Buch - Prof. Dr. Erika Schuchardt
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Die Rolle der neuen Sekundarstufen im Südlichen Afrika<br />
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Eine Öffnung der Deutschen Schulen bedeutete also 1989, das Inseldasein<br />
zu beenden und sich den Herausforderungen des Landes zu stellen, was in<br />
der Essenz zunächst hieß daran mitzuarbeiten, die eklatanten Ungleichheiten<br />
in der südafrikanischen Gesellschaft zu beseitigen. Zu diesem Zeitpunkt war die<br />
gesetzliche Gleichheit aller in Südafrika noch nicht gegeben, aber jene Apartheidgesetze,<br />
die gemeinsame Aktivitäten von schwarzen und weißen Kindern<br />
verboten, waren bereits außer Kraft, so dass sich die Deutschen Schulen nach<br />
südafrikanischen Gesetzen bei der Verwirklichung des Konzepts der Fremdsprachenzweige<br />
(später Neue Sekundarstufe) nicht strafbar machten. Die Probleme<br />
stellten sich in vielen praktischen Bereichen. Die Spaltung der Gesellschaft war<br />
(und ist auch heute noch in weitem Maße) auch eine Teilung in reich und<br />
arm, so dass klar war, dass kaum eine Familie aus der anvisierten Zielgruppe<br />
das Schulgeld würde bezahlen können. Die fi nanzielle Unterstützung durch die<br />
deutsche Bundesregierung war hier eine Grundvoraussetzung.<br />
Eine besondere Herausforderung aber stellte das Problem dar, aus einer<br />
riesigen Zahl von potenziellen Kandidaten Kinder auszuwählen, die den Anforderungen<br />
und hohen akademischen Standards der Deutschen Schulen entsprachen,<br />
vor allem vor dem Hintergrund eines kaum funktionierenden Schulsystems<br />
in den Townships. Jeder Pädagoge weiß, wie wichtig die ersten Schuljahre<br />
in Bezug auf die Herausbildung der elementaren Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />
sind, die einen späteren Schulerfolg sichern. Zur Lösung dieses Problems galt<br />
es, ein tragfähiges Netz von Partnerschaften zu Schulen in den Wohngebieten<br />
der schwarzen und farbigen Bevölkerung aufzubauen, um mit deren Hilfe eine<br />
erfolgversprechende Auswahl treffen zu können. Sehr schnell wurde erkennbar,<br />
dass ohne zusätzliche Vorbereitung auch die ausgewählten Kinder nicht genügend<br />
qualifi ziert waren, den Ansprüchen der Deutschen Schulen zu genügen,<br />
so dass Vorbereitungsklassen und später begleitender Förderunterricht für bestimmte<br />
Fächer eingerichtet werden mussten.<br />
Abgesehen von den fi nanziellen und pädagogischen Aspekten stellte das Konzept<br />
einer Begegnungsschule, so wie es sich seit den achtziger Jahren entwickelt<br />
hat, eine enorme Herausforderung an alle Beteiligten dar. In einer Gesellschaft,<br />
in der Begegnung seit Jahrzehnten per Gesetz verboten und unter Strafe gestellt<br />
war, bildeten sich Bewusstseinslagen und Verhaltensweisen heraus, deren menschenverachtende<br />
Züge oft gar nicht mehr erkannt wurden: es wurde nicht in<br />
Kategorien der Menschlichkeit oder gar der Brüderlichkeit gedacht, sondern in<br />
Freund-Feind-Schemata. Die vielen in diesem <strong>Buch</strong> gesammelten Berichte der<br />
Jugendlichen zeigen ganz deutlich, welcher Vielfalt von psychischen Belastungen<br />
die Kinder ausgesetzt waren. Von vielen deutschsprachigen Eltern ist die<br />
Öffnung der „Insel“ Deutsche Schule sicher als Bedrohung empfunden und dies<br />
bewusst oder unbewusst an die Kinder weitergegeben worden. Die zum Teil<br />
hochgradig irrationalen Ängste, die in der weißen Bevölkerung angesichts des<br />
Endes der Apartheid produziert wurden – man mag heute lächeln über die weit<br />
verbreitete Idee vor den Wahlen von 1994, dass alle Weißen aus ihren großen<br />
Häusern mit Swimmingpool vertrieben und statt dessen die Hausangestellten<br />
dort einziehen würden – , erschwerten auch ein Aufeinander-Zugehen.<br />
Für viele Eltern in den Townships bot sich mit dem Angebot der Deutschen<br />
Schulen eine Chance, ihren Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen, die ihnen<br />
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