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Buch - Prof. Dr. Erika Schuchardt

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166 Brückenbau – 15 Jahre Begegnungsschulen im Südlichen Afrika<br />

jetzt alle zusammen Unterricht hatten, wurde allein schon deshalb ein engeres<br />

Gefühl der Zusammengehörigkeit geschaffen.<br />

Im Laufe der nächsten drei Jahre (bis zu unserer Abschlussprüfung, dem<br />

HIGCSE) vermischte sich mein Freundeskreis mit anderen Freundeskreisen, und<br />

so hatte ich schließlich viele Freunde, die vorher im Fremdsprachenzweig waren.<br />

Dieser nannte sich jetzt „Neue Sekundarstufe“. Im Zusammensein mit meinen<br />

neuen Freunden lernte ich, was es heißt, sich wirklich von Vorurteilen zu befreien.<br />

Rassismus endet erst dann, wenn man gut gemeinte Kritik oder ehrlich gemeintes<br />

Lob austeilen kann, ohne dass dies als Angriff oder Heuchelei gewertet<br />

wird. Ich konnte meine Freunde, unabhängig von ihrer Hautfarbe, bei Schulprojekten<br />

beraten, ohne dass sie sich deswegen angegriffen fühlten. Andersherum<br />

galt natürlich das Gleiche. Ich hatte auch nie das Gefühl im Unterricht, dass<br />

Lehrer bestimmte Schüler wegen ihrer Hautfarbe bevorzugten. Gerade dies half<br />

sehr viel, Vorurteile abzubauen. Wenn nämlich inkompetente Schüler gute Noten<br />

bekommen und man das Gefühl bekommt, dass ihre Hautfarbe dabei eine<br />

Rolle spielt, dann verstärkt dies eher nur Vorurteile.<br />

Es kam jedoch nicht so, dass wir alle „farbenblind“ wurden oder dass Freundeskreise<br />

jetzt vollkommen heterogen wurden. Soweit ich es beurteilen kann,<br />

hatten die meisten deutschen Schüler nur wenige Freunde im „englischsprachigen<br />

Zweig“, und die meisten Schüler in der Neuen Sekundarstufe nur wenige<br />

deutschsprachige Freunde. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir krampfhaft<br />

gleichfarbige oder gleichsprachige Freunde suchten. Ich denke, es ist menschlich,<br />

sich in einer Gruppe wohler zu fühlen, die kulturell ähnlich ist. Wie einige<br />

Freunde mir erzählten, fi nden Südafrikaner in London sich auch zu einer Gruppe<br />

zusammen.<br />

Man konnte in der Schule auch beobachten, dass Lehrer aus Deutschland<br />

sich oft (aber natürlich nicht immer oder ausschließlich) zu einer Gruppe sammelten,<br />

während die Ortskräfte das Gleiche taten. Im Sportunterricht geschah<br />

es irgendwie immer, dass die eine Fußballmannschaft immer fast ausschließlich<br />

schwarz war, die andere fast nur weiß. Nicht dass irgendjemand ausgeschlossen<br />

wurde, es war einfach so, wie beide Parteien es bevorzugten. (Ich war öfters<br />

in der „schwarzen“ Mannschaft, weil ich als letzter gewählt wurde, da ich nicht<br />

gerade Sportler des Jahrhunderts bin.) Es ist meiner Meinung nach einfacher,<br />

mit Menschen gemeinsame Interessen zu fi nden, wenn man über gewisse gemeinsame<br />

Erfahrungen oder Hintergründe verfügt.<br />

Mit meinen Freunden aus Deutschland (z. B. Austauschschülern oder den<br />

Kindern vermittelter Lehrer) diskutierte ich öfters die deutsche oder europäische<br />

Geschichte. Die meisten Schüler der Neuen Sekundarstufe interessierten der<br />

Zweite Weltkrieg, die Verbrechen im <strong>Dr</strong>itten Reich, die Umweltprobleme Europas<br />

oder die Kreuzzüge im Mittelalter weitaus weniger als uns, einfach weil es nicht<br />

„ihre“ Leute, ‚Ihr“ Land und „ihre“ Geschichte waren. Ich hingegen kann das Leben<br />

oder die Probleme in den „schwarzen“ Wohnvierteln kaum verstehen, weil<br />

das einfach nicht zu meinem Erfahrungshorizont gehört. Unter unseren schwarzen<br />

Mitschülern wurden oft die „Gangs“ in ihrer Nachbarschaft besprochen. Diese<br />

Gangs kommen in Namibia fast nur in schwarzen Wohnvierteln vor.<br />

Weiter ist es leider so, dass auf der Schule sehr viel Gruppendruck in Sachen<br />

Kleidung oder Musik herrscht. Dadurch wird es schwierig, sich in einem<br />

Brückenbau - neues Format.indd 166 17.01.2005 15:47:38

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