Buch - Prof. Dr. Erika Schuchardt
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32 Brückenbau – 15 Jahre Begegnungsschulen im Südlichen Afrika<br />
Deutsche Schulen im Südlichen Afrika – ein Modellfall<br />
Barthold C. Witte, <strong>Dr</strong>. phil. <strong>Dr</strong>. h. c., Ministerialdirektor a. D.<br />
Aus dem Abstand einer knappen Generation scheint es kaum mehr glaubhaft,<br />
dass die deutschen Schulen im Südlichen Afrika einmal über lange Jahre<br />
Gegenstand eines erbitterten Streits gewesen sind. Heute genießen sie<br />
zu Recht als von der Bundesregierung durch das Auswärtige Amt geförderte<br />
Begegnungsschulen einen hervorragenden Ruf, sowohl in der Republik Südafrika<br />
und in Namibia als auch in Deutschland. Sie bilden junge Menschen<br />
unterschiedlicher Herkunft und Hautfarbe zu wertvollen Gliedern der menschlichen<br />
Gesellschaft heran, und sie schaffen zugleich lebenslange Bindungen<br />
ihrer Schülerinnen und Schüler an deutsche Sprache und Kultur. Für sie ist<br />
die Apartheid genau so Vergangenheit wie für beide Länder insgesamt. Wenn<br />
es in Zukunft gelingen wird, im Südlichen Afrika ein dauerhaftes Modell für<br />
das friedliche, schöpferische Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher<br />
Herkunft und Hautfarbe zu schaffen, dann haben daran die deutschen Schulen<br />
ihren wirksamen Anteil.<br />
Das war für lange Zeit seit ihrer Gründung nicht selbstverständlich. Die deutschen<br />
Schulen in Johannesburg und Pretoria, Windhuk und Durban, Kapstadt<br />
und Hermannsburg waren – wie etliche andere Schulen deutschen Charakters,<br />
die nicht mehr bestehen – durch ihre Gründer für deren eigene Kinder bestimmt<br />
worden, für Jungen und Mädchen aus Familien, die von dem deutschsprachigen<br />
Mitteleuropa in das Südliche Afrika ausgewandert waren und die ihre Sprache<br />
und Kultur für sich und ihre Nachkommen auch und gerade in der fremdsprachigen<br />
Umwelt bewahren wollten. Missionare, Farmer, Handwerker, Geschäftsleute<br />
zählten zu den Gründern, dazu im damaligen Deutsch-Südwestafrika die<br />
Berliner Reichsregierung und die von ihr in die Kolonie entsandten Soldaten<br />
und Beamten. Lehrpläne, Unterrichtssprache, Abschlussexamina – alles war und<br />
blieb deutsch. Die Stürme des Ersten und Zweiten Weltkriegs, der Übergang von<br />
Deutsch-Südwest in südafrikanische Verwaltung, sogar die weitgehende Vereinnahmung<br />
der „Auslandsdeutschen” durch die Nationalsozialisten änderten<br />
nichts an diesem Charakter. Als die neu gegründete Bundesrepublik Deutschland<br />
am Beginn der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wieder mit der<br />
Förderung deutscher Auslandsschulen begann, waren die Institute im Südlichen<br />
Afrika wie selbstverständlich dabei.<br />
Ihr deutscher Charakter war keineswegs eine Besonderheit. Die deutschen<br />
Auslandsschulen in Nord- und Südamerika oder in Australien waren ebenso von<br />
Auswanderern ins Leben gerufen worden, wurden von ihnen als Privatschulen<br />
getragen und pfl egten deutsche Sprache und Kultur. Anders verhielt es sich<br />
mit denjenigen Schulen, etwa in Kairo, in Istanbul oder in China, die von der<br />
Berliner Regierung vor dem Ersten Weltkrieg als Instrumente ihrer Einfl usspolitik<br />
im jeweiligen Land geschaffen oder gefördert wurden, als „Propagandaschulen”,<br />
wie man damals in schöner Naivität sich ausdrückte. Ihre Schüler stammten zumeist<br />
aus dem jeweiligen Land, wurden indes ebenso deutsch erzogen wie ihre<br />
Kameraden im Südlichen Afrika, in Lima oder Blumenau. Erst allmählich öffneten<br />
sich diese Schulen, zumal nach dem Desaster, das der Nationalsozialismus<br />
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