Buch - Prof. Dr. Erika Schuchardt
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40 Brückenbau – 15 Jahre Begegnungsschulen im Südlichen Afrika<br />
Es war deshalb sicher eine der richtungweisenden Entscheidungen in der<br />
Geschichte der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, dass im Hinblick<br />
auf die entscheidende Bedeutung der Schulen für eine friedliche Zukunft<br />
im Südlichen Afrika schon in den siebziger Jahren auf die deutschen Schulträger<br />
eingewirkt wurde, ihre Anstalten auch für Nicht-Deutsche, vor allem aber<br />
für Nicht-Weiße zu öffnen. Dies war nicht nur deshalb schwierig, weil es den<br />
Vorstellungen vieler deutschsprachiger Eltern widersprach, sondern auch weil<br />
es nicht im Einklang mit der Politik des Gastlandes stand und daher Mut und<br />
Durchsetzungsvermögen erforderte.<br />
Die ersten eher zaghaften Öffnungsversuche gingen auf die Zeit zwischen<br />
1970 und 1980 zurück, wobei man sich zumindest in der Theorie in der ehemaligen<br />
Provinz Südwest etwas leichter tun konnte als im restlichen Südafrika:<br />
Offi ziell zumindest galten viele Gesetze des Apartheidstaates hier nicht, hatte<br />
man doch sogar eine gemischtrassige Regierung. Einer wirklichen Öffnung waren<br />
aber schon deshalb zunächst enge Grenzen gesetzt, weil der Unterricht in<br />
allen deutschen Schulen fast ausschließlich in deutscher Sprache, in begrenztem<br />
Maße in Afrikaans erteilt wurde.<br />
Der nächste, entscheidende Schritt von Seiten der deutschen Auswärtigen<br />
Kultur- und Bildungspolitik war daher zwangsläufi g: der Vorschlag der Einrichtung<br />
so genannter Fremdsprachenzweige für einheimische Kinder aus Schulen in den<br />
gemeinhin als townships bezeichneten Stadtvierteln. Diese Kinder, ausschließlich<br />
nach Qualitätsgesichtspunkten aufgenommen, erhielten ihren Unterricht in<br />
englischer Sprache, wurden allmählich auch mit der deutschen Sprache vertraut<br />
gemacht und in den oberen Klassen mit ihren deutschen Mitschülern gemeinsam<br />
unterrichtet. Eine beachtliche Zahl dieser Schüler sollte sich im Übrigen<br />
später zu einem 13. Schuljahr entschließen, um neben dem südafrikanischen<br />
Matrik nach der Klasse 12 ein deutsches Abitur zu machen.<br />
Dies alles war am 21. März 1990, zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit Namibias<br />
und nach der für die Zukunft der Republik Südafrika nach der Apartheid-Ära<br />
richtungweisenden Parlamentsrede von Präsident de Klerk am 2.Februar 1990,<br />
schon Geschichte. Der im Gefolge von Außenminister Genscher zur Übernahme<br />
seines neuen Postens angereiste deutsche Botschafter durfte annehmen, dass<br />
die heftigen und schmerzlichen Diskussionen zur Schulpolitik der Vergangenheit<br />
angehörten, dass spätestens die Unabhängigkeit Namibias auch den letzten<br />
Zweifl ern klar gemacht haben müsste, dass der von der Bundesregierung und<br />
dem gesamten Deutschen Bundestag quer durch alle Parteien vorgegebene,<br />
wenn auch teils nur widerstrebend akzeptierte Weg der deutschen Schulen im<br />
südlichen Afrika nunmehr klar und unwidersprochen sei. Diese Annahme sollte<br />
sich als Irrtum erweisen.<br />
Schon nach wenigen Wochen des Einlebens in das neue Umfeld und nach<br />
den ersten intensiveren Kontakten mit der deutschsprachigen Gemeinschaft<br />
Namibias wurde rasch klar: so sehr eine wichtige Gruppe vorwärts Denkender<br />
sich, vorwiegend durchaus aus eigener Einsicht in das Notwendige, aktiv für die<br />
von der Bundesregierung seit langem geforderte und geförderte Öffnung der<br />
Schulen einsetzte, so unübersehbar war die weiter bestehende Skepsis, auch<br />
der aktive Widerstand einiger Unbelehrbarer mit zum Teil erheblichem Einfl uss.<br />
Die ernster zu nehmenden Argumente betrafen die Sorge um den Erhalt der<br />
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