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Buch - Prof. Dr. Erika Schuchardt

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Die Rolle der neuen Sekundarstufen im Südlichen Afrika<br />

207<br />

Eine Öffnung der Deutschen Schulen bedeutete also 1989, das Inseldasein<br />

zu beenden und sich den Herausforderungen des Landes zu stellen, was in<br />

der Essenz zunächst hieß daran mitzuarbeiten, die eklatanten Ungleichheiten<br />

in der südafrikanischen Gesellschaft zu beseitigen. Zu diesem Zeitpunkt war die<br />

gesetzliche Gleichheit aller in Südafrika noch nicht gegeben, aber jene Apartheidgesetze,<br />

die gemeinsame Aktivitäten von schwarzen und weißen Kindern<br />

verboten, waren bereits außer Kraft, so dass sich die Deutschen Schulen nach<br />

südafrikanischen Gesetzen bei der Verwirklichung des Konzepts der Fremdsprachenzweige<br />

(später Neue Sekundarstufe) nicht strafbar machten. Die Probleme<br />

stellten sich in vielen praktischen Bereichen. Die Spaltung der Gesellschaft war<br />

(und ist auch heute noch in weitem Maße) auch eine Teilung in reich und<br />

arm, so dass klar war, dass kaum eine Familie aus der anvisierten Zielgruppe<br />

das Schulgeld würde bezahlen können. Die fi nanzielle Unterstützung durch die<br />

deutsche Bundesregierung war hier eine Grundvoraussetzung.<br />

Eine besondere Herausforderung aber stellte das Problem dar, aus einer<br />

riesigen Zahl von potenziellen Kandidaten Kinder auszuwählen, die den Anforderungen<br />

und hohen akademischen Standards der Deutschen Schulen entsprachen,<br />

vor allem vor dem Hintergrund eines kaum funktionierenden Schulsystems<br />

in den Townships. Jeder Pädagoge weiß, wie wichtig die ersten Schuljahre<br />

in Bezug auf die Herausbildung der elementaren Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

sind, die einen späteren Schulerfolg sichern. Zur Lösung dieses Problems galt<br />

es, ein tragfähiges Netz von Partnerschaften zu Schulen in den Wohngebieten<br />

der schwarzen und farbigen Bevölkerung aufzubauen, um mit deren Hilfe eine<br />

erfolgversprechende Auswahl treffen zu können. Sehr schnell wurde erkennbar,<br />

dass ohne zusätzliche Vorbereitung auch die ausgewählten Kinder nicht genügend<br />

qualifi ziert waren, den Ansprüchen der Deutschen Schulen zu genügen,<br />

so dass Vorbereitungsklassen und später begleitender Förderunterricht für bestimmte<br />

Fächer eingerichtet werden mussten.<br />

Abgesehen von den fi nanziellen und pädagogischen Aspekten stellte das Konzept<br />

einer Begegnungsschule, so wie es sich seit den achtziger Jahren entwickelt<br />

hat, eine enorme Herausforderung an alle Beteiligten dar. In einer Gesellschaft,<br />

in der Begegnung seit Jahrzehnten per Gesetz verboten und unter Strafe gestellt<br />

war, bildeten sich Bewusstseinslagen und Verhaltensweisen heraus, deren menschenverachtende<br />

Züge oft gar nicht mehr erkannt wurden: es wurde nicht in<br />

Kategorien der Menschlichkeit oder gar der Brüderlichkeit gedacht, sondern in<br />

Freund-Feind-Schemata. Die vielen in diesem <strong>Buch</strong> gesammelten Berichte der<br />

Jugendlichen zeigen ganz deutlich, welcher Vielfalt von psychischen Belastungen<br />

die Kinder ausgesetzt waren. Von vielen deutschsprachigen Eltern ist die<br />

Öffnung der „Insel“ Deutsche Schule sicher als Bedrohung empfunden und dies<br />

bewusst oder unbewusst an die Kinder weitergegeben worden. Die zum Teil<br />

hochgradig irrationalen Ängste, die in der weißen Bevölkerung angesichts des<br />

Endes der Apartheid produziert wurden – man mag heute lächeln über die weit<br />

verbreitete Idee vor den Wahlen von 1994, dass alle Weißen aus ihren großen<br />

Häusern mit Swimmingpool vertrieben und statt dessen die Hausangestellten<br />

dort einziehen würden – , erschwerten auch ein Aufeinander-Zugehen.<br />

Für viele Eltern in den Townships bot sich mit dem Angebot der Deutschen<br />

Schulen eine Chance, ihren Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen, die ihnen<br />

Brückenbau - neues Format.indd 207 17.01.2005 15:47:45

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