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Buch - Prof. Dr. Erika Schuchardt

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‚Xolelanani‘ heißt ‚Versöhnung‘<br />

195<br />

‚Xolelanani‘ heißt ‚Versöhnung‘ – ein Jugendbegegnungszentrum<br />

im Township: Wir brauchen Mut, uns einander zuzumuten 1<br />

Pastor <strong>Dr</strong>. Klaus-Peter Edinger, Port Elizabeth/Ludwigshafen<br />

Im Chinesischen gibt es die bekannte Kurzgeschichte von dem vermeintlichen<br />

Axtdieb:<br />

„Ein Mann hatte seine Axt verloren und vermutet, dass der Sohn des Nachbarn<br />

sie ihm gestohlen habe. Er beobachtete ihn daher genau: sein Gang,<br />

sein Blick war ganz der eines Axtdiebes. Alles, was er tat, sah nach einem<br />

Axtdieb aus. Einige Zeit später fand der Mann zufällig die Axt unter einem<br />

Bretterhaufen. Am nächsten Tag sah er den Sohn des Nachbarn: sein<br />

Gang war nicht der eines Axtdiebes, auch sein Blick war nicht der eines<br />

Axt diebes …” 2<br />

Der die Axt vermissende Mann hat einen Verdacht, den Verdacht auf eine bestimmte<br />

Person. Sein Verdacht, seine Vermutung wird nun durch Beobachtungen<br />

untermauert und bestätigt: das ganze Verhalten am Sohn des Nachbarn,<br />

sein Gang, sein Blick, ja alles, was er tut, entlarvt ihn als Axtdieb.<br />

Vermutungen werden durch Beobachtungen untermauert, werden so immer<br />

mehr zur Gewissheit. Wir können auch sagen, Menschen machen sich Bilder<br />

von anderen, vorgefertigte Meinungen – übrigens in der Regel kritische,<br />

negative –, und es scheint genügend Anhaltspunkte zu geben, die diese Bilder<br />

verstärken. In Max Frischs Stück „Andorra“ machen sich die Dorfbewohner ein<br />

Bild von einem Jungen, immer anders, immer falsch. Willentlich oder unwillentlich<br />

zerstören sie so sein Leben, denn der Junge hat die falschen Bilder mit der<br />

Zeit internalisiert und kann sich nicht mehr davon befreien.<br />

Bilder haben prägende Kraft, sie bestimmen in vieler Hinsicht unser Leben.<br />

Bilder aber sind statisch, sie verstellen uns den freien, für neue Erkenntnisse<br />

offenen Blick. Bilder verleiten zu Vereinfachungen, Typisierungen, Standardisierungen.<br />

„Typisch …“ heißt es dann oft. 3<br />

„Typisch Axtdieb“, wird auch jener Mann gesagt haben. Er hat sich ein Bild<br />

vom Sohn des Nachbarn gemacht, weil er die Vermutung hatte, dieser müsse<br />

die vermisste Axt gestohlen haben.<br />

Das Schlimme dabei – er hatte den Sohn des Nachbarn kaum gekannt. Gerade<br />

aber durch Unkenntnis fängt man an, sich ein Bild zu Recht zu legen und so<br />

durch dieses Bild den anderen kennen zu lernen. Und alle gemachten Beobachtungen<br />

dienen dazu, dieses schon bestehende Bild zu vervollkommnen.<br />

Nicht so weit wäre es gekommen, solch ein negatives Bild vom Nachbarjungen<br />

wäre nicht wie ein Mosaik zusammengesetzt worden, wenn der Mann den<br />

1<br />

cf. Auch Klaus-Peter Edinger, Auf-Stand zu ökumenischem Krisen-Management durch<br />

Verarbeitung der Krise ‚Fremdsein’. Ernstfall gelebter Ökumene wechselseitig in<br />

Südafrika und in Deutschland zwischen ‚fremden’ und ‚einheimischen’ Gemeinden.<br />

Frankfurt/M. 2005 i. V.<br />

2<br />

Willi Hoffsümmer, Kurzgeschichten. Band 1 Mainz 1990, 11. Aufl age, S. 85.<br />

3<br />

cf. Theo Sundermeier, Den Fremden verstehen. Göttingen 1996, S. 223.<br />

www.prof-schuchardt.de/brueckenbau<br />

Brückenbau - neues Format.indd 195 17.01.2005 15:47:43

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