PLAN DER VORLESUNG (1) - Sammelpunkt bei philo.at
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72 Handouts zur Vorlesung: STATIONEN <strong>DER</strong> ANTIKEN PHILOSOPHIE: Buchheim: WS 2000/1<br />
Von ihm kommt nichts anderes als das nach ihm Größte; das Größte nach ihm und Zweite aber ist<br />
Geist. Und der Geist sieht jenen und begehrt nur nach ihm, jener aber begehrt nichts von ihm. Auch<br />
muß das von einem Stärkeren als dem Geist Gezeugte Geist sein und der Geist stärker als alles, weil<br />
das andere nach ihm kommt. Wie eben auch die Seele ein logos des Geistes und eine Aktivität [von<br />
ihm] ist, wie dieser [eine Aktivität] von jenem. Doch der logos der Seele ist undeutlich; denn als ein<br />
Bild des Geistes muß sie auch zum Geist hinblicken [»an ihm hängen«, wie man sagt]; der Geist aber<br />
genauso zu jenem, damit er Geist sei. Er sieht ihn aber nicht als einen getrennten, weil er vielmehr<br />
direkt nach ihm und nichts dazwischen ist, wie auch nichts zwischen Seele und Geist ist. Alles aber<br />
verlangt nach seinem Erzeugenden und liebt es, besonders wenn das Erzeugende und das Gezeugte<br />
einzig sind. Wenn aber das Zeugende zudem das Beste ist, dann ist es aus Notwendigkeit mit ihm<br />
zusammen, als allein durch die Andersheit (heterotês) von ihm getrennt. [D.h. es gehört jeweils<br />
strukturell zu ihm (wie die Seele strukturell zum Geist gehört, oder die Pflanze strukturell zum Samen), ist aber als die<br />
abhängige Ausfaltung des Ursprungs von ihm auch zu unterscheiden. Es ist also nicht durch etwas anderes - drittes - davon<br />
getrennt, sondern durch sich selber. Anderes Beispiel: ein Organismus bildet selber die Membran, durch die er sich von der<br />
Außenwelt unterscheidet; die Membran aber ist ein anderes von ihm selbst - dem Organismus.]<br />
Ein Bild von jenem, sagen wir, sei der Geist - das muß man aber noch genauer erklären. Es bedeutet<br />
zuerst, daß das Gezeugte wie jenes ist und vieles davon bewahrt und daß eine Ähnlichkeit in Beziehung<br />
darauf besteht, wie auch das Licht der Sonne sich verhält. Doch ist der Geist nicht jenes. Wie nun<br />
zeugt es den Geist? Oder so, daß es durch die Zuwendung (epistrophê) zu sich selbst sich gesehen h<strong>at</strong>,<br />
das Sehen selbst aber ist der Geist. Denn das Erfassende (k<strong>at</strong>alambanon) ist ein anderes als die Wahrnehmung<br />
oder der Geist. [...] Mit sich selbst aber, als von dort gleichsam abgeteilt aus einem Teillosen<br />
sieht es das Leben und das Denken und alles, weil jener nichts von alledem ist. Denn so ist alles aus<br />
jenem, weil jener durch keinerlei Gestalt eingenommen ist. Denn jenes ist einzig und allein Eines.<br />
Wäre es nämlich alles [was im Geist als jeweils eines ist und aufscheint], gehörte es unter die Seienden. Deshalb<br />
ist jenes nichts von den Dingen im Geist, sondern sie aus ihm“.<br />
Ein selbst ungerührt bleibendes Überfließen in das gezeugte Ähnliche - dies also ist die Beziehung von<br />
oben nach unten in der Hierarchie der Hypostasen. Deshalb ist das Obere keineswegs als es selbst in<br />
dem Unteren, sondern nur als Bild. Während die Beziehung von unten nach oben die des Inseins oder<br />
daraufhin-Gerichtetseins ist. Das Untere hängt am Oberen, geht ihm nach, strebt ihm nach. In der<br />
Zuwendung zu ihm ist also immer das eigentlich Abzubildende, der Ursprung der Zuwendung, in ein<br />
bloßes Bild von sich verwandelt. Der Ursprung entzieht sich seiner Erfassung - beharrt in sich, wie<br />
Plotin sagt, und ist gerade dadurch Ursprung. „Man muß also sagen, daß das von jenem her Enstehende<br />
entsteht, indem es nicht bewegt wird“ (ebd. 6,22 f.). Ein guter Vergleich mit diesem improzessualen<br />
Prozeß des Hervorgehens <strong>bei</strong> Plotin ist vielleicht, wie eine Folgerung aus den Prämissen eines<br />
Beweises entsteht. Sie ist etwas anderes, Abhängiges von den Prämissen, aber sie geht nicht durch eine<br />
Bewegung aus ihnen hervor, sondern gerade durch die Bestätigung (Affirm<strong>at</strong>ion) ihrer Unverrückbarkeit<br />
und Gültigkeit. Plotins Denken ist spekul<strong>at</strong>iver Prozeß, nicht Beschreibung von gewissen<br />
Vorgängen in der »Wirklichkeit«.<br />
Enn. VI 9 [9] 1,1-42<br />
„Alles Seiende ist durch das Eine seiendes, sowohl, was zuerst Seiendes ist, als auch, was immer als zu<br />
den Seienden zählend begriffen wird. Denn was könnte es auch sein, wenn es nicht eines wäre? Denn<br />
nimmt man es weg von dem einen, als was es bezeichnet wird, dann ist es nicht jenes. [...] Müssen wir<br />
nun, da die Seele alles zum Eins führt, indem sie es hervorbringt und bildet und formt und ordnet, <strong>bei</strong><br />
ihr angelangt sagen, daß sie den Reigen des Einen anführt und selbst das Eine ist? Oder muß man, so<br />
wie sie, wenn sie das andere für die Körper lenkt, doch nicht selbst ist, was sie gibt - etwa Gestalt und<br />
Form - sondern das etwas anderes ist als sie, genauso denken, daß, wenn sie das Eine gibt, dies etwas<br />
anderes ist als sie und sie nur zu dem Einen blickend jegliches eins macht [...] Denn jegliches, was<br />
man eins nennt, verhält sich so zum Eins wie auch zu dem, was es ist. So daß das weniger Seiende<br />
weniger das Eins h<strong>at</strong> und das mehr mehr. So h<strong>at</strong> denn auch die Seele, obwohl anderes als das Eine,