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PLATFORM3 - Räume für zeitgenössische Kunst - 2009

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<strong>Kunst</strong> und Wirtschaft im Umbruch 1<br />

Doris Rothauer<br />

Wenn Kreativität der Schlüssel zu einer neuen<br />

Gesellschaft ist, dann muss <strong>Kunst</strong> und <strong>Kunst</strong>schaffen<br />

in dieser neuen Gesellschaft eine<br />

Schlüsselrolle spielen, die sie momentan nicht<br />

hat. Eine Schlüsselrolle, die es Künstlern und<br />

<strong>Kunst</strong>schaffenden aufgrund ihrer kreativen Kompetenz<br />

und ihres kreativen Ethos ermöglicht,<br />

den Gestaltungsprozess unseres Gesellschaftswandels<br />

maßgeblich in die Hand zu nehmen. In<br />

ökonomische und politische Gestaltungs- und<br />

Entscheidungsprozesse miteingebunden zu<br />

werden. Neue Denk-, Sicht- und Handlungsweisen<br />

zu eröffnen und verbindlich weiterzugeben.<br />

Um diese Schlüsselrolle einzunehmen, bedarf<br />

es nicht nur einer symbolischen Macht, die<br />

sich auf symbolische Operationen und Diskurse<br />

beschränken muss, sondern realer politischer<br />

Einflussmöglichkeiten. Derzeit sind Künstler<br />

und <strong>Kunst</strong>schaffende zwar gesellschaftlich privilegiert,<br />

werden aber im Zusammenspiel mit<br />

der Wirtschaft und der Politik nicht als gleichwertige<br />

Partner gesehen.<br />

Einer philosophischen <strong>Kunst</strong>anschauung<br />

folgend ist das Ende der <strong>Kunst</strong> mit ihrer Autonomie<br />

gekommen, die ihren Funktionsverlust<br />

bedingte (Liessmann, 1993). Die Aufhebung<br />

der Autonomie wäre demnach eine Möglichkeit<br />

<strong>für</strong> die <strong>Kunst</strong>, sich ihre gesellschaftspolitische<br />

Funktion und Gestaltungsmacht zurückzuerobern.<br />

<strong>Kunst</strong> würde in die Wirklichkeit zurückgeholt<br />

und ihr eine Funktion zugeschrieben werden.<br />

Das würde im Sinne Hegels das Ende des Endes<br />

der <strong>Kunst</strong> und damit ihren Neuanfang bedeuten.<br />

Mit der Autonomie hat sich ein <strong>Kunst</strong>betrieb<br />

ausgebildet, der eigenen Gesetzmäßigkeiten<br />

folgt, in sich autark funktioniert und nur die<br />

Bedürfnisse befriedigt, die er selbst erzeugt<br />

(Liessmann, 1993). Damit ist die Autonomie nur<br />

eine scheinbare, die in Wirklichkeit nicht von<br />

außen bedroht wird, sondern von innen. Es ist<br />

nicht das Bestreben, Künstler und <strong>Kunst</strong>schaffende<br />

in außerkünstlerische Systeme einzubinden,<br />

das ihren Autonomie- und Freiheitsverlust<br />

bedeuten würde. Der <strong>Kunst</strong>betrieb selbst<br />

hat die Autonomie längst aufgehoben und ein<br />

künstliches System mit postfeudalistischen<br />

Strukturen geschaffen, das droht, sich ad absurdum<br />

zu führen. Ein System, das nicht kooperationsfähig<br />

ist, solange es sich nicht öffnet<br />

und ausschließlich selbstreferentiell agiert.<br />

Künstlerische Manifestationen, die immer nur<br />

auf den gleichen autarken Zirkel gerichtet<br />

sind, um sich dort ihre Legitimation zu holen,<br />

haben keine reale gesellschaftspolitische Bedeutung.<br />

<strong>Kunst</strong> muss dorthin gehen, wo Mitgestaltung<br />

gesellschaftlich relevant ist. Das<br />

kann in der Politik, in der Wirtschaft oder in<br />

der Wissenschaft sein. Oder auch in unserer<br />

Alltagskultur, die es Künstlern und <strong>Kunst</strong>schaffenden<br />

ermöglicht, ihre autonome Tätigkeit,<br />

ihre Werthaltungen und ihre Kreativität dort einzuschleusen,<br />

wo „das Leben“ stattfindet.<br />

Wirtschaft und Politik müssen ihrerseits dazu<br />

beitragen, künstlerische Kreativität aufzuwerten,<br />

indem sie den Stellenwert, der ihr vorerst<br />

nur in der Theorie zukommt, auch in der Praxis<br />

bekommt: als Schlüsselwert und Qualifikation<br />

unserer Gesellschaft und Wirtschaft. <strong>Kunst</strong> und<br />

Wirtschaft sind bisher zwei nicht kompatible<br />

Systeme gewesen, da ein zufriedenstellender<br />

Austausch von symbolischem Kapital gegen<br />

ökonomisches Kapital im kapitalistischen System<br />

nicht funktioniert hat. Das könnte sich in<br />

der Wissensgesellschaft ändern. Das verbindende<br />

Element von <strong>Kunst</strong> und Wirtschaft im Umbruch<br />

ist die Kreativität. <strong>Kunst</strong> kann neue Denk-,<br />

Sicht- und Handlungsweisen eröffnen, die die<br />

Wirtschaft aufnehmen und einfließen lassen<br />

sollte. Und es sollten <strong>Kunst</strong> und Wissenschaft<br />

näher zusammenrücken und sich synergetisch<br />

austauschen, um so auf die Wirtschaft zu wirken.<br />

Um die verbindende Kompetenz der Kreativität<br />

auszunutzen, bedarf es veränderter<br />

Rollenbilder. Wenn sich das Selbstverständnis<br />

<strong>Kunst</strong>schaffender von seinen traditionellen<br />

Fesseln löst, dann muss auch das Berufsbild<br />

<strong>Kunst</strong>schaffender, wie es in der Fremdwahrnehmung<br />

besteht, mit dieser Entwicklung mitgehen.<br />

Das von der Gesellschaft, der Wirtschaft<br />

und der Politik einzufordern, sollte eine neue<br />

Aufgabe des <strong>Kunst</strong>betriebes sein.<br />

1 aus: Rothauer, Doris: Kreativität & Kapital.<br />

<strong>Kunst</strong> und Wirtschaft im Umbruch. Wien: WUV 2005, S. 180 f<br />

Anstösse | Kulturelle Arbeit<br />

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