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PLATFORM3 - Räume für zeitgenössische Kunst - 2009

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Platform3 2010<br />

Marlene Rigler<br />

Zahlen und Realitäten 2: Das innovative, kulturelle<br />

und künstlerische Modell Platform3 soll<br />

aus heutiger Sicht zumindest zwei weitere Jahre<br />

Münchens Kulturlandschaft bereichern. Zwei<br />

städtische Institutionen sind es auch, die sich<br />

zur Schaffung eines solchen Ortes zusammengeschlossen<br />

haben: Münchens Referat <strong>für</strong><br />

Arbeit und Wirtschaft und sein Kulturreferat.<br />

3: Platform3 befindet sich im dritten Obergeschoss<br />

eines Industrie-Komplexes an der<br />

südlichen Peripherie Münchens, vereint drei<br />

unterschiedliche Raumnutzungsmodelle<br />

(Veranstaltungs-, Büro- und Atelierräume),<br />

zur Förderung ebenfalls dreier Berufsprofile:<br />

Kulturmanager, Gebäudetechniker, Künstler.<br />

4 +1: Insgesamt vier Volontäre arbeiten jeweils<br />

<strong>für</strong> die Dauer eines Jahres an Projekten, die an<br />

Platform3 konzipiert, realisiert und präsentiert<br />

werden. Bereichert wird dieses Team jedes<br />

Jahr durch eine Stipendiatin/einen Stipendiaten<br />

der Robert Bosch Stiftung.<br />

: Aus dieser idealen Ausgangssituation ergeben<br />

sich <strong>für</strong> eine junge Kulturinstitution<br />

schier unendliche Entwicklungsmöglichkeiten:<br />

vernetztes, transdisziplinäres Arbeiten, das<br />

Raum schafft <strong>für</strong> die Verwirklichung flexibler,<br />

dem aktuellen gesellschaftlichen und künstlerischen<br />

Diskurs entlehnte Veranstaltungsmodelle;<br />

ein Paradigmenwechsel, der nicht nur<br />

die Präsentation und Mediation von Werken<br />

neu entwirft, sondern auch deren spezifischen<br />

Produktionskontext berücksichtigt: das Atelier,<br />

als zugleich physischer und mentaler Raum<br />

künstlerischen Schaffens. Die vor Ort konkret<br />

erfahrbare <strong>Kunst</strong>produktion ist daher idealer<br />

Ausgangspunkt <strong>für</strong> Vermittlung. Dasselbe Prinzip<br />

der „gelebten Praxis“ lässt sich auch auf<br />

die tagtägliche Projektarbeit übertragen, die<br />

der Komplexizität des Berufsfeldes Kulturmanagement<br />

/Veranstaltungstechnik Rechnung<br />

trägt und dessen zunehmende Internationalisierung<br />

reflektiert: vernetzt wird an der Platform3<br />

in München ebenso wie im europäischen und<br />

weltweiten <strong>Kunst</strong>- und Kulturkontext. Ein Dialog<br />

über und mit der <strong>Kunst</strong>welt entsteht – mit dem<br />

Erfolg, dass diese die Reise in den Münchner<br />

Süden gerne auf sich nimmt.<br />

Utopien und Denkmodelle Platform3 denkt<br />

nach über Platform3: ein notwendiger, autoreflexiver<br />

Gestus, der Profil und Erscheinungsform<br />

eines <strong>Kunst</strong>- und Kulturbetriebs heute<br />

und hier – im München des Jahres 2010 –<br />

beleuchtet. Hinzu tritt das Nachdenken über<br />

die Pertinenz kulturellen und künstlerischen<br />

Arbeitens vor dem Hintergrund einer ökonomisch<br />

instabilen Gegenwart. Gerade die<br />

Krisensituation führt zur Auseinandersetzung<br />

mit Begriffsfeldern, die <strong>Kunst</strong> und Kultur bisher<br />

gerne weit von sich wiesen: Von Arbeit und<br />

Wirtschaftlichkeit ist plötzlich die Rede, Produktivität,<br />

Vermarktung und sogar messbare<br />

Erfolge werden dem Kulturbetrieb abverlangt.<br />

Was besonders in Europa jahrzehntelang als<br />

symbolisches Kapital der Eliten (Bourdieu)<br />

galt oder als Produkt einer westlichen Wertegesellschaft<br />

problematisiert wurde (Adorno),<br />

mutiert in jüngster Zeit zum Standortfaktor:<br />

Kulturbetriebe versprechen Urbanität und<br />

Diskursivität in infrastrukturell benachteiligten<br />

Vierteln. Der Kontakt mit der sozialen Realität<br />

hat <strong>Kunst</strong> und Kultur nachhaltig ihres Elfenbeinturmes<br />

beraubt. Ein Blick zurück auf die<br />

historischen Avantgarden bestätigt: Gerade<br />

in Krisenzeiten spielen <strong>Kunst</strong> und Kultur eine<br />

zentrale Rolle. Künstlerische Produktion reagiert<br />

schnell und kompromisslos auf gesellschaftliche<br />

Umwälzungen, kulturelle Diskurse<br />

werden zu wichtigen Trägern von Emotion<br />

und Vision. Mehr noch, Utopien kursieren<br />

plötzlich wieder. Dank ihrer erlebt man die<br />

Gegenwart als ebenso (ökonomisch) gespannt<br />

wie (intellektuell) spannend.<br />

Gerade weil sich <strong>Kunst</strong> und Kultur im<br />

zwanzigsten Jahrhundert als besonders krisenresistent<br />

gezeigt haben, ist es vorteilhaft,<br />

ihnen in der aktuellen Lage gebührend Platz<br />

zu bieten. Nichts erscheint also naheliegender,<br />

als den Kernpunkt der Krise selbst zum<br />

Thema kultureller und künstlerischer Projekte<br />

zu machen: Arbeit.<br />

Anstösse | Platform3 2010<br />

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