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PLATFORM3 - Räume für zeitgenössische Kunst - 2009

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Zeppelin. Nähert man sich der Skulptur, ertönt<br />

karibische Musik (Bachata), die aus dem<br />

Inneren über das Periskop leise nach außen<br />

dringt. Lora Read evoziert mit der poetischen<br />

Installation unterschiedliche Assoziationen:<br />

den geschichtlichen Kontext von Mobilität in<br />

der Karibik, hier unbedingt mit dem Meer verquickt;<br />

die dennoch bestehende politische und<br />

gesellschaftliche Isolation der Karibik, oft nur<br />

durchbrochen von der globalen Verbreitung<br />

ihrer folkloristischen Popkultur; und nicht zuletzt<br />

die Verbindung zur utopische Vision<br />

des Kapitän Nemos (J. Vernes, 20.000 Meilen<br />

unter dem Meer), der auf der Suche nach<br />

einem nicht-territorial begrenzten Raum eine<br />

Reise durch die Unterwasserwelt unternimmt.<br />

Nach den territorialen Bedingungen, den<br />

wirtschaftlichen und politischen Folgen des<br />

Weltverkehrs auf dem Meer fragt auch Allan<br />

Sekula (*1951, USA) in seiner Videoarbeit<br />

Lottery of the Sea. Die essayistische Reise führt<br />

Sekula in den Pazifik zur Kollision eines U-Boots<br />

der USA mit einem japanischen Fischerboot,<br />

an den Panama-Kanal und zu der Frage nach<br />

Souveränität und Kontrolle dieser bedeutenden<br />

Wasserscheide, zur Ölpest an der spanischen<br />

Küste mit der dortigen Eigeninitiative der Bevölkerung<br />

und zu einem großen Immobilienprojekt<br />

an der Seefront in Barcelona. Die physischen<br />

Orte maritimen Handelns sind auch<br />

Schauplatz Zineb Sediras (*1963, Frankreich/<br />

England) neuester Arbeit Remnants of a<br />

Scattered Vessel. Die aus 15 fotografischen<br />

Lichtkästen unterschiedlicher Formate bestehende<br />

Arbeit zeigt das fragmentierte, leuchtende<br />

Portrait eines Schiffsskeletts vor der<br />

Küste Mauretaniens, einem Ort an dem Wüste<br />

und Meer aufeinander treffen. Die verfallenen<br />

Überreste des Schiffes beschreiben eine Form<br />

der Endgültigkeit, das Ende einer Reise. Dies<br />

ist insbesondere im Hinblick auf den Ort von<br />

Bedeutung: die Hafenstadt Nouadhibou.<br />

Sie ist heute oft Ausgangspunkt <strong>für</strong> die lebensgefährlichen<br />

Überfahrten von Migranten und –<br />

sie beherbergt den weltgrößten Schiffsfriedhof,<br />

der sowohl eine Navigations- als auch eine<br />

Umweltgefahr darstellt.<br />

Die großformatige, digitale Collage Alte<br />

Welt – Neue Welt von Stephan Huber (*1952,<br />

Deutschland) bringt als Versuch einer neuartigen,<br />

nicht-territorial bestimmten Kartographierung<br />

der Welt in mehrfacher Hinsicht<br />

Kerngedanken der Ausstellung auf den Punkt.<br />

Hubers Thema ist die Reinszenierung des<br />

Raumes. Alte Welt – Neue Welt zeigt die Erde<br />

in drei Phasen eines Umwandlungsprozesses.<br />

In der linken Bildhälfte kann die „Alte Welt“<br />

studiert werden, rechts die Formierung neuer<br />

Strukturen. Die „Neue Welt“ geht auf vier „Vulkanausbrüche“<br />

zurück, Sinnbilder, die <strong>für</strong> die<br />

realpolitische und philosophisch-theoretische<br />

Zäsuren stehen, deren grafische Entsprechungen<br />

als explodierende rote Blüten im Zentrum<br />

des Bildes auszumachen sind. Sie leiten formal<br />

auf die rechte Seite in eine rhizomartig chaotisch<br />

zerfleddert erscheinende Weltkarte über,<br />

in ein Fantasieland, in dem es keine territorial<br />

begrenzten Nationalstaaten mehr gibt und<br />

die Veranschaulichungsmethoden räumlicher<br />

Sachverhalte und geopolitischer Strukturen<br />

nur als diagrammatische Anleihen fungieren.<br />

Tiago Mestre (*1978, Portugal), der Ausstellungsarchitekt,<br />

ist auch mit sechs Fotografien<br />

aus der Serie Off-Screen-Space in der<br />

Ausstellung vertreten. Er thematisiert in beiden<br />

Medien das Format Ausstellung selbst. Er<br />

zeigt, dass dieses in hohem Maße selektiv und<br />

suggestiv funktioniert. Indem er Zwischenräume<br />

sichtbar werden lässt, will er die Konstruiertheit<br />

von Geschichte deutlich machen –<br />

ihr Schweigen an der einen, ihr Sprechen an<br />

der anderen Stelle.<br />

Die Ausstellungsarchitektur schafft einen<br />

konzentrierten Raum und gleichzeitig genug<br />

Offenheit, um die Konstruktion dahinter einsehbar<br />

zu machen. Sie lässt Lücken – bewusst,<br />

um das sonst Nicht-Gezeigte zu zeigen. Die<br />

inhaltliche Kritik der Ausstellung Liquid Archives<br />

an der Begrenztheit der terrestrischen Perspektive<br />

spiegelt sich damit in ihrer Architektur<br />

wider. Die Werke der KünstlerInnen, die Ausstellungsarchitektur<br />

und das inhaltliche Konzept<br />

verstärken sich gegenseitig. Dies knüpft an den<br />

derzeit zunehmenden Diskurs über Ausstellungspraxis<br />

an, der eine Reflexion der eigenen<br />

Tätigkeit fordert.<br />

Projekte <strong>2009</strong> | Liquid Archives<br />

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