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PLAN DER VORLESUNG (1) - Sammelpunkt bei philo.at

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33 Handouts zur Vorlesung: STATIONEN <strong>DER</strong> ANTIKEN PHILOSOPHIE: Buchheim: WS 2000/1<br />

Sache der Sophistik war es nicht mehr so sehr wie in der vorhergehenden Philosophie, ein Verständnis<br />

der physischen Welt zu erlangen, sondern sich in den jeweiligen Situ<strong>at</strong>ionen des gesellschaftlichen<br />

Alltags zurechtzufinden und die praktische Lebensgestaltung des Menschen zu vervollkommnen.<br />

Protagoras faßte demnach den Menschen grundlegend als gesellschaftlich-politisches Wesen und sah<br />

die Aufgabe der Sophisten darin, Lehrer sämtlicher bürgerlicher Tugenden zu sein, deren es für ein<br />

erfolgreiches Zusammenleben mit anderen Menschen bedarf, wo<strong>bei</strong> der Akzent darauf lag, junge<br />

Leute zur Konformität und auf dieser Basis zum vorteilsorientierten Umgang mit den Gesetzen, Sitten<br />

und Bräuchen der bestehenden Gemeinschaft zu erziehen. Der methodische Grundgedanke ist da<strong>bei</strong>,<br />

daß jene bürgerlichen Tugenden lehr- und erlernbar sind, und die Sophistik liefert dazu die Technik.<br />

Ziel der Sophistik ist die “Wohlber<strong>at</strong>enheit“ (Eubolia) in priv<strong>at</strong>en und öffentlichen Angelegenheiten,<br />

auch “politische Tüchtigkeit" im Reden, Handeln und im R<strong>at</strong>-Erteilen genannt (s. Pl<strong>at</strong>on Protag.<br />

318e5-319a2). Dies verlangt insbesondere die Fähigkeit, seinen Standpunkt in der Diskussion zu<br />

behaupten und andere von seinen intendierten Zielen zu überzeugen. Daher nimmt das Training der<br />

Rhetorik breiten Raum ein.<br />

3. Der Homo-Mensura-S<strong>at</strong>z<br />

Dieser berühmte S<strong>at</strong>z, der der Anfang von Protagoras' Schrift "Wahrheit" gewesen sein soll, lautet:<br />

Aller Dinge Maß ist der Mensch, der seienden, daß sie sind, der nicht seienden, daß sie nicht sind (DK<br />

80B1 = Pl<strong>at</strong>on Tht. 152a2-4).<br />

Die Standardinterpret<strong>at</strong>ion dieses S<strong>at</strong>zes geht dahin, daß behauptet werden soll, es gebe nichts<br />

Feststehendes und Unveränderliches, sondern alle Verhältnisse haben lediglich Realität, sofern sie für<br />

die Menschen im Kontext und der darauf gegründeten gerade herrschenden Maßstäblichkeit von<br />

Bedeutung sind. Alles also, was jemand sinnlich wahrnimmt oder geistig erfaßt (also u.a. auch ethische<br />

und politische Qualitäten), ist vom momentanen körperlichen Zustand und der seelischen Verfassung<br />

des jeweiligen Menschen bzw. dem Zustand der jeweiligen Gesellschaft mit ihren gerade anerkannten<br />

Bräuchen, Gesetzen und Sitten abhängig und ist demnach für ihn bzw. für sie wahr. Maß der Wahrheit<br />

ist also entweder der in die Situ<strong>at</strong>ion involvierte einzelne Mensch ('erkenntnistheoretischer Subjektivismus')<br />

oder die jeweilige Bürgerschaft ('Kulturrel<strong>at</strong>ivismus').<br />

4. Über die Götter<br />

Jenem S<strong>at</strong>z gemäß kann man auch über die Götter nichts wissen, eben weil sie unerkennbar und nicht<br />

direkter Teil der menschlichen Situ<strong>at</strong>ion und Lebenspraxis sind.So sagt Protagoras auch: “Hinsichtlich<br />

der Götter kann ich nichts erkennen, weder ob sie sind, noch ob sie nicht sind, noch von welcher<br />

Gestalt sie sind; denn vieles steht dem im Wege: sowohl die Dunkelheit der Sache als auch die Kürze<br />

des menschlichen Lebens" (DK 80B4). Trotz dieser Ungewißheit über den Sachverhalt, bilden für<br />

Protagoras dennoch Frömmigkeit und Verehrung der Götter einen nützlichen und anerkennenswerten<br />

Faktor für den Zusammenhalt der menschlichen Gesellschaft.<br />

Lit.: Buchheim, Th.: Sophistik als Avantgarde normalen Lebens. Hamburg 1986<br />

GORGIAS<br />

1. Leben und Schriften<br />

Gorgias wurde um 485 in Leontinoi auf Sizilien geboren und starb nach einem deutlich mehr als hundert<br />

Jahre währenden Leben um 376. Er gilt als Schüler des Empedokles. An der Spitze einer<br />

Gesandtschaft seiner Heim<strong>at</strong>stadt kam er nach Athen und erlangte dort ob seiner herausragenden<br />

rhetorischen Fähigkeiten Berühmtheit. Politisch engagierte er sich ferner für einen Panhellinismus. Er<br />

ist u.a. Verfasser eines Lehrbuches über Rhetorik und einer Schrift "Über das Nichtseiende oder die<br />

N<strong>at</strong>ur" (DK 82B3), von welcher nur Zusammenfassungen erhalten sind. Ferner sind zwei Reden<br />

vollständig und einige Bruchstücke überliefert.

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