28.02.2014 Aufrufe

PLAN DER VORLESUNG (1) - Sammelpunkt bei philo.at

PLAN DER VORLESUNG (1) - Sammelpunkt bei philo.at

PLAN DER VORLESUNG (1) - Sammelpunkt bei philo.at

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

55 Handouts zur Vorlesung: STATIONEN <strong>DER</strong> ANTIKEN PHILOSOPHIE: Buchheim: WS 2000/1<br />

der Realität), während das Unkörperliche als irreduzibler Aspekt von Realität erscheint; zu letzterem<br />

gehören „Leeres“, „Raum“, „Zeit“ und vor allem das „Aussagbare“ (lekton), ein Begriff, der, dem<br />

Fregeschen »Sinn« vergleichbar, die Bedeutung von Sätzen oder Aussprüchen bezeichnet. Entsprechend<br />

ist nach der stoischen Logik das Sprachzeichen nicht unmittelbar auf die existierende Realität zu<br />

beziehen, sondern vermittelt über das Gemeinte, also das lekton. Die Bedeutungsrel<strong>at</strong>ion ist demnach<br />

eine dreiseitige, wovon zwei Seiten durch Körper und eine durch Unkörperliches gestellt werden:<br />

(1) Bezeichnendes (sêmainon) ist ein Körper (Laut, Schriftzeichen).<br />

(2) Bezeichnetes (sêmainomenon) ist unkörperlich (das Gemeinte oder lekton).<br />

(3) Betreffendes (tygchanon) ist ebenfalls Körper oder Konstell<strong>at</strong>ion von Körperlichem.<br />

Für existierende Realität, d.h. im Feld des Körperlichen unterscheiden die Stoiker vier K<strong>at</strong>egorien,<br />

durch die alle Konstell<strong>at</strong>ionen erfaßt werden können. Sämtliche K<strong>at</strong>egorien beziehen sich also auf<br />

Körperliches:<br />

(1) „Zugrundeliegendes“ (hypokeimenon), also das identifizierbare, körperliche Objekt<br />

(2) „Qualit<strong>at</strong>ives“ (poion), also die einem Körper zukommende, identifizierende Eigenschaft<br />

(3) „Verhaltensweise“ (pôs echon), also wie ein Körper agiert<br />

(4) „Verhalten in Rel<strong>at</strong>ion zu etwas“ (pros ti pôs echon), also Rel<strong>at</strong>ionen, in denen etwas steht.<br />

Durch die erklärte Trennung des Gemeinten (lekton) vom Betreffenden (tynchanon) <strong>bei</strong> sprachlichen<br />

Ausdrücken ist die von den Stoikern erfundene, logisch sehr komfortable konditionale Analyse von<br />

Sätzen möglich, nach welcher alle Subjektterme in Sätzen im Prinzip als hypothetische Prädik<strong>at</strong>e eines<br />

möglichen Dinges aufgefaßt werden, und das davon ausgesagte Prädik<strong>at</strong> als Konsequenz der Erfüllung<br />

des ersteren angehängt wird, wie z.B.: ‚Der <strong>philo</strong>sophische Lehrer des Sokr<strong>at</strong>es lebte im 5. Jhdt.‘; dies<br />

wird in konditionaler Analyse zu: ‚wenn etwas <strong>philo</strong>sophischer Lehrer des Sokr<strong>at</strong>es war, lebte es im 5.<br />

Jhdt.‘. Der Vorteil ist, daß Sätze über Nichtexistierendes oder Chimären etc. einen Wahrheitswert<br />

haben und nicht sinnlos sind.<br />

Überhaupt h<strong>at</strong> das Implik<strong>at</strong>ions- oder Folgeverhältnis es den Stoikern (insbes. Chrysipp) angetan. Es<br />

bildet nach ihrer Meinung den Nukleus der menschlichen, ja der R<strong>at</strong>ionalität überhaupt:<br />

„Die Stoiker meinen, daß der Mensch sich vom a-r<strong>at</strong>ionalen Lebewesen nicht durch die vorgebrachte<br />

Rede unterscheide (denn auch Raben, Papageien etc. könnten artikulierte Laute vorbringen), sondern<br />

durch die innere Disposition dazu; auch nicht durch das bloße Erscheinungsbild (phantasia haplê),<br />

sondern durch das zu etwas übergehende und synthetische. Indem also der Mensch den Begriff der<br />

Folgerung (akolouthias ennoia) habe, erfasse er unmittelbar auch den Gedanken des Zeichens - eben<br />

durch die Folge. denn auch das Zeichen selbst sei ein solches »wenn dies, dann das«. So begleitet die<br />

N<strong>at</strong>ur und Anlage des Menschen dies, daß er auch Zeichen gebe“ (Sextus adv.m<strong>at</strong>h. VIII 275 [SVF II<br />

223, LS 53 T]).<br />

Chrysipp definierte das Verhältnis der Implik<strong>at</strong>ion oder Folge (synhêmmenon) anders als wir heute die<br />

sog. m<strong>at</strong>eriale Implik<strong>at</strong>ion. Während diese nur dann falsch ist, wenn das Antezedens wahr und<br />

zugleich das Konsequens falsch ist, ist die Chrysippische Implik<strong>at</strong>ion nur dann wahr, wenn die<br />

Verneinung des Konsequens mit dem Antezendens in Widerspruch steht. Hier also folgt die Konsequenz<br />

»notwendig« aus der Voraussetzung, wie z.B. ‚Wenn es Tag ist, ist Licht da‘. Hingegen sind<br />

nach unserem Modell solche Implik<strong>at</strong>ionen wie, wenn Gras blau ist, dann ist der Mond größer als die<br />

Sonne‘ durchaus wahr, obwohl <strong>bei</strong>de Teilsätze falsch sind und nichts miteinander zu tun haben.<br />

Auf Basis des Folgeverhältnisses und hypothetischen S<strong>at</strong>zes h<strong>at</strong> Chrysipp 5 unbeweisbare, logisch<br />

wahre Argumentformen entdeckt und formalisiert (die sog. anapodeiktoi logoi), auf die alle<br />

komplexeren Schlüsse zrückführbar seien. Er h<strong>at</strong> insofern als erster formale Aussagenlogik (im<br />

Unterschied zur aristotelischen Begriffssyllogistik) betrieben. Die 5 Argumente lauten:<br />

(1) Wenn das 1., dann das 2. Nun aber das 1., also das 2.<br />

(2) Wenn das 1., dann das 2.. Nun aber nicht das 2., also nicht das 1.<br />

(3) Nicht: das 1. und das 2. Nun aber das 1., also nicht das 2.<br />

(4) Entweder das 1. oder das 2. Nun aber das 1., also nicht das 2.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!