<br />
1<br />
Bezeichnung für konservative weiße Namibier<br />
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