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Buch - Prof. Dr. Erika Schuchardt

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Begegnungen – Deutsche Schule Hermannsburg (DSH)<br />

187<br />

Natürlich haben wir manchmal Auseinandersetzungen, aber die sind nie tief<br />

greifend. Und der andere kulturelle Hintergrund? Der ist selbstverständlich gegeben.<br />

Manches tut sie eben anders. Und sie hat ein anderes Verhältnis zu den<br />

Eltern. Wenn wir am Wochenende nach Hause fahren, werde ich von meiner<br />

Mutter abgeholt. Sipho muss alleine zurechtkommen und den Weg heimfi nden.<br />

Auch sie mag ihre Eltern, aber bei aller Liebe ist sie gezwungen, viel mehr für<br />

sich selber zu sorgen, während mich meine Familie umsorgt. Auch schulische<br />

Probleme muss sie selbst lösen, meine Mutter spricht dagegen schon ab und<br />

zu mit den Lehrern. Auf diese Weise ist sie selbstbewusst geworden, in gewissem<br />

Sinne auch gereift. Natürlich stört mich manches; manchmal erscheint<br />

sie zu sorglos und unbekümmert, dann wieder ist sie furchtbar unorganisiert,<br />

insbesondere vor wichtigen Tests und Prüfungen. Dann muss ich eingreifen und<br />

helfen, und das kann ganz schön nervig sein.<br />

Ich habe auch noch andere freundschaftliche Beziehungen, auch mit anderen<br />

schwarzen Mädchen. Mit einer ehemaligen Mitschülerin, die inzwischen<br />

nach Deutschland zurückgekehrt ist, bestehen noch rege Kontakte.<br />

In der Klasse selbst gibt es keine festen Gruppenbildungen. Ich fi nde, dass<br />

ein guter Klassengeist vorherrscht. Viele gemeinsame Unternehmungen (Vorbereitung<br />

des Matrikballs, Organisation von Discos, Durchführung von Veranstaltungen<br />

zu wohltätigen Zwecken) haben die Klasse zusammengeschweißt. Auch<br />

die schwarzen Schüler sind voll integriert. Und wie selbstverständlich haben die<br />

Schüler zwei schwarze Mitschüler ins Präfektenamt gewählt. A propos Klassengeist:<br />

bei der Vorbereitung des Matrikballs letztes Jahr, traditionsgemäß einer<br />

Angelegenheit der Klasse 11, passierte ein schlimmes Ungeschick. Es sollten mit<br />

Farbe Linien gezogen werden, und ein Farbkübel kippte um, die Farbe ergoss<br />

sich über eine größere Fläche vor dem Mädchenheim. Zu allem Unglück war es<br />

eine wasserunlösliche Farbe. Alle Schüler der Klasse – ob schwarz, weiß oder<br />

braun – machten sich nun ausnahmslos mit Terpentin an den Reinigungsprozess,<br />

niemand drückte sich. Weil wir so stanken, durften wir zum Nachtessen<br />

nicht in den Esssaal. Einige Lehrer waren furchtbar böse, sie konnten unsere<br />

Unbesorgtheit nicht verstehen. Wir aber waren sehr stolz auf uns.<br />

Wenn es Konfl ikte und Spannungen gab, entstanden sie meist nicht innerhalb<br />

der Klasse, sondern wurden von außen hereingetragen. So sorgten z. B.<br />

starre Regelungen, die Haartracht und Rocklänge der Mädchen betreffend, für<br />

Unmut. Oder einem schwarzen Schüler wurde untersagt, ein Armband aus Kuhfellleder<br />

zu tragen. Der traditionelle Hintergrund: es musste getragen werden,<br />

wenn jemand in der Familie gestorben war. Das Verbot hat daher keiner von uns<br />

verstanden; wir waren wohl besser informiert als die Schulleitung.<br />

Inzwischen steht das Matrik vor der Tür, und bald werden wir Hermannsburg<br />

hinter uns lassen. Ich bin sicher, ich werde mich gerne an meine Schulzeit zurückerinnern.<br />

Brückenbau - neues Format.indd 187 17.01.2005 15:47:42

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