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PLAN DER VORLESUNG (1) - Sammelpunkt bei philo.at

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29 Handouts zur Vorlesung: STATIONEN <strong>DER</strong> ANTIKEN PHILOSOPHIE: Buchheim: WS 2000/1<br />

SOKRATES<br />

Sokr<strong>at</strong>es ist 469 als Sohn des Steinmetzen Sophroniskos und der Hebamme Phainarete geboren. Als<br />

Vollbürger des <strong>at</strong>henischen Stadtbezirks, Alopeke, leistete er für seine Stadt während des peloponnesischen<br />

Krieges (430-404) mehrfach als schwerbewaffneter Fußsold<strong>at</strong> Kriegsdienst (u.a. 429 in der<br />

Schlacht von Poteidaia) und zeichnete sich durch geradezu sprichwörtliche Tapferkeit aus. Da diese<br />

Hopliten ihre Waffen selber stellen mußten, kann er jedenfalls nicht in arger m<strong>at</strong>erieller Not gelebt<br />

haben und die Züge seines ärmlichen Auftretens (barfuß etc.) dürften daher mehr Ausdruck eines<br />

bedürfnislosen <strong>philo</strong>sophischen Habitus als einer Notlage gewesen sein. Vielleicht h<strong>at</strong> er auch selbst<br />

als Steinmetz gear<strong>bei</strong>tet. Verheir<strong>at</strong>et war er mit der bekannten Xanthippe und h<strong>at</strong>te drei Söhne, von<br />

denen zwei <strong>bei</strong> seiner Verurteilung noch kleine Kinder waren. Manche Quellen wollen wissen, daß<br />

nicht alle die Kinder seiner Frau waren, sondern womöglich von einer gewissen Myrto.<br />

Schon vor 423, dem D<strong>at</strong>um der Aufführung der ‚Wolken‘ des Aristophanes, muß Sokr<strong>at</strong>es eine<br />

öffentlich bekannte und, will man der Komödie wenigstens dieses glauben, ziemlich penetrante, gegen<br />

das etablierte Normalleben auftretende Figur in Athen gewesen sein. Die Komödie führt ihn in einer<br />

Hauptrolle als spinnösen, geldgierigen N<strong>at</strong>ur<strong>philo</strong>sophen und sophistischen Streitsucher um Nichtigkeiten<br />

(wie den Furz einer Ameise) vor, was ohne große Bekanntheit unsinnig gewesen wäre.<br />

Allerdings genoß er <strong>bei</strong> vielen auch großen Respekt wegen seiner Tapferkeit, Gesetzestreue und<br />

überlegenen Intellektualität, was man u.a. daran sehen kann, daß er bes. aber nicht nur mit der Jugend<br />

höchster Adelskreise Umgang pflog und sowohl oligarchische (die 30 Tyrannen von 404-3) als auch<br />

schon zuvor (406) demokr<strong>at</strong>ische Regierungskreise sich seiner Mitar<strong>bei</strong>t für zwielichtige Unternehmen<br />

(Arginusenprozeß und die widerrechtliche Deport<strong>at</strong>ion Leons aus Salamis) zu versichern suchten, um<br />

ihn so in ihre Machenschaften politisch einzubinden. Sokr<strong>at</strong>es widerstand <strong>bei</strong>den Ansinnen, was gewiß<br />

nicht zur Steigerung seiner Beliebtheit <strong>bei</strong>getragen h<strong>at</strong>.<br />

Die extreme Unabhängigkeit seines Charakters neben seiner absonderlichen Art (wie z.B. die<br />

warnende Stimme seines »daimonion« oder stundenlanges scheinbar grundloses Stehenbleiben, um<br />

nachzusinnen etc.) und Penetranz des Fragens und nicht zuletzt die immer noch anhaltende Ausstrahlung<br />

der s<strong>at</strong>irischen Verleumdung oder Überzeichnung eines Aristophanes führten dazu, so daß<br />

normalbürgerliche Kreise durch mehr oder weniger vorgeschobene Vertreter (Meletos, Anytos, Lykon)<br />

sich seiner durch eine Anklage wegen abweichender Religionspraktiken (Asebie) und Jugendverführung<br />

zu entledigen suchten. Die Absicht ging wohl mehr dahin, ihn zu verbannen oder wenigstens zum<br />

Schweigen zu bringen als hinzurichten. Doch war Sokr<strong>at</strong>es‘ Selbstverteidigung offenbar nachgerade<br />

unverschämt selbstsicher (nach Pl<strong>at</strong>on wies er nicht nur jedes Verschulden weit von sich, sondern ließ<br />

wissen, daß er eigentlich öffentliche Ehrenspeisung im Prytaneion verdient habe), daß man ihn in der<br />

Volksversammlung mit knapper Mehrheit zum Tode verurteilte. Da er es auch ablehnte zu fliehen,<br />

mußte er 399 den Schierlingsbecher trinken.<br />

Die verschiedenen Quellen zur Figur des Sokr<strong>at</strong>es (vor allem Pl<strong>at</strong>on, Aristophanes, Xenophon und<br />

Aischines von Sphettos) zeichnen sehr heterogene, ja widersprüchliche Bilder der Person und ihrer<br />

Lehren, am schlimmsten ist die Verzerrung durch Aristophanes, der ihn zum geldgierigen Sophisten<br />

und Alles- (auch N<strong>at</strong>ur-)erforscher stempelt. Dennoch ist eher davon auszugehen, daß Sokr<strong>at</strong>es eine<br />

schillernde Persönlichkeit und zumindest nach Außen widersprüchlich erscheinende Gestalt war, als<br />

daß irgendeines dieser Bilder völlig fehlgeht. Auch die Unterschiedlichkeit seiner Schüler (Pl<strong>at</strong>on,<br />

Kyrenaiker [Antisthenes, Aristipp, Aischines], Kyniker, Ironiker, Megariker [Eukleides von Megara],<br />

Bildungsbürger [Xenophon]) verrät eine zu große Bandbreite, um auf nur eine intellektuelle Linie<br />

festgelegt werden zu können. Da Sokr<strong>at</strong>es selbst nichts geschrieben h<strong>at</strong>, sind wir auf die genannten<br />

Quellen angewiesen, jedoch h<strong>at</strong> sich die Ansicht durchgesetzt, daß das Bild Pl<strong>at</strong>ons, wie er es vor<br />

allem in der ‚Apologie‘ und im ‚Symposion‘ entwirft, jedenfalls nicht völlig in die Irre führt, sondern<br />

sich um Authentizität in einer bestimmten, aber auch recht weiten Perspektive bemüht.<br />

Aristoteles gibt zudem einige trockene Hinweise auf ethische Definitionen ohne pl<strong>at</strong>onischen<br />

Chôrismos und die Fragekunst des Sokr<strong>at</strong>es, die glaubhaft sind, weil sie Sokr<strong>at</strong>es von Pl<strong>at</strong>on zu<br />

differenzieren versuchen. Besonders hervorhebenswert scheinen mir folgende Punkte:

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