Buch - Prof. Dr. Erika Schuchardt
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Begegnungen – Deutsche Schule Hermannsburg (DSH)<br />
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Natürlich haben wir manchmal Auseinandersetzungen, aber die sind nie tief<br />
greifend. Und der andere kulturelle Hintergrund? Der ist selbstverständlich gegeben.<br />
Manches tut sie eben anders. Und sie hat ein anderes Verhältnis zu den<br />
Eltern. Wenn wir am Wochenende nach Hause fahren, werde ich von meiner<br />
Mutter abgeholt. Sipho muss alleine zurechtkommen und den Weg heimfi nden.<br />
Auch sie mag ihre Eltern, aber bei aller Liebe ist sie gezwungen, viel mehr für<br />
sich selber zu sorgen, während mich meine Familie umsorgt. Auch schulische<br />
Probleme muss sie selbst lösen, meine Mutter spricht dagegen schon ab und<br />
zu mit den Lehrern. Auf diese Weise ist sie selbstbewusst geworden, in gewissem<br />
Sinne auch gereift. Natürlich stört mich manches; manchmal erscheint<br />
sie zu sorglos und unbekümmert, dann wieder ist sie furchtbar unorganisiert,<br />
insbesondere vor wichtigen Tests und Prüfungen. Dann muss ich eingreifen und<br />
helfen, und das kann ganz schön nervig sein.<br />
Ich habe auch noch andere freundschaftliche Beziehungen, auch mit anderen<br />
schwarzen Mädchen. Mit einer ehemaligen Mitschülerin, die inzwischen<br />
nach Deutschland zurückgekehrt ist, bestehen noch rege Kontakte.<br />
In der Klasse selbst gibt es keine festen Gruppenbildungen. Ich fi nde, dass<br />
ein guter Klassengeist vorherrscht. Viele gemeinsame Unternehmungen (Vorbereitung<br />
des Matrikballs, Organisation von Discos, Durchführung von Veranstaltungen<br />
zu wohltätigen Zwecken) haben die Klasse zusammengeschweißt. Auch<br />
die schwarzen Schüler sind voll integriert. Und wie selbstverständlich haben die<br />
Schüler zwei schwarze Mitschüler ins Präfektenamt gewählt. A propos Klassengeist:<br />
bei der Vorbereitung des Matrikballs letztes Jahr, traditionsgemäß einer<br />
Angelegenheit der Klasse 11, passierte ein schlimmes Ungeschick. Es sollten mit<br />
Farbe Linien gezogen werden, und ein Farbkübel kippte um, die Farbe ergoss<br />
sich über eine größere Fläche vor dem Mädchenheim. Zu allem Unglück war es<br />
eine wasserunlösliche Farbe. Alle Schüler der Klasse – ob schwarz, weiß oder<br />
braun – machten sich nun ausnahmslos mit Terpentin an den Reinigungsprozess,<br />
niemand drückte sich. Weil wir so stanken, durften wir zum Nachtessen<br />
nicht in den Esssaal. Einige Lehrer waren furchtbar böse, sie konnten unsere<br />
Unbesorgtheit nicht verstehen. Wir aber waren sehr stolz auf uns.<br />
Wenn es Konfl ikte und Spannungen gab, entstanden sie meist nicht innerhalb<br />
der Klasse, sondern wurden von außen hereingetragen. So sorgten z. B.<br />
starre Regelungen, die Haartracht und Rocklänge der Mädchen betreffend, für<br />
Unmut. Oder einem schwarzen Schüler wurde untersagt, ein Armband aus Kuhfellleder<br />
zu tragen. Der traditionelle Hintergrund: es musste getragen werden,<br />
wenn jemand in der Familie gestorben war. Das Verbot hat daher keiner von uns<br />
verstanden; wir waren wohl besser informiert als die Schulleitung.<br />
Inzwischen steht das Matrik vor der Tür, und bald werden wir Hermannsburg<br />
hinter uns lassen. Ich bin sicher, ich werde mich gerne an meine Schulzeit zurückerinnern.<br />
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