Buch - Prof. Dr. Erika Schuchardt
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Integrationsversuche – erlebt und erlitten<br />
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deutschen Sprache und vor allem den als unvermeidlich angesehenen Qualitätsverlust<br />
des Unterrichts, Ausdruck der Überzeugung, dass auch von sorgfältig<br />
von ihren Grundschulen empfohlenen schwarzen Schülern nur minderwertige<br />
Leistungen zu erwarten seien. Aber es gab auch viel Irrationales, kaum Nachvollziehbares,<br />
genährt aus der Befürchtung, die angestammte privilegierte Position<br />
der deutschen Gruppe durch zu starke Annäherung zu verlieren.<br />
Besonders deutlich wurde dies bei der Diskussion um die Öffnung des<br />
Schülerheims der Deutschen Höheren Privatschule Windhuk (DHPS). Kinder<br />
anderer Herkunft, anderer Hautfarbe in derselben Schule, mehr und mehr sogar<br />
im selben Klassenzimmer zu haben, waren zur Not noch verkraftbar. Schließlich<br />
handelte es sich dabei lediglich um fünf oder sechs Unterrichtsstunden, danach<br />
ging jeder wieder seines Weges, lebte in seiner ihm angepassten und zustehen-<br />
den Umgebung. Nicht von ungefähr stand über der Einfallstrasse zum Township<br />
Katutura „Suum cuique“ – „Jedem das Seine“, wie es die auch in Namibia gelebte<br />
und noch lebendige Philosophie der Apartheid verlangte.<br />
Anders im Heim. Gerade für die Söhne und Töchter weißer Farmerfamilien<br />
von weit entlegenen Gehöften war dieses Ersatz des Elternhauses, Heimat für<br />
den größten Teil des Jahres. Hier, wenigstens hier, wollte man sich seinen Freiraum<br />
erhalten, frei vor allem von der unverstandenen Begegnungsphilosophie<br />
der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Die Ablehnung der Integration<br />
im Schülerheim nahm teilweise kuriose Formen an.<br />
Beispielsweise richtete der Kulturverein einer namibischen Kleinstadt in einer<br />
schriftlichen Eingabe an die Bundesregierung die Frage, ob man sich der mit der<br />
Aufnahme schwarzer Schülerinnen und Schüler einhergehenden Gefahren im<br />
fernen Bonn eigentlich voll bewusst sei: Schließlich drohe aufgrund der Frühreife<br />
schwarzafrikanischer Kinder ein erhöhtes Risiko, sich mit HIV-Aids zu infi zieren.<br />
Die Verfasser des Briefes gingen im übersteigerten Ausdruck ihrer Sorge sogar<br />
so weit, der Bundesregierung Fahrlässigkeit in dieser Frage zu unterstellen.<br />
Vor diesem Hintergrund erforderte es durchaus Mut, als zwei halbwüchsige<br />
Jungen, schwarz der eine, weiß der andere, vorsprachen und darum baten, nicht<br />
nur im selben Haus wohnen, sondern auch dasselbe Zimmer teilen zu dürfen,<br />
bis dahin fast durchgehend als letzte Bastion einer gewünschten Separierung als<br />
Tabu betrachtet. Die entsetzte Mutter des deutschstämmigen Schülers eilte in<br />
die Schule, hatte eine erregte Aussprache mit dem Schulleiter und verließ in Tränen<br />
aufgelöst dessen Büro. Und dennoch: die beiden Kinder, die sich ungeachtet<br />
ihrer unterschiedlichen Herkunft und vor allem ungeachtet aller vorgelebter<br />
Vorurteile aus freien Stücken für ein gemeinsames Zimmer entschieden hatten,<br />
durften dieses beziehen – eines der damals noch eher seltenen, daher um so<br />
eindrucksvolleren Beispiele für die Zukunftsfähigkeit der Jugend, wenn man sie<br />
denn gewähren lässt.<br />
Dieser bemerkenswerte Einzelfall mag verdeutlichen, warum es für mich<br />
von Anfang an wichtig war, die Einstellung der Hauptbetroffenen selbst, der<br />
Kinder, nicht nur genau zu studieren, sondern auch von ihnen zu lernen, ihr<br />
Lebensgefühl und ihre Lebensfähigkeit auf mein eigenes Handeln einwirken zu<br />
lassen. Grob skizziert und unzulässig vereinfacht habe ich aus meinen Beobachtungen<br />
drei sehr unterschiedliche Phasen der Bewältigung der Begegnung mit<br />
dem Anderen im schulischen Umfeld festgestellt:<br />
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