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Buch - Prof. Dr. Erika Schuchardt

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44 Brückenbau – 15 Jahre Begegnungsschulen im Südlichen Afrika<br />

verheerender nicht ausfallen können! Alle, die als ausgewiesene Befürworter<br />

einer weiteren Öffnungspolitik angesehen wurden, erlitten schmerzliche Niederlagen,<br />

Eltern von Fremdsprachenzweigkindern wurden nicht berücksichtigt,<br />

sogar ein deutschstämmiger Minister der neuen, von der SWAPO angeführten<br />

Regierung – welch’ eine Chance für das Ansehen der Schule bei den neuen<br />

Herrschern! – landete nur unter „ferner liefen“. Gewählt wurden stattdessen<br />

fast ausschließlich Repräsentanten konservativer und konservativster Gruppen.<br />

Als ein Hauptverantwortlicher für dieses Desaster wurde von interessierter Seite<br />

rasch der neue deutsche Botschafter ausgemacht: dieser habe durch seine nur<br />

als Versuch der Wahlmanipulation (sic!) zu verstehende Rede deutlichen Widerstand<br />

geradezu provoziert.<br />

Mögen gute Freunde mit mir gemeinsam ernsthaft darüber nachgedacht<br />

haben, ob es zweckdienlicher gewesen wäre, mit einer Politik der weichen Welle<br />

um Sympathie zu werben, die Fronten waren seit diesem Abend klar abgesteckt.<br />

Es begann eine Zeit der Sticheleien und der Anfeindungen. Dabei bediente man<br />

sich nicht einmal so sehr der weiterhin heißen Debatten um die richtige Schulpolitik,<br />

sondern vorzugsweise einer Reihe von öffentlichkeitsträchtigen Nebenkriegsschauplätzen.<br />

Etwa der Tatsache, dass im Garten der Residenz am Tag<br />

der Deutschen Einheit einheimische Kulturgruppen auftraten und der Hausherr<br />

seine Ansprachen teilweise in der Landesprache Englisch hielt. Ersteres führte<br />

in der einzigen deutschsprachigen Tageszeitung Afrikas, der „Allgemeinen Zeitung“,<br />

zu Leserbriefen, deren Einschätzung ich dem Urteil meiner Leser anheim<br />

stelle: „Botschafter einer Kulturnation lässt Negermusik spielen“ oder „Ist dieser<br />

Botschafter überhaupt stolz, ein Deutscher zu sein?“ (Letzteres führte zu Beschwerden<br />

bei der Bundesregierung und der Forderung nach meiner Abberufung.<br />

Bonn verwies jedoch darauf, der deutsche Botschafter habe an Nationalfeiertagen<br />

auch Gebote der Höfl ichkeit gegenüber den nicht deutschsprachigen<br />

Gästen zu berücksichtigen, sie seien nicht der geeignete Anlass, um mit diesen<br />

die deutsche Sprache einzuüben.) Auch meine Angewohnheit, Kontakte zur einfachen<br />

Bevölkerung und insbesondere zu Musikern und Sportlern zu pfl egen,<br />

war willkommener Aufhänger für Verdächtigungen und Verleumdungen.<br />

So nervig und teilweise auch schmerzlich diese unliebsamen Begleiterscheinungen<br />

bei der Vertretung der Politik der Bundesregierung auch waren, als<br />

Amtsträger und von der mir übertragenen Mission zutiefst überzeugt, hatte ich<br />

dies zu ertragen und ertrug es auch mit Fassung, häufi g auch mit dem notwendigen<br />

Humor. Die Grenze des Erträglichen war für mich und mit mir für meine<br />

Familie allerdings überschritten, als sich der Zorn auf den Botschafter auf dessen<br />

Kinder übertrug: Beim Betreten ihres Klassenzimmers fand meine damals<br />

knapp 12-jährige Tochter auf ihrer Bank ein großformatiges Photo ihres Vaters,<br />

dessen Gesicht offenbar mit einem Messer mehrfach zerschnitten war. Mein<br />

neunjähriger Sohn kam eines Mittags weinend nach Hause mit der Frage: „Papa,<br />

was ist SWAPO?“. Er war von Mitschülern mit der Bemerkung: „Du SWAPO, du!“<br />

verprügelt worden: Strafe für die Kinder stellvertretend für ihren Vater, von Kindern<br />

vollstreckt, die die Einstellung ihres Elternhauses in die Schule trugen.<br />

Diese Spanne von drei Jahren in Namibia war sicher meine schwierigste<br />

Zeit im Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland, und der Einsatz<br />

für den Gedanken der Begegnung und der Versöhnung, in der Schule, aber<br />

Brückenbau - neues Format.indd 44 17.01.2005 15:47:18

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