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PLAN DER VORLESUNG (1) - Sammelpunkt bei philo.at

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62 Handouts zur Vorlesung: STATIONEN <strong>DER</strong> ANTIKEN PHILOSOPHIE: Buchheim: WS 2000/1<br />

Verfehlung). Folglich gehört der Weise nicht zu denen, die zustimmen. Wenn aber dies, dann wird er<br />

über alles ohne Zustimmung bleiben müssen. Doch ist das Nichtzustimmen nichts anderes als Urteilsenthaltung<br />

(epochê). Folglich enthält sich der [stoische] Weise in Bezug auf alles des Urteils. [D.h. der<br />

perfekte Stoiker ist der perfekte Skeptiker!]<br />

Doch war es [so fährt Sextus fort] auch nötig, danach die Führung des Lebens in Betracht zu ziehen, die<br />

ja von N<strong>at</strong>ur aus nicht ohne ein Kriterium vollzogen werden kann, von dem auch die Glückseligkeit,<br />

d.h. das Ziel des Lebens abhängig ist. Dazu sagt Arkesilaos, daß der, der sich über alles des Urteils<br />

enthält, seine Präferenzen und Vermeidungswünsche und überhaupt die Handlungen durch das<br />

vernünftig Zurechtgelegte (eulogon) regeln und nach diesem Kriterium vorgehend das sittlich Richtige<br />

tun werde. Denn die Glückseligkeit entstehe durch die Klugheit (phronêsis), die Klugheit aber bestehe<br />

in sittlich richtigen t<strong>at</strong>en, das sittlich Richtige aber sei, was, wenn es getan worden, eine vernünftig<br />

zurechtgelegte Verteidigung zulasse. Wer also auf das vernünftig Zurechtzulegende achte, der handle<br />

sittlich und werde glücklich“.<br />

Skeptische Tropen:<br />

Besonders von Sextus werden uns Listen mit skeptischen Tropen, d.h. mit Weisen der Erzeugung von<br />

Isosthenie der Antithesen mitgeteilt, deren wichtigste die 10 Tropen des Ainesidemos und die 5 darauf<br />

basierenden Tropen Agrippas sind. Die erstgenannten dienen offenbar mehr der skeptischen Selbstrel<strong>at</strong>ivierung,<br />

die ihn methodisch zur Isosthenie führen soll, während die 5 des Agrippa soetwas wie ein<br />

engmaschiges Argument<strong>at</strong>ionsnetz ergeben, mit dem man die Schlagkräftigkeit dogm<strong>at</strong>ischer Gegner<br />

zum Erliegen bringen kann.<br />

Die zehn Tropen des Ainesidemos (Sextus, PH I 31-39):<br />

„Nachdem wir dargelegt haben, daß die Ataraxie auf die Urteilsenthaltung bezüglich aller Dinge folgt,<br />

ist anschließend zu sagen, wie uns die Urteilsparalyse überkommt [die Passivität des Ausdruck ist durchaus<br />

absichtlich]. Sie kommt zustande, im Großen und Ganzen gesprochen, durch die Entgegensetzung<br />

(antithesis) der Dinge. Doch setzen wir entweder Phänomene Phänomenen entgegen oder Gedanken<br />

Gedanken oder <strong>bei</strong>de über kreuz. So z.B. Phänomene Phänomenen, wenn wir sagen: ‚derselbe Turm<br />

erscheint von ferne als rund, von nah dagegen als viereckig‘; Gedanken Gedanken, wenn wir gegen<br />

den, der eine Vorsehung aus der Anordnung der Gestirne annimmt, einwenden, daß oft die Tugendhaften<br />

ein schlechtes, die Schlechten aber ein gutes Leben führen und wir deswegen zu dem Schluß<br />

kämen, daß keine Vorsehung existiert; Gedanken setzt man Phänomenen entgegen, so wie Anaxagoras<br />

der Behauptung, daß Schnee weiß sei, entgegenhält, daß Schnee gefrorenes Wasser, Wasser aber<br />

dunkel sei, und daß folglich Schnee dunkel ist.<br />

In anderer Hinsicht setzen wir bald Gegenwärtiges Gegenwärtigem entgegen, wie in den gegebenen<br />

Beispielen, bald aber auch Gegenwärtiges Vergangenem oder Zukünftigem, wie wir z.B., wenn einer<br />

uns eine Lehre vorträgt, die wir nicht entkräften können, zu ihm sagen, daß so, wie vor der Geburt des<br />

Begründers seiner Schule deren Lehre noch nicht schlagkräftig erschien, aber dennoch der N<strong>at</strong>ur nach<br />

schon vorhanden war, auch jetzt schon die Entgegnung auf das von dir vorgetragenen Argument der<br />

N<strong>at</strong>ur nach vorhanden sein könnte, aber es uns noch nicht so scheint -- so daß wir also noch nicht zu<br />

dieser uns schlagkräftig vorkommenden Lehre unsere Zustimmung geben müßten.<br />

Damit uns diese Antithesen aber genauer vor Augen stehen, möchte ich auch die Tropen anführen,<br />

durch welche die Urteilsparalyse her<strong>bei</strong>geführt wird, auch wenn ich weder bezüglich ihrer Zahl noch<br />

ihrer Wirkung ganz Sicheres behaupte. Es kann durchaus sein, daß sie nicht stringent und mehr an der<br />

Zahl sind als die aufgezählten. [typisch skeptische reserv<strong>at</strong>io mentalis!]<br />

Üblicherweise werden von den älteren Skeptikern 10 Tropen überliefert, durch die die Urteilsenthaltung<br />

her<strong>bei</strong>geführt zu werden scheint [dokei - die Rede ist nur von subjektiven Befunden]. Es handelt sich<br />

erstens um den Tropus aufgrund der spezifischen Verschiedenheit der Lebewesen [was die Made<br />

ernährt, kann für den Menschen giftig sein]; zweitens den Tropus des Unterschieds zwischen den<br />

Menschen [die andernorts sog. »Idiosynkrasie« - dem einen tut die Sonne wohl, dem andern verursacht sie<br />

Krebs]; drittens den Tropus aufgrund der charakteristischen Differenz der Wahrnehmungsorgane<br />

[Meerrettich ist sanft für das Auge, aber scharf für die Zunge]; viertens den Tropus aufgrund der Umstände

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