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PLATFORM3 - Räume für zeitgenössische Kunst - 2009

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Ausgetankt<br />

Karin Bergdolt<br />

Alltag. Termine, Erledigungen, Versorgung und<br />

Freizeit. Das motorisierte Fahrzeug steht vor<br />

der Tür – bitte mit gefülltem Tank. Aufgetankt –<br />

oder doch ausgetankt? Diese Frage begleitet<br />

mich nicht nur in meinem Alltag neben der Arbeit,<br />

sondern sie „ist“ meine derzeitige Arbeit:<br />

Gemeinsam mit Ann Rosenthal (Pittsburgh,<br />

USA) und Elizabeth Monoian (Dubai, Arabische<br />

Emirate) habe ich mir die Herausforderung<br />

geschaffen, leerstehende Tankstellen zur Kontaktstelle<br />

<strong>für</strong> <strong>Kunst</strong> im öffentlichen Raum<br />

temporär umzugestalten. Damit möchte ich die<br />

Frage öffentlich stellen: Was ist, wenn doch<br />

ausgetankt? What comes after Oil?<br />

Eine Vielzahl der leerstehenden Tankstellen<br />

bleibt über lange Zeit sich selbst überlassen. Es<br />

sind Orte mit einer besonderen Aura. Es sind<br />

Relikte, die mit ihrer bloßen räumlichen Präsenz<br />

unser sinnliches, technisches und soziales Können<br />

und Wollen hinterfragen. Es sind symbolhafte<br />

Orte eines langsam vergehenden Zeitalters,<br />

denn noch bestreiten wir unseren Alltag<br />

mit uneingeschränkter Mobilität, und (noch) sind<br />

wir die Idee grenzenlosen Wachstums gewohnt.<br />

Ein Großteil der anvisierten Orte liegt den<br />

sogenannten „<strong>Kunst</strong>zentren“ fern – dort, wo<br />

grundsätzlich nur wenig <strong>Kunst</strong> zu erwarten ist.<br />

Gerade deshalb bieten sie ein hohes Potential<br />

an unvoreingenommener Begegnung und<br />

Auseinandersetzung. Künstlerinnen und<br />

Künstler werden nach einem zweistufigen Bewerbungsverfahren<br />

eingeladen, sich mit ihren<br />

Visionen der Frage What comes after Oil?<br />

anzunähern. So werden Symbole einer an<br />

ihrem Ende stehenden Technologie zu Quelle<br />

und Ausgangspunkt <strong>für</strong> Neues umgeformt –<br />

als Hot Spots technologischer und gesellschaftlicher<br />

Reformation. Dabei wird es Blicke<br />

zurück geben, direkt hinein in unser gegenwärtiges,<br />

auf den Rohstoff Öl ausgerichtetes<br />

gesellschaftliches Gefüge; es wird aber auch<br />

voraus gedacht und visionäre Vorstellungen<br />

werden ihren Platz finden. Inzwischen hat uns<br />

eine Vielzahl an Projektvorschlägen erreicht,<br />

von Künstlern aus Asien über Europa, Nord- und<br />

Südamerika. Sie versprechen eine hohe Professionalität<br />

und Qualität in der Realisierung.<br />

Angestrebt wird ein interdisziplinärer Prozess<br />

in der Auseinandersetzung mit Architekten,<br />

Landschaftsplanern und Naturwissenschaftlern.<br />

Auch Menschen, die in Bildung und Vermittlung<br />

tätig sind, werden mit ihrer Arbeit mit Kindern,<br />

Jugendlichen und Erwachsenen Teil des Ganzen.<br />

Ein erstes konkretes Vorhaben wird derzeit<br />

in Zusammenarbeit mit einer Schülergruppe<br />

aus Kaufbeuren und einer im dortigen Stadtgebiet<br />

leerstehenden Tankstelle entwickelt.<br />

Daneben ist das parallel konzipierte Posterdesign-Projekt<br />

Oil: A Non-Renewable<br />

Resource bereits angelaufen. Jeweils eine<br />

Hochschule aus Dubai, Pittsburgh und München<br />

hat mit ihren Studenten den Dialog um nachhaltige<br />

Lebensformen aufgenommen und in<br />

Form von Postern visuell bearbeitet. Die jeweilige<br />

Leitung liegt bei Elizabeth Monoian, Ann<br />

Rosenthal und Wolfgang Gebhart. Die Ergebnisse<br />

wurden in gut besuchten Ausstellungen<br />

in den genannten Städten präsentiert. Der<br />

angestoßene Prozess findet derzeit seine Fortsetzung<br />

mit Video und filmischer Arbeit, jeweils<br />

eine Hochschule aus Chile und voraussichtlich<br />

New Mexico werden sich anschließen. Für die<br />

Präsentation der Ergebnisse hat uns die Abu<br />

Dhabi International Petroleum Exhibition and<br />

Conference (ADIPEC) im Herbst 2010 ein Ausstellungsforum<br />

angeboten.<br />

Auf meinem persönlichen Weg <strong>für</strong> Hot<br />

Spots arbeitend, mache ich immer wieder bemerkenswerte<br />

Beobachtungen, die ich vorab<br />

so nicht erwartet hätte. Natürlich stellt das<br />

Projekt kritische, aber unbedingt zukunftsweisende<br />

Fragen an die Gesellschaft – und wirft<br />

sie damit wieder zurück an mich als Künstlerin.<br />

Ich erlebe diesen Kommunikationsprozess<br />

zunehmend als mein <strong>Kunst</strong>werk selbst. Zuhörende<br />

und Betrachtende wollen Lösungen und<br />

erhoffen sich Handlungsanweisungen. Der<br />

Wunsch nach einer Antwort auf ein weltweit ungelöstes<br />

Problem ist groß! Ich spiele die Frage<br />

zurück, gebe keine Antwort, doch versuche ich<br />

mit Fortgang des Vorhabens auf unterschiedlichen<br />

Ebenen, mit ausgewählten Partnern bestehende<br />

<strong>Räume</strong> – Denkräume, Visionsräume,<br />

Spielräume, Kontakträume, Ideenräume und<br />

Arbeitsräume – zu öffnen und neu zu besetzen.<br />

Ich bereite den Boden, um unterschiedlichen<br />

Antworten und Sichtweisen Raum zu geben.

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