Buch - Prof. Dr. Erika Schuchardt
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Begegnungen – Deutsche Höhere Privatschule Windhoek (DHPS)<br />
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war. Das Gehalt des Vaters reichte nicht aus, besonders nicht in meinem Fall,<br />
wo wir auch noch 6 Geschwister waren. Das führte dazu, dass sich meine Eltern<br />
vieles, was für die weißen Schüler selbstverständlich war, nicht leisten konnten.<br />
Ich habe z. B. im Winter nicht von Schuluniformrock auf Schuluniformhose<br />
wechseln können und deswegen ständig gefroren, weil der Kauf einer Hose<br />
nicht drin war.<br />
Meine weißen Mitschüler waren nicht nur von der Hautfarbe her anders<br />
als ich, sie besaßen auch fast alle mehr Allgemeinwissen und bewegten sich<br />
selbstbewusster in der Welt. Viele von ihnen hatten vor der Einschulung schon<br />
einen Kindergarten besucht und dort das Lesen und Schreiben von Zahlen bereits<br />
gelernt. Wenn sie dann nach Hause kamen, wurden sie von Eltern in Empfang<br />
genommen, die alle eine bessere Bildung besaßen als meine Eltern. Wenn<br />
schwarze Schüler/innen eingeschult wurden, hatten sie diese wichtige und prägende<br />
Erfahrung des Kindergartens nicht gemacht, weil es so etwas bei ihnen<br />
nicht gegeben hat. Und während sie nun eifrig dabei waren, das Verpasste aufzuholen,<br />
waren die weißen Kinder schon wieder dabei, etwas Neues zu lernen.<br />
Ein weiterer Unterschied äußerte sich so, dass die weißen Schüler/innen<br />
ihre Meinung offen zu äußern gewohnt waren. Sie beschwerten sich öffentlich,<br />
wenn ihnen z.B. die Hausaufgaben als zu viel erschienen, oder protestierten,<br />
wenn es übers Wochenende Hausaufgaben aufgeben sollte. Wir aber sind von<br />
zu Hause ganz anders erzogen. Wir sollen vor älteren Leuten Respekt zeigen,<br />
so dass ich nicht den Mut aufbrachte, mich derartig zu äußern. Ich hätte es sehr<br />
unhöfl ich gefunden, den Lehrern zu sagen, dass ihr Unterricht langweilig sei, was<br />
viele weiße Schüler/innen ohne Bedenken taten. Diese Unterschiede führten<br />
natürlich dazu, dass wir viel lieber Freundschaften unter uns als mit Weißen<br />
schlossen. Mit den Schülern des Fremdsprachenzweigs konnte man sich einfach<br />
besser verstehen, auch wenn die meisten nicht gerade die eigene Muttersprache<br />
sprachen. Aber beim Klang von Oshiwambo, Oshiherero oder Damara<br />
fühlte man sich gleich angenehmer. Wir untereinander waren oft auch gleicher<br />
Meinung und bestärkten uns gegenseitig, wenn die Weißen offen zu erkennen<br />
gaben, sie würden uns für blöd halten, bloß weil wir schwarz und arm waren.<br />
Das wurde meist dann auch am deutlichsten von denen gezeigt, die selbst oft<br />
bei Klausuren durchfi elen.<br />
Diese Distanz zwischen uns war meiner Meinung nach auch der Grund dafür,<br />
warum wir nicht schnell genug Deutsch lernten und die Deutschsprachigen<br />
lange brauchten, um Englisch oder Afrikaans perfekt zu beherrschen. Überhaupt<br />
war für uns die DHPS mit viel größeren Anstrengungen verbunden als für die<br />
deutschsprachige Schülerschaft. Für die meisten von uns fand keine einzige<br />
Stunde in der Muttersprache statt, denn nur wenige sprachen Englisch als Muttersprache.<br />
Lernten die einen also pro Tag 30 neue Vokabeln, so waren es bei<br />
uns meist doppelt so viele. Wir stiegen morgens früh um sechs in den Bus und<br />
kehrten um 18.00 Uhr erst wieder zurück. Arbeitsgemeinschaften konnten sich<br />
die meisten von uns nicht leisten, weil sie nachmittags für Tests pauken mussten,<br />
denn abends hatte man dafür zu Hause keine Ruhe mehr.<br />
Die DHPS war für die meisten von uns etwas völlig Neues. Hier gab es z. B.<br />
keine körperliche Strafe, um die Disziplin aufrechtzuerhalten, es gab noch nicht<br />
einmal die kleinen Schläge in den Nacken oder auf die Hand, wie wir es alle<br />
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